Von Mirjam Mohr
„Danke Deutschland für alles!“ Den jungen Syrern Jan Mustafa und Mohammed Alibrahim war es offensichtlich ein großes Anliegen, den Anwesenden in der voll besetzten Aula der Neuen Universität der Ruperto Carola stellvertretend dafür zu danken, das sie aufgenommen wurden. Immer wieder wiesen die beiden Kriegsflüchtlinge darauf hin, wie dankbar sie für die Hilfe und den Respekt seien, die sie in Deutschland erführen.
Die Podiumsdiskussion (Foto: Harmeet Dawan), auf der die beiden über ihre Erfahrungen sprachen, war Teil des „Offenen Forums: Flüchtlinge und Integration“, in dessen Rahmen sich auch Initiativen der Flüchtlingshilfe vorstellten und zur Mitarbeit einluden. Die Organisatoren der Veranstaltung – Studierende und Stipendiaten der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw), die vom Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg unterstützt wurden – wollten damit einen „nachhaltigen Beitrag“ zu der Herausforderung leisten, vor der Deutschland steht: der erfolgreichen Integration einer großen Zahl von Geflohenen.Die Idee war bereits im Herbst 2014 entstanden, als die aktuelle Situation noch gar nicht absehbar war – sdw-Vorstand Dr. Sven Murmann lobte daher das vorausschauende Handeln der Hochschüler. „Wir wollten mit einer Veranstaltung ein soziales Thema mit einer nachhaltigen Perspektive aufgreifen“, so der Student Ruben Drews aus dem Kreis der Organisatoren: „Uns ist aufgefallen, dass es zwar viele Gespräche über Flüchtlinge gab, aber meistens ohne die Flüchtlinge selbst.“
So entstand die Idee, Heidelberger Bürger, Geflüchtete, Vertreter von Institutionen und Ehrenamtliche miteinander ins Gespräch zu bringen. Dank der tatkräftigen Unterstützung des Heidelberger Gerontologen Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Kruse, der die Schirmherrschaft übernahm und anlässlich seines 60. Geburtstags einen Spendenfonds für die Veranstaltung einrichtete, konnten die Studierenden ein Programm auf die Beine stellen, das zahlreiche, vor allem junge Besucher anzog.
Die Teilnehmer der von der Organisationsberaterin und sdw-Alumna Dr. Friederike Bornträger geleiteten Podiumsdiskussion mit dem Titel „Flüchtlinge und Integration“ beantworteten Fragen aus dem Plenum und veranschaulichten die unterschiedlichen Aspekte des Themas mit ihren Erfahrungen: So erzählte die Leiterin der Heidelberger Geschwister-Scholl-Schule, Sabine Horn, von der alltäglichen Arbeit mit Flüchtlingsklassen. Jana Ermakova, die sich bei der Hochschulgruppe von Amnesty International engagiert, schilderte ihre Erlebnisse als junger jüdischer Kontingentflüchtling aus Russland. Sie konnte aber auch aus dem Blickwinkel der ehrenamtlichen Helferin davon berichten, welche Probleme das Asylpaket II mit sich bringe.
Die Freiburger Medienpädagogin und Filmemacherin Barbara Davids, die seit vielen Jahren mit jungen Flüchtlingen arbeitet, beschrieb die Schwierigkeiten junger Flüchtlinge, die bereits volljährig sind: die Unterstützung, die ihnen bis zum Erreichen der Volljährigkeit zustehe, falle danach weg, obwohl sie genauso nötig sei. Und die Gründungsdirektorin des Heidelberger Instituts für Gerontologie und frühere Bundesfamilienministerin Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Lehr lenkte den Blick auf die langfristigen Folgen, die die Aufnahme der Flüchtlinge für Deutschland habe: Sie verwies auf die Chancen, die mit Blick auf die demographische Entwicklung entstünden, mahnte aber auch, dass dafür die Herausforderungen bei der Integration gemeistert werden müssten.
Immer wieder richtete sich das Interesse der Fragenden auf die beiden aus Syrien geflüchteten jungen Männer und deren Erlebnisse. So berichtete Jan Mustafa, dessen Flucht zwei Jahre dauerte, von schlechten Erfahrungen mit der Polizei in Syrien, der Türkei, Griechenland und Italien – nur in Deutschland habe er keine Angst vor den Ordnungshütern. Mohammed Alibrahim, der in Syrien BWL studierte, denkt sogar an eine Ausbildung bei der Polizei, falls er sein Studium nicht fortsetzen kann. Er appellierte an alle, den Krieg in seinem Heimatland zu stoppen, „denn viele Syrer wollen wieder zurück“. Wichtig war ihm ebenfalls zu erklären, dass die Übergriffe auf Frauen während der vergangenen Silvesternacht in Köln keinesfalls typisch für muslimische Männer und „nicht zu entschuldigen“ seien. „Wir alle müssen aufpassen, dass so etwas nicht mehr passiert“, betonte Alibrahim.
Schirmherr Andreas Kruse dankte den jungen Organisatoren ausdrücklich „für ihr Engagement, für ihr kluges, solidarisches, vorausschauendes Tun“. Er verwies auf eine Studie zum Holocaust, die gezeigt habe, dass Erinnerungen an erlittene Traumata mit zunehmendem Alter intensiver würden. „Gleichzeitig haben wir aber auch festgestellt, wenn sich die Gesellschaft offen, mitfühlend und unterstützend verhält, die die Trauma-Opfer aufnimmt, erinnert man sich im Alter auch daran.“ Mit ihrem Engagement leisteten die Studierenden einen wertvollen Beitrag zu einer solchen Entwicklung.