Stimulierende Atmosphäre
Zu Leistungsstärke und Attraktivität sowie den künftigen Entwicklungen stellte Ute Müller-Detert dem Direktor der Heidelberger Universitätsbibliothek, Dr. Veit Probst (Foto: Universität Heidelberg), drei Fragen:
Die Platzprobleme der Universitätsbibliothek Heidelberg waren bereits in den 1990er-Jahren so drängend, dass schon zu dieser Zeit eine Erweiterung in Richtung Triplex-Gebäude beantragt wurde. Allerdings gab es damals Zweifel, ob der digitale Medienwandel die Buchbibliothek ablösen würde. Tatsächlich können die Nutzer heute ortsunabhängig auf das riesige Spektrum elektronischer Angebote einer virtuellen Bibliothek zugreifen. Wie kommt es, dass die Universitätsbibliothek heute dennoch stärker denn je ein Ort des Lesens, des Forschens und des Studierens ist?
„Aktuell stellen wir 3120 Datenbanken, 94 500 E-Journals, 400 000 E-Books, 3,3 Millionen digitalisierte Seiten aus historischen Sammlungen und 22 000 Dokumente auf den hauseigenen Servern im Open Access bereit. Das reiche Angebot weist mit über neun Millionen Downloads im Jahr 2014 exorbitante Nutzungszahlen aus. Dennoch hält es Wissenschaftler und Studierende nicht davon ab, in die Bibliothek zu strömen. Hier finden sie die stimulierende Atmosphäre des gemeinschaftlichen wissenschaftlichen Arbeitens. Die ‚Bib‘ ist der zentrale Altstadt-Treffpunkt für die 31 000 Studentinnen und Studenten der Universität. Sie finden sich hier zusammen zum Lernen, zur Lektüre klassischer Quellentexte oder juristischer Kommentare, zum Erstellen von Präsentationen und Hausarbeiten, zum Einüben von Vorträgen oder zum Entspannen beim Blick in die ausliegenden Tageszeitungen. Unsere Besuchs- und Ausleihzahlen zeugen von der ungebrochenen Anziehungskraft einer traditionsreichen Universitätsbibliothek.“
Zum sechsten Mal nacheinander nimmt die Universitätsbibliothek Heidelberg im Bibliotheksindex BIX den Spitzenplatz unter den großen wissenschaftlichen Bibliotheken ein. Worin liegen die Stärken der Bibliothek und damit die Gründe für diesen kontinuierlichen Erfolg, der trotz einer mehrjährigen Umbauphase während des laufenden Betriebs möglich war?
„Wir zeichnen uns durch eine besonders ausgeglichene Leistungsbilanz über alle vier Kategorien aus, das heißt, dass wir nicht nur bei Angebot und Nutzung sondern auch bei Effizienz und Entwicklung punkten können. Besonders stolz sind wir auf die Effizienz unserer Dienstleistungen, die dem Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken ist. Das hat die positive Konsequenz, dass unser Etat für Literatur im Verhältnis zu den Personalausgaben besonders hoch ist. Neben den klassischen bibliothekarischen Angeboten liegt ein Schwerpunkt unserer Arbeit in Sonderaufgaben und neuen Erschließungsprojekten. Dafür konnten wir allein im vergangenen Jahr 2,9 Millionen Euro an Dritt- und Sondermitteln einwerben. Eines der herausragenden Projekte ist die Digitalisierung der lateinischen Handschriften, die zur Bibliotheca Palatina gehören und sich in der Vatikanischen Bibliothek in Rom befinden. Zu den vielfältigen weiteren Aktivitäten zählen die Fachinformationsdienste für die Schwerpunktfächer Europäische Kunstgeschichte, Ägyptologie, Klassische Archäologie und Südasien sowie die eigenen Publikationsdienste, die kontinuierlich ausgebaut werden. Zudem ist eine große Zahl von Mitarbeitern für die Entwicklung neuer elektronischer Dienstleistungen zuständig.“
Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft? Was wünschen Sie sich für die Universitätsbibliothek Heidelberg?
„Die Qualität unserer Bibliothek wird sich auch künftig an drei Hauptindikatoren messen lassen. Dazu gehören erstens attraktive Arbeitsplätze: Unsere Nutzer haben die neuen Lesebereiche in den vergangenen Monaten mit einer solchen Begeisterung in Besitz genommen, dass sich schon jetzt weiterer Bedarf abzeichnet. Wir sind mit der Universitätsleitung bereits in Gesprächen über eine nochmalige Erweiterung in das erste Obergeschoss des Triplex-Gebäudes. Zweitens benötigen wir auch künftig ausreichende Etatmittel für eine umfassende Informationsversorgung. Exemplarisch nenne ich die jüngst abgeschlossenen Lizenzverträge mit den Großverlagen Springer und Elsevier, deren fast 5000 Online-Journale eine universitäre Nachfrage von über einer Million Downloads pro Jahr erfahren. Die Finanzierung und Fortführung solcher Dienste ist für die Informationsversorgung der Universität essenziell. Der dritte Indikator bezieht sich auf weitere eigene Entwicklungen vor allem auf dem Feld des Open Access. Die Universitätsbibliothek wird in Zusammenarbeit mit dem Universitätsrechenzentrum das Forschungsdatenmanagement ausbauen und zudem ihre Publikationsaktivitäten forcieren.“