Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Vom Christentum zum Islam

Für die Forschung zur Entstehung des Islam ist die früharabische Zeit in Ägypten von großer Bedeutung. Einblicke in den Alltag der frühislamischen Welt des 7. und 8. Jahrhunderts bieten zahlreiche aus dieser Zeit stammende Dokumente aus der Papyrussammlung der Ruperto Carola – wie etwa diese arabisch-griechische Steuervorschreibung aus dem frühen 8. Jahrhundert (Foto: Institut für Papyrologie). Mit rund 11 000 Objekten ist die Heidelberger Sammlung nach der Papyrussammlung in Berlin die zweitgrößte Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Alle Dokumente stammen aus Ägypten, hauptsächlich aus einem Zeitraum vom 3. Jahrhundert vor Christus bis zum Mittelalter. Sie gelangten vor allem durch den Antikenhandel und die badischen Grabungen in Qarara und El-Hibeh nach Heidelberg.

In einem neuen Forschungsprojekt werden bisher wissenschaftlich nicht erschlossene Papyrusdokumente entziffert, übersetzt und kommentiert. „Über diese Alltagszeugnisse erhalten wir wichtige Einblicke in die erste Phase der Transformation einer christlichen in eine muslimisch geprägte Gesellschaft“, erklärt Lajos György Berkes vom Institut für Papyrologie. Die „VolkswagenStiftung“ unterstützt das auf drei Jahre angelegte Projekt „Zeugnisse einer multikulturellen Gesellschaft: Papyri zum Zusammenleben von Christen und Muslimen im früharabischen Ägypten“ innerhalb ihrer Initiative „Forschung in Museen“ mit 264 000 Euro.

Das Forschungsprojekt von Lajos Berkes hat Papyri aus dem 7. und 8. Jahrhundert zum Inhalt – aus der Zeit nach der arabischen Eroberung Mitte des 7. Jahrhunderts. „Bis dahin gehörte das ursprünglich von Alexander dem Großen eroberte Ägypten zum Römischen Reich, wobei ab dem 4. Jahrhundert das Christentum eine bedeutende Wirkung ausübte“, erläutert der Wissenschaftler: „So entwickelte sich eine komplexe, multikulturelle und multilinguale Gesellschaft mit altägyptischen, griechischen, römischen und christlichen Traditionen. Mit der Eroberung durch muslimische Truppen begann Ägyptens langsame Entwicklung zu einem arabischsprachigen und muslimischen Land, was sich in den zu untersuchenden Papyri widerspiegelt.“

Bei den Dokumenten handelt es sich um Briefe, Verträge, Quittungen oder Zahlungslisten, die Einblick in den damaligen Alltag und den Beginn der Transformation Ägyptens von einer christlichen in eine muslimische Gesellschaft geben. Lajos Berkes: „Die Papyri dokumentieren zum Beispiel, wie allmählich Araber und Muslime in den ägyptischen Städten und Dörfern auftauchten. Sie zeigen aber auch das Verhältnis zwischen den arabischen Herrschern und ihren Untertanen und bezeugen detailliert die Verwaltung des früharabischen Staates und deren Wirkung auf die lokale Bevölkerung. So mussten etwa christliche Gemeinden Seeleute für Angriffe gegen Byzanz oder verschiedene Handwerker für den Bau von Moscheen in Jerusalem oder Damaskus stellen.“

Im Zuge des Forschungsvorhabens will der Wissenschaftler die Papyri entziffern, übersetzen und ausführlich historisch und linguistisch kommentieren. Ziel ist ein Editionsband Heidelberger Papyri aus früharabischer Zeit, zudem sollen die Ergebnisse in eine Open-Access-Datenbank eingehen. Ferner soll die Erwerbs- und Sammlungsgeschichte der antiken Archive nachgezeichnet werden. Als weiteres Ergebnis ist in Kooperation mit der Sammlung des Ägyptologischen Instituts und dem Universitätsmuseum eine Ausstellung über das Zusammenleben von Christen und Muslimen in früharabischer Zeit geplant.

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