Von Ute von Figura
Zwei, die sich perfekt ergänzen: Annika Brockschmidt, Germanistik- und Geschichtsstudentin an der Universität Heidelberg, und Dennis Schulz, der kürzlich seinen Master am Physikalischen Institut der Ruperto Carola abgeschlossen hat und bald mit einer Promotion beginnen wird (Foto: privat). Seit gut einem Jahr erstellen die beiden den Wissenschafts-Podcast „Science Pie“, mit dem sie komplexe Themen aus Literatur, Geschichte, Technik und Physik kurzweilig an den Hörer bringen. Im Sommer wurde das Format vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als „Hochschulperle digital“ ausgezeichnet.
Die Podcast-Szene in Deutschland ist überschaubar: „Zwei bis drei Typen treffen sich und reden über Technik“, beschreibt Annika Brockschmidt den Prototypen der Audio-Podcasts, die hierzulande veröffentlicht werden. „Die deutschen Podcasts sind oft ein bisschen nerdig“, ergänzt Dennis Schulz. „Nicht falsch verstehen“, fügt er hinzu, „dieses Urteil ist durchaus liebevoll gemeint, schließlich bin ich selber so ein Nerd.“ Dennoch: Das Vorbild der beiden sind amerikanische Serien – die Produktion „Serial“ zum Beispiel, in der ein realer Mordfall neu aufgerollt wird und die Ende vergangenen Jahres in den USA innerhalb kürzester Zeit zum Hit avancierte. „Die große Podcast-Renaissance“ hieß es dazu im „New York Magazine“, und der „New Yorker“ titelte „Serial: Der Podcast, auf den wir gewartet haben“.Dass sie sich mit ihrem eigenen Podcast auf einem guten Weg befinden, zeigt die Auszeichnung „Hochschulperle digital“, die ihnen der Stifterverband für „Science Pie“ verliehen hat. Die Jury lobte besonders die professionelle Produktion sowie die unterhaltsame Art und Weise, mit der Annika Brockschmidt und Dennis Schulz Wissenschaft vermitteln. Mehrere Tausend Hörer erreichen die beiden mit jeder Episode – etwa zum „Wahnsinn großer Zahlen“, zum „eigenartigen Fall“ der Gefangennahme des Nationalsozialisten Rudolf Heß oder zum Thema „Zeitreisen“ –, darunter mit der englischen Version viele Menschen im Ausland. „Einmal hat uns eine Hörerin aus Kolumbien angeschrieben“, erzählt Annika, das sei eine tolle Bestätigung gewesen, wenngleich auch fast schon etwas beängstigend: „In dem Moment ist mir klar geworden, dass es inzwischen nicht mehr nur Freunde sind, die uns hören, sondern auch Leute, die keinerlei Bezug zu uns haben.“
Das Medium Wissenschafts-Podcast scheint wie gemacht für die beiden: „Es bündelt ziemlich genau das, was wir zufällig können und was uns Spaß macht“, meint Dennis Schulz lachend. Beide haben Medienerfahrung – Annika schreibt für den Berliner Tagesspiegel und verfasst regelmäßig Kurzgeschichten, Dennis hat Beiträge in der Rhein-Neckar-Zeitung veröffentlicht und erprobt seine Fähigkeiten im Schreiben und Sprechen immer wieder bei Poetry-Slams. Beide sind sie – nach eigener Aussage – „penible Korrektur-Leser“ und beide mögen es, ihre Ideen vom jeweils anderen auf Herz und Nieren testen zu lassen. Dass sie unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen entstammen, sei hierbei ein großes Plus: „Es ist ungemein wichtig, dass wir unsere Manuskripte gegenseitig mit fachfremdem Blick auf Verständlichkeit prüfen“, sagt Annika, „denn wenn man sich lange in ein Thema vertieft, merkt man gar nicht mehr, an welchen Stellen es hakt.“ Schließlich eint Annika und Dennis die Leidenschaft für das gesprochene Wort. „Podcasts sind wie gut gemachte, anspruchsvolle Fernseh-Dokus – nur dass die Bilder im Kopf entstehen“, erklärt der Physiker Dennis. „Wann immer ich ein paar Minuten Zeit habe, höre ich mir eine Folge an. Es ist das perfekte Medium für zwischendurch.“
Vor gut zweieinhalb Jahren haben sich die beiden kennengelernt, seitdem sind sie auch privat ein Paar. „In einer seiner ersten SMS an mich hat er gefragt, ob ich den Podcast ‚Radiolab‘ kenne“, erinnert sich Annika Brockschmidt. Um für die nächste Verabredung Gesprächsstoff zu haben, habe sie in eine Episode reingehört und sei sofort gefesselt gewesen. „Ich weiß gar nicht mehr, wann genau die Idee entstand, uns selbst in diesem Medium auszuprobieren“, so Dennis Schulz: „Das ergab sich geradezu fast zwangsläufig aus unserer Begeisterung hierfür.“
Sämtliche Produktionsschritte – von der Recherche über das Schreiben der Skripte, die Aufnahme von Interviews und das Einsprechen der Texte bis hin zum Schneiden der Tonspuren nebst musikalischer Untermalung – haben sich die beiden selbstständig angeeignet. Nicht immer unter idealen Bedingungen, wie Annika berichtet: „Im Moment sprechen wir die Sendungen in unserem Schlafzimmer ein, vor dessen Fenster ein Altglas-Container steht.“ Das Klirren zerschellender Flaschen habe schon so manche Aufnahme verdorben.
Die Vision der beiden ist es, ihr „Hobby“ in Zukunft weiter auszubauen. „Dass wir es uns im Moment noch erlauben können, unabhängig und werbefrei zu produzieren, ist ein großer Luxus“, findet Dennis: „Fantastisch wäre es, wir würden einen Förderer finden, der uns dies auch in Zukunft erlaubt.“ Denn mit „Science Pie“ haben die beiden ein Projekt gestartet, das sie so bald nicht loslassen wird. Und sie sind sich einig: „Wenn es möglich wäre, mit einem solchen Format seinen Lebensunterhalt verdienen zu können – wir würden das sofort machen.“