Von Ute von Figura
„Jeder in der Türkei soll uns kennen. Das ist das Ziel.“ Sevil Korkmaz lacht. „Ich weiß nicht, ob das jemals passieren wird, aber ein guter Ansporn ist es allemal.“ Die gebürtige Türkin ist nämlich nicht nur stellvertretende Leiterin der herzchirurgischen Forschung am Universitätsklinikum Heidelberg und befasst sich dort – mit einem Stipendium der Medizinischen Fakultät – mit Herzmuskelerkrankungen. Die 36-Jährige hat sich auch als Sängerin der türkischen Pop-Band „Bariş ve Damlalar“ einen Namen gemacht (Foto: privat).
Nach den Anfängen ihrer musikalischen Laufbahn gefragt, muss Sevil Korkmaz weit zurückgehen: „Das war ein Jahr, nachdem meine Großmutter, mein Bruder und ich aus der Türkei nach Frankreich gezogen sind. Auslöser war ein Sommerfest meiner Schule, bei dem sich jedes Kind an einer Aufführung beteiligen sollte.“ Weil die damals Zwölfjährige keine Lust auf die bereits existierende Theater-AG hatte, beschloss sie, eine türkische Volkstanzgruppe zu gründen. 20 Kinder schlossen sich ihr an, acht Monate trainierten sie und gewannen sogar den Bürgermeister der Stadt als Unterstützer. Auch nach dem Schulfest trat die Gruppe weiter zusammen auf. Irgendwann – als Ergänzung ihres Tanzprogramms – kam dann die Musik hinzu: Sevil, ihr drei Jahre älterer Bruder Bariş sowie die gemeinsame Freundin Elodie sangen, und die Gruppe tanzte zu ihren Rhythmen.Was bei einem Schulfest seinen Anfang nahm, entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einer erfolgreichen Musikkarriere: 1994 gewannen die drei als „Bariş ve Damlalar“ den ersten Platz bei einem Jugend-Musik-Wettbewerb in Paris und wurden von einem türkischen Produzenten entdeckt. Wenig später nahmen sie ihre ersten Songs auf. 100 000 Alben haben Sevil Korkmaz und ihre Band in der Hochphase verkauft; 2006 erreichte ihr Hit „Melisa“ Platz drei der türkischen Charts. Auftritte vor bis zu 20 000 Zuschauern folgten – das alles parallel zur schulischen Ausbildung und dem Studium in Frankreich. Der große Durchbruch von „Bariş ve Damlalar“ liegt zwar schon einige Jahre zurück, doch noch immer werden Songs der Band von türkischen Radiosendern gespielt, noch immer treffen tagtäglich Fanbriefe ein und noch immer wird Sevil auf der Straße erkannt und angesprochen, selbst hier in Heidelberg.
„Wir haben Zeit“, meint Sevil Korkmaz auf die Frage, wie sie das ambitionierte Ziel erreichen will, ihren Bekanntheitsgrad in der Türkei noch zu steigern. „Uns war immer klar, dass die Musik nur ein Hobby ist; die Wissenschaft geht vor.“ Denn nicht nur Sevil arbeitet als Herzspezialistin ehrgeizig in ihrem Forschungsfeld: Ihr Bruder ist Biochemiker, die Dritte im Bunde, Elodie Kara, ist Molekularbiologin. Die Berufe der drei und die räumliche Trennung – Sevil lebt seit sechs Jahren in Heidelberg, Bariş und Elodie wohnen im französischen Tours – verhindern regelmäßige Proben und Auftritte der Band. Dennoch: Die gemeinsame Musik ist und bleibt fester Bestandteil ihres Lebens. Nach der Arbeit im Labor schreibt Sevil abends häufig an Texten und schickt diese ihrem Bruder, der die Melodien dazu komponiert. Von Zeit zu Zeit trifft sich die Band, um die neuen Lieder einzusingen. Drei Songs hat „Bariş ve Damlalar“ auf diese Weise zuletzt veröffentlicht.
Auch dem Tanz ist die Wissenschaftlerin treu geblieben. Wenige Wochen nach ihrer Ankunft in Heidelberg gründete sie eine türkische Volkstanzgruppe für Kinder. „Ich kann einfach nicht still sitzen“, sagt Sevil Korkmaz. Die Lust, immer wieder Neues auszuprobieren, und den Biss, sich immer wieder neuen Situationen zu stellen, habe sie ihrem Vater zu verdanken. Er habe ihr früh Verantwortung übertragen, erzählt Sevil, und sie in schwierigen Situationen, wie den ersten Jahren ohne die Eltern in Frankreich, stets ermutigt. Im Beruf kämen ihr diese Stärken ebenfalls zugute: „Ich habe kein Problem, auf andere zuzugehen – auch wenn mein Deutsch sicher nicht fehlerfrei ist. Was habe ich schon zu verlieren?“