Die drei ??? und der ungewöhnliche Politologe
Von Mirjam Mohr
Wenn die Worte „Rocky Beach“, „Onkel Titus“ und „Dürfen wir Ihnen unsere Karte zeigen?“ fallen, schlagen bei einem großen Teil der Generation der 30- bis 50-Jährigen die Herzen höher. Denn dann geht es um ein Abenteuer aus der Buchreihe „Die drei ???“, die zur Kindheit vieler Erwachsener dieser Altersklasse gehört und als erfolgreichste Hörspielreihe der Welt Kultstatus genießt. Zu dieser Generation gehört auch der Politikwissenschaftler Michael Kühlen (Foto: privat), der eine Beziehung zu den ewig jung bleibenden Jungdetektiven pflegt, um die ihn einige Altersgenossen beneiden: Er hat die Jugendbuchreihe nicht nur lektoriert sondern auch selbst eine 2014 erschienene Folge geschrieben. Dabei haben ihm seine Erfahrungen aus seiner Zeit als Referent eines US-Abgeordneten wertvolle Dienste geleistet.
In die Gruppe der erwachsenen „Drei ???“-Extrem-Enthusiasten reiht sich Michael Kühlen, der nach seiner Arbeit für die Buchreihe bis Anfang 2015 als Wissenschaftler am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Universität Heidelberg beschäftigt war, selbst nicht ein. Als er begann, als Lektor für die Reihe zu arbeiten, hatte er noch Bände aus Kindertagen im Regal stehen. „Inzwischen lese ich sie wieder, aber anders als früher, eher mit einer professionellen Brille. Ich schaue natürlich: Wie hat der Autor das gemacht, wie hat er bestimmte Probleme gelöst?“ Die Bücher werden laut Kühlen vor allem von jüngeren „Drei ???“-Fans gelesen, während die Erwachsenen die Hörspielreihe bevorzugen.
Dass für die Buchreihe ein Lektor gesucht wurde, erfuhr Michael Kühlen über ein Netzwerk. Seinerzeit war er bei einem Verlag in Weinheim zuständig für das Pädagogik-Programm, wollte sich aber selbstständig machen und auch selbst einmal ein Buch schreiben. „Ich habe mir damals einfach einen meiner ‚Drei ???‘-Bände aus dem Regal genommen, ihn nachlektoriert und dann an den Verlag geschickt“, erzählt er: „Diese Mühe hat sich niemand sonst gemacht und so bekam ich den Job.“
Drei Jahre war Kühlen Lektor der Kultreihe, die ursprünglich aus den USA stammt. Bei seiner Arbeit kam dem Politikwissenschaftler seine Amerika-Expertise zugute: Während seiner Schulzeit war Kühlen als Austauschschüler in den Vereinigten Staaten, in die er nach dem Studium zurückkehrte, um ein Jahr als Referent für einen Abgeordneten tätig zu sein. „Beim Schreiben und Lektorieren der Bücher muss man auf vieles achten, was in den USA anders ist als in Deutschland: Das fängt mit so einfachen Dingen an wie Türknöpfen und Schiebefenstern in den USA im Unterschied zu Türklinken und Kippfenstern in Deutschland. Aber es geht auch darum, ob es in den USA so etwas gibt wie ein Vereinsheim für einen Fußballclub oder wie sich Menschen in bestimmten sozialen Situationen verhalten.“
Schließlich durfte sich Michael Kühlen auch als Autor an eine Folge wagen, allerdings an eine besonders knifflige. Denn „Die drei ??? und die weiße Anakonda“ ist ein interaktiver Mitratefall, das heißt, die Leser kommen immer wieder an Stellen im Buch, an denen sie vor Handlungsalternativen gestellt werden und entscheiden müssen, wie es weitergehen soll. „Die Handlung verzweigt sich, fließt wieder zusammen, es gibt Sackgassen – man kann also nicht einfach linear eine Geschichte schreiben sondern macht sich am besten ein Fließdiagramm“, erklärt der Autor: „Man muss schauen, dass die Anschlüsse stimmen, und darauf achten, wie der Wissensstand der Leser zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, was viel Arbeit bedeutet.“ Das Schreiben, das er mit Hilfe eines zwei Meter langen Ablaufplans mit zahlreichen aufgeklebten Zetteln bewältigte, habe ihm trotzdem großen Spaß gemacht.
Irgendwann wollte der Politikwissenschaftler seine Kenntnisse aber wieder wissenschaftlich einbringen und beendete Anfang 2014 seine Tätigkeit für „Die drei ???“, um als Mitarbeiter im Projekt „Muster wirtschaftspolitischer Beratung in Deutschland und den USA unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitnehmerperspektive“ am HCA zu wirken. Dort beschäftigte er sich mit der Frage, wie Denkfabriken und Nichtregierungsorganisationen die Politik wirtschaftspolitisch beraten und wie das die Politik beeinflusst. Über die Finanzierung des Projekts kam Michael Kühlen mit der Hans-Böckler-Stiftung in Kontakt, die ihm eine Stelle anbot. Dort ist er jetzt verantwortlich für die Publikationen der Stiftung, vor allem im Bereich der Forschungsförderung. Michael Kühlen kann sich jedoch gut vorstellen, irgendwann noch einmal als Autor zur Tastatur zu greifen: „Wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann probiere ich es bestimmt noch mal.“
Die in Kalifornien spielende Jugendbuchreihe „Die drei ???“ um die jungen Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews startete 1964 in den USA und erschien 1968 erstmals als Übersetzung in Deutschland. Nach dem Ende der Serie in Amerika werden die Bände seit 1993 von verschiedenen deutschen Autoren geschrieben. Seit 1979 gibt es in Deutschland auf der Grundlage der Bücher auch eine Hörspielreihe, die als erfolgreichste Hörspielproduktion der Welt gilt und viele erwachsene Fans hat. Die Sprecher der drei Detektive, die inzwischen selbst um die 50 Jahre alt sind, gehen seit 2002 regelmäßig mit ausverkauften Lesungen auf Tournee.