„Habe nun, ach! Philosophie, / Juristerei und Medizin, / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. / Da steh ich nun, ich armer Tor! / Und bin so klug als wie zuvor;“
Diese Verse aus Johann Wolfgang von Goethes Tragödie „Faust“ sind weithin bekannt – weit weniger bekannt ist, dass sie einen Bezug zur Universität Heidelberg haben könnten: Wissenschaftler halten es für möglich, dass die historische Figur, die als Vorbild für den literarischen Faust diente, an der Ruperto Carola studierte. Allerdings existieren nur wenige verlässliche zeitgenössische Quellen zum historischen Faust. Neben der Theorie, dass Faust in Knittlingen am Rande des Kraichgaus geboren wurde, wird auch die These diskutiert, dass es sich bei der historischen Faust-Figur um einen Georg, Georgius oder Jörg aus Helmstadt bei Heidelberg handelte – und dieser studierte nachweislich an der Ruperto Carola. Jener Georg soll ungefähr im Jahr 1466 in Helmstadt geboren worden sein und sich nach seinem Geburtsort Georg Helmstetter genannt haben. Ein Matrikeleintrag aus dem Jahr 1483 belegt sein Studium an der Universität Heidelberg: „Georgius Helmstetter dioc(esis) Warm(aciensis) nona Januarii“ heißt es dort (Repro: Universitätsarchiv).Dem amerikanischen Germanisten Frank Baron zufolge erlangte Georg Helmstetter bereits nach einem Jahr den akademischen Grad eines Baccalaureus und im Jahr 1487 den eines Magisters der Philosophie. Später habe er sich dann Faustus genannt. In weiteren Quellen tauchen Namen wie „Dr. Jörg Faustus von Haidlberg“, „Georgius Faustus helmstet.“ oder „Georgius Faustus Helmitheus Hedelbergensis“ auf. Zudem soll „Magister Georgius Helmstette(r)“ einem Heidelberger Studenten ein Horoskop erstellt haben, bei dem er sich nicht an die damaligen akademischen Regeln hielt und die Astrologie mit anderen okkulten Wissenschaften verknüpfte – ein Muster, das sich auch bei der historischen Faust-Figur findet, die Alchimist, Wunderheiler, Astrologe und Wahrsager in einem war.
Der anderen These zufolge stammte Faust aus Knittlingen in der Nähe von Bretten im heutigen Kraichgau. Als Beleg dafür gilt eine Aussage des Universalgelehrten Philipp Melanchthon, ebenfalls ein Alumnus der Universität Heidelberg, mit der ihn dessen Student Johannes Manlius zitierte: Demnach kannte der aus Bretten stammende Melanchthon einen „mit nammen Faust, der war von Kundelingen, ist ein kleines stettlein, nicht weit von meinem vaterlande“. Zur damaligen Zeit wurde Knittlingen als Kundelingen, Knutelingen oder Cnudelingen bezeichnet. Soweit sich die Lebensdaten des historischen Faust eruieren lassen, hat er fast genau zeitgleich mit Melanchthon gelebt, so dass dieser ihn tatsächlich gekannt haben kann. In Knittlingen existiert zudem eine notariell beglaubigte Abschrift einer nicht mehr existierenden Urkunde eines Hauskaufs im Jahr 1542, bei dem es sich um das Gebäude handeln soll, „allwo Fausten born“. Zwei Funde aus diesem „Geburtshaus des Doktor Faust“ weisen ferner darauf hin, dass dort alchemistische und magische Praktiken vorgenommen wurden.
Somit kann man für beide Theorien zum Geburtsort Fausts Argumente finden. Insgesamt gibt es aber nur wenige belegbare Fakten zu der historischen Faust-Figur, deren spektakulärer Tod – der „Schwarzkünstler“ soll bei einer Explosion als Folge chemischer Experimente ums Leben gekommen sein – die Legendenbildung bis hin zum Teufelspakt begünstigte. Der Germanist Günther Mahal, der das Faust-Museum und Faust-Archiv in Knittlingen begründete, weist darauf hin, dass bei Zeugnissen zu der historischen Figur zum Teil verlässliche Befunde und legendenhafte Ausschmückung direkt nebeneinander stehen. Auf dieser Basis wurde aus einem Alchimisten, der eventuell an der Ruperto Carola studierte, die mythische Urgestalt der Moderne.