Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Beobachtungen nahe der dunklen Seite des Alls

Ungewöhnliche „kosmische Greise“ aus der Frühzeit des Universums hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) entdeckt. Es handelt sich dabei um drei rund 13 Milliarden Jahre alte Sterne (Grafik: NASA/WMAP Science Team), die von den Experten den frühesten Sterngenerationen nach dem Ende des so genannten „Dunklen Zeitalters“ zugerechnet werden.

Die chemischen Eigenschaften dieser äußerst seltenen stellaren Methusalems erlauben neue Einblicke in die Vorgänge, die zur Sternentstehung geführt haben müssen. Die ersten Sterne sollten – so die bisherige Vorstellung – sehr massereich sein und besonders hell leuchten. Die neuen Beobachtungen deuten jedoch auf bisher unbekannte Vorgänge im jungen Universum hin, bei denen auch sehr viel kleinere Sterne entstehen konnten. Diesen Schluss legen Analysen nahe, die zum Teil an der Landessternwarte Königstuhl und am Institut für Theoretische Astrophysik – beide gehören zum ZAH – ausgearbeitet wurden.

Das Universum entstand vor etwa 13,8 Milliarden Jahren mit dem Urknall. Das anfänglich extrem heiße Gas der „Explosionswolke“ dehnte sich danach aus und wurde im Zuge dessen immer kälter. Weil es zunächst keinen einzigen Stern in den kosmischen Weiten gab, spricht die Wissenschaft auch vom „Dunklen Zeitalter“ des Universums. Nach etwa 400 Millionen Jahren dann bildeten sich aus den abgekühlten Explosionsgasen des Urknalls die ersten Sterne.

Es hat sich gezeigt, dass diese aufgrund der chemischen Zusammensetzung der Urgase – hauptsächlich Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium – zehn- bis hundertmal massereicher als unsere Sonne waren und somit auch entsprechend leuchtstark. Da sie ihren nuklearen Brennstoff deswegen sehr schnell verbrauchten, strahlten die ersten Sterne nur wenige Millionen Jahre: Sie vergingen in gigantischen Explosionen, bei denen die schwereren chemischen Elemente freigesetzt und von den nachfolgenden Sterngenerationen aufgenommen wurden. Durch genaue chemische Untersuchung der zweiten Sterngeneration können daher Rückschlüsse auf die Eigenschaften der allerersten Sterne gezogen werden.

Die drei neuen stellaren Methusalems wurden durch Beobachtungen am Pariser Observatorium von einer Wissenschaftlergruppe unter der Leitung von Dr. Piercarlo Bonifacio entdeckt. Sie enthalten neben Wasserstoff und Helium nur extrem geringe Mengen anderer chemischer Elemente, darunter aber auffällig viel Kohlenstoff. Der Astronom Dr. Paolo Molaro vom Observatorium Triest vermutet deshalb, dass die drei „kosmischen Greise“ zu einer ganz besonderen und neuen Klasse von ersten Sternen gehören.

Das an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile vorgenommene Beobachtungsprogramm zur Suche nach derartigen Objekten wurde von Dr. Elisabetta Caffau während ihrer Zeit als Gliese-Fellow der Universität Heidelberg an der Landessternwarte Königstuhl initiiert. Um die extrem geringen Elementhäufigkeiten exakt bestimmen zu können, kommen Computermodelle von Sternatmosphären zum Einsatz. Entwickelt werden diese von Dr. Hans-Günter Ludwig, der ebenfalls an der Landessternwarte forscht.

Die Vorgänge, die bei der Bildung der ersten Sterne im Universum eine Rolle gespielt haben, werden wiederum am Institut für Theoretische Astrophysik der Ruperto Carola von der Arbeitsgruppe Sternentstehung untersucht. Wie deren Leiter Prof. Dr. Ralf Klessen erklärt, spielt Kohlenstoff im jungen Universum eine wichtige Rolle als „Kühlmittel“, mit dessen Hilfe sich interstellares Gas zu einem Stern zusammenziehen kann: je besser die Kühlung, desto kleinere Sterne können sich bilden. Doch selbst mit Kohlenstoff sollten die ersten Sterne noch immer mindestens zehnmal massereicher sein als die nun erspähten Objekte. „Wahrscheinlich war interstellarer Staub das Kühlmittel, mit dessen Hilfe sich die neu entdeckten, massearmen Sterne bilden konnten“, vermutet Ralf Klessen: „Das werden wir jetzt im Detail untersuchen.“

Die aktuellen Entdeckungen lassen einen faszinierenden und neuen Einblick in die Vorgänge um die Entstehung der ersten Sterne zu. Demnach müssen sich diese Sterne nicht isoliert sondern in Gruppen gebildet haben, wie Klessen betont. Die massereichen Sterne explodierten bereits nach wenigen Millionen Jahren – allerdings wohl weit weniger heftig als bislang vermutet. „Denn nur dann werden lediglich die leichteren Elemente wie Kohlenstoff oder Sauerstoff weit genug ins All geschleudert, um von den neuen massearmen, dafür aber langlebigen Sternen verwertet werden zu können“, erläutert der Heidelberger Wissenschaftler.

Völlig unverstanden ist jedoch die Tatsache, dass bei den drei jetzt beschriebenen Sternen keine Spuren von Lithium gefunden wurden, obwohl dieses Element auch im Urgas enthalten ist. Für Dr. Marco Limongi vom Observatorium von Rom, der ebenfalls dem internationalen Forscherteam angehört, ist dies ein weiteres Rätsel, das es zu lösen gilt.

P. Bonifacio, E. Caffau, M. Spite, M. Limongi, A. Chieffi, R.S. Klessen, P. François, P. Molaro, H.-G. Ludwig, S. Zaggia, F. Spite et al.: TOPoS: II. On the bimodality of carbon abundance in CEMP stars. Astronomy & Astrophysics, http://dx.doi.org/10.1051/0004-6361/201425266