Von Ute von Figura
Dutzende Male stand Silvana Chojnowski (Foto: Uwe Grün) für die Junioren-Teams des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf dem Platz, zu ihren größten Erfolgen zählte dabei 2012 der U-20-Vize-Weltmeistertitel. Seit dem vergangenen Jahr tritt sie für die polnische Nationalmannschaft an und gehört dort ebenfalls zu den Leistungsträgerinnen. Die 22-Jährige, die in der abgelaufenen Saison für die TSG 1899 Hoffenheim kickte und jetzt zum SC Sand gewechselt ist, studiert an der Universität Heidelberg Sportwissenschaften und vermittelt als Tutorin ihr Fußballwissen an andere Studierende.
„Geht frontal auf den Gegner zu, dreht Euch mit dem Rücken zu ihm ein, um den Ball an ihm vorbei zu dribbeln, und lasst ihn ins Leere laufen“, erklärt Silvana Chojnowski einer kleinen Gruppe von Sportstudentinnen. Sie haben sich auf dem Trainingsplatz der Universität im Neuenheimer Feld versammelt, um mit Silvana das technische Einmaleins des Fußballs zu üben. Der „Einfache“ und der „Doppelte Übersteiger“ stehen heute noch auf dem Plan. Mit routinierten Bewegungen führt Silvana die Schrittabfolge vor. Schon der kurze Ballkontakt zeigt: Hier dribbelt eine, die diese Tricks im Blut hat. Ein schneller Übersteiger rechts, einer links, ein kurzer Kick des Balls und ruck, zuck hat Silvana ihren imaginären Gegenspieler übervorteilt. Bereits in der Grundschule war der gebürtigen Frankfurterin mit polnischen Wurzeln klar: Ich will später einmal Fußballerin werden.Den rechten Unterarm von Silvana Chojnowski ziert ein großflächiges Tattoo: der Kopf eines Löwen, umrahmt von einer Reihe römischer Ziffern. Letztere sind die Geburtstage ihrer Eltern, die sich Silvana als Symbol für die Verbundenheit mit ihrer Familie hat stechen lassen. Der Löwe steht für ihren Kampfgeist. Mit 16 Jahren erlitt sie einen Bandscheibenvorfall, der fast zum Karriereaus geführt hätte. Drei Ärzte prophezeiten Silvana, dass sie sich den Leistungssport besser abschminken sollte – ein Schlag ins Gesicht für die damals vielversprechende Jugendspielerin. Mit konstantem Training und einem festen Willen kämpfte sie sich dennoch in die Topklasse des Fußballs vor – auch dank der Unterstützung ihres Mentors, sportlichen Beraters und guten Freundes Edin Softic, der in dieser Zeit ihr Reha-Trainer war und der sie bis heute begleitet. Von ihm stamme auch der Spitzname „Löwin“.
„Im Kindergarten hielten mich die Betreuerinnen für hyperaktiv, empfahlen eine zusätzliche körperliche Auslastung“, erinnert sich Silvana Chojnowski an die Ursprünge ihrer Karriere. Die Eltern steckten sie ins Turntraining. Doch kaum in der Schule, kickte Silvana jede Pause mit den Jungs und wurde schließlich von ihnen zum Probetraining in den nahe gelegenen Verein eingeladen. Eigentlich sollte sie an diesem Tag bei ihrem ersten Turnwettkampf antreten – kurzerhand warf sie das über Bord und überredete ihren Vater, sie stattdessen zum Fußballplatz zu fahren. „Papa war erst skeptisch, hat dann aber sehr schnell realisiert, wie viel mir der Sport bedeutet.“ Von da an habe er bei jedem Training, jedem Turnier am Spielfeldrand gestanden und sie unterstützt. Die Mutter begleitete derweil Silvanas vier Jahre älteren Bruder zum Tanztraining – ein Bruch mit den typischen Rollenbildern, der in der Verwandtschaft immer wieder für Späße gesorgt habe, wie die Sportstudentin lachend erzählt.
Seit sie 18 Jahre alt ist, kann sich Silvana Chojnowski durch ihre Verträge – erst mit dem FFC Frankfurt, dann mit der TSG Hoffenheim – selbst finanzieren. „Leider reicht es nicht dafür, größere Beträge zurückzulegen“, bedauert die knapp 1,70 Meter große Stürmerin. Sie wisse zudem, dass sie den Sport noch maximal zehn Jahre hochklassig betreiben könne. Auch der Bandscheibenvorfall und ein späterer Kreuzbandriss hätten ihr gezeigt, wie wichtig es sei, ein zweites Standbein aufzubauen – extrem lehrreich sei die Bewältigung dieser beiden Verletzungen gewesen, so Silvana. In den vergangenen Jahren holte sie daher zunächst ihr Abitur nach, vor wenigen Semestern dann begann sie mit dem Sportstudium. Von ihrer beruflichen Zukunft hat sie genaue Vorstellungen: „Ich möchte im Bereich Rehabilitation arbeiten, verletzten Spielerinnen helfen, zurück in den Sport zu finden.“
Für ihre Karriere als Fußballerin wünscht sich Silvana Chojnowski auch auf Vereinsebene wieder international zu spielen – so wie bei ihrem Profi-Debüt 2012 in der Champions League, damals noch für Frankfurt, als ihr in der 89. Minute kurz nach ihrer Einwechslung der entscheidende Treffer gelang, um den Einzug ins Halbfinale zu sichern. Außerdem hoffte sie, sich mit der polnischen Nationalmannschaft für die Endrunde der Europameisterschaft qualifizieren zu können, die 2017 in den Niederlanden stattfindet. Zunächst sah das gar nicht so schlecht aus – mittlerweile hat das polnische Frauen-Team aber keine Chance mehr auf einen der beiden ersten Plätze in der Gruppe, die von Schweden angeführt wird. Schwedens Männer-Stürmer-Star Zlatan Ibrahimović, der als einer der besten Offensivspieler der Welt gilt, ist übrigens das Vorbild der Angreiferin: „Er mag zwar reichlich selbstverliebt sein, aber mir gefällt seine Einstellung zum Spiel, sein Kampfgeist.“