Welchen Anteil haben einzelne Fahrzeuge – abhängig von Alter, Zustand oder Motor – an der Luftverschmutzung im Stadtverkehr? Mit dieser Frage beschäftigen sich Wissenschaftler der Universität Heidelberg: Das Team um Umweltphysiker Dr. Denis Pöhler hat ein neuartiges Gerät entwickelt, mit dem sich Stickstoffdioxid im Abgas eines vorausfahrenden Wagens messen lässt (Fotomontage: privat). Das spektroskopische Instrument liefert verlässliche Emissionswerte bei realem Fahrverhalten, die bisher nur mit aufwändigen Systemen direkt am Fahrzeug erfasst werden konnten. Anstelle unzureichender Modellrechnungen können so durch mobile Messungen gewonnene Daten herangezogen werden, um die Hauptverursacher hoher Schadstoffbelastung zu ermitteln, macht Denis Pöhler deutlich.
Emissionen von Stickoxiden (NOx) aus Fahrzeugen tragen wesentlich zur schlechten Luftqualität in Städten bei. Vor allem hohe Konzentrationen von Stickstoffdioxid (NO2) sind problematisch. Der NOx-Ausstoß variiert indes stark von Fahrzeug zu Fahrzeug und hängt von zahlreichen Parametern ab, die Denis Pöhler zufolge nicht alle ausreichend genau bekannt sind. Dazu gehören Fahrzeug- und Motortyp, Abgasbehandlung, Alter, Zustand und Fahreigenschaften.Ein weiteres Problem sind die Daten, die Behörden und Wissenschaft für ihre Modellrechnungen benötigen, um die NOx-Emissionen verschiedener Fahrzeuge abschätzen und deren Beitrag zur Luftverschmutzung bestimmen zu können. Erforderlich sind nicht nur verlässliche Daten unter realen Bedingungen sondern auch Untersuchungen der tatsächlich gefahrenen Kilometer verschiedener Fahrzeugtypen. „Beide Datensätze sind jedoch nur sehr unzureichend vorhanden oder schwer zu erheben“, erklärt Denis Pöhler. Der Wissenschaftler verweist in diesem Zusammenhang auf die zum Teil großen Diskrepanzen, die zwischen den Abgaswerten auf dem sogenannten Rollenprüfstand und tatsächlichen Emissionen während der Fahrt festgestellt wurden.
Um das „Datenproblem“ zu beheben, haben Umweltphysiker Pöhler und sein Team ein schnelles und mobil einsetzbares Gerät zur Bestimmung von Stickstoffdioxid mit der Bezeichnung „NO2 ICAD“ entwickelt. Eine genaue NO2-Messung wird hierbei durch die spektroskopische Absorption von Molekülen erzielt. „Dieses Messgerät ist daher unempfindlich gegenüber Störungen wie zum Beispiel Intensitätsschwankungen durch Temperaturänderungen oder Vibrationen; auch andere Gase und Partikel haben keinen Einfluss auf die Messungen“, so Pöhler. Bei den Untersuchungen ist das Instrument in einem Fahrzeug installiert, sodass sich die Konzentration von NO2 in den Abgasfahnen von Personenkraftwagen, Bussen, Lastwagen oder Zweirädern während der Fahrt bestimmen lässt.
Als Praxistest war das „NO2 ICAD“-Gerät im Auftrag der Stadt Mainz während sieben Tagen im vorvergangenen März und April im Einsatz. Im Zuge dessen erfassten die Heidelberger Wissenschaftler des Instituts für Umweltphysik mehr als 730 Fahrzeuge im realen Straßenverkehr. Sie bestimmten – in „parts per billion“ (ppb), also „Teilen pro Milliarde“ – den NO2-Anteil in der jeweiligen Abgasfahne und verglichen diesen Wert mit der Hintergrundkonzentration von Stickstoffdioxid. Auf diese Weise konnten sie Rückschlüsse auf die Emissionen der einzelnen Fahrzeuge ziehen.
„Wir haben bei diesem Praxiseinsatz Stickstoffdioxid-Werte von wenigen parts per billion bis zu 7000 ppb erhalten. Dabei gab es nicht nur, wie erwartet, Unterschiede zwischen den Fahrzeugkategorien sondern auch innerhalb einer Kategorie selbst“, erläutert Denis Pöhler. Nur 7,6 Prozent aller Fahrzeuge überschritten einen NO2-Wert von 500 ppb, vor allem Busse älterer Modelle, aber auch einzelne Autos und Motorräder. „Diese machen nach unserer Datenanalyse aber 45 Prozent der gesamten Emissionen aus; somit könnte die Umweltbelastung durch technische Nachbesserungen an nur wenigen Fahrzeugen bereits nahezu halbiert werden“, betont der Heidelberger Umweltwissenschaftler. „Mit unseren Messdaten konnten wir außerdem die Schwachstellen von Simulationen aufzeigen, in denen bestimmte Parameter und Faktoren wie Fahrzeugzählung, Fahrzeugflotte oder Emissionswerte nicht repräsentativ berücksichtigt werden.“ Aktuell finden weitere Messläufe in mehreren deutschen Städten statt.
Ziel von Denis Pöhler ist es, sein neues Gerät zur Marktreife zu bringen. Dazu wird das System derzeit um Messmöglichkeiten für Stickstoffmonoxid (NO) und Kohlendioxid (CO2) erweitert, womit sich eine Vielzahl unterschiedlicher Umweltbeobachtungen und Emissionsmessungen realisieren lässt. Die Anwendungsgebiete reichen von High-End-Nutzern in der Wissenschaft über Emissionsmessungen von Fahrzeugen und die Überwachung der Luftqualität bis zur Nutzung in Industrie und Medizin.