Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Astronom lehrt irdische Achtsamkeit

Von Ute von Figura (Text und Foto)

„Schließe deine Augen, nimm eine aufrechte und entspannte Haltung ein und spüre achtsam deinen Atem: das Heben der Bauchdecke beim Einatmen, das sanfte Senken beim Ausatmen.“ Mit ruhiger, besonnener Stimme leitet Reinhard Mundt, pensionierter Professor der Ruperto Carola, den Achtsamkeits-Abend im Buddhistischen Meditationszentrum an. Jeden Donnerstag treffen sich hier im Heidelberger Stadtteil Handschuhsheim Männer und Frauen aller Altersstufen in der Gruppe „Achtsamkeit und Meditation“. Gemeinsam ist ihnen der Wunsch nach innerer Ruhe und Gelassenheit, nach einem entspannten Umgang mit den eigenen Gefühlen und nach mehr Zufriedenheit.

Bloßes Stillsitzen und das Beobachten des Atems sollen derart wirkmächtig sein? „Ja“, bekräftigt Reinhard Mundt, „die aus dem Buddhismus entlehnten Techniken können uns helfen, ausgeglichener und glücklicher zu werden.“ Der Wissenschaftler spricht aus eigener Erfahrung: 2007, aus einer persönlich belastenden Situation heraus, begann er, sich mit den Lehren der Achtsamkeit zu beschäftigen; seit nunmehr über fünf Jahren leitet er selbst Meditationsabende. Als „klugen Egoismus“ bezeichnet er das: „Wenn man etwas lehrt, lernt man persönlich am meisten.“ Allerdings handle es sich bei den Techniken der Meditation mitnichten um bloßes Stillsitzen, vielmehr gehe es um das absichtsvolle Praktizieren achtsamer Konzentration – und das erfordere eine gehörige Portion Disziplin.

„Indem man übt, mittels bewusster Atem- und Körperwahrnehmung immer wieder in die Gegenwart zurückzukehren und die Dinge wertfrei zu beobachten, lernt man, sich von Gedankenschleifen zu lösen“, erklärt der 65-Jährige. Meditierende schulen ihre Selbstwahrnehmung und trainieren, sich nicht so stark mit ihren Emotionen zu verhaften. Wer dies selbst einmal ausprobiert, stellt fest, wie schwierig das ist: Immer wieder schweifen die Gedanken ab, immer wieder tauchen impulsive Gefühle auf. „Es ist ein großer Unterschied, ob ich wütend bin und mich mit dieser Wut identifiziere oder ob ich – wie in der meditativen Praxis angestrebt – lediglich feststelle, ‚da ist Wut‘“, so Reinhard Mundt. „Wenn mir jemand die Vorfahrt nimmt, kann ich mich entweder ärgern – ich kann aber auch einfach nur anerkennen, dass Ärger aufkommt, und diesen abklingen lassen. Die Entscheidung liegt bei mir.“

Bevor er im September 2015 emeritiert wurde, leitete Mundt die Gruppe „Braune Zwerge und Exoplaneten“ am Max-Planck-Institut für Astronomie und lehrte als außerplanmäßiger Professor an der Heidelberger Fakultät für Physik und Astronomie. Im beruflichen Umfeld habe er das Engagement im Buddhistischen Zentrum nie an die große Glocke gehängt, erzählt er. Abgehalten habe ihn die Befürchtung, auf Skepsis zu stoßen und als Esoteriker abgestempelt zu werden. Dabei sind Achtsamkeit und Meditation längst aus dem Graubereich der vielen mehr oder weniger fragwürdigen Methoden herausgerückt, die als Allheilmittel gegen physische und psychische Beschwerden angepriesen werden. Eine Vielzahl neurowissenschaftlicher Studien belegt die positiven Effekte dieser Methoden – es zeigen sich Veränderungen in jenen Hirnregionen, die für die Gefühlsregulation zuständig sind. Inzwischen würden jedes Jahr mehrere Hundert Artikel hierzu veröffentlicht, man könne geradezu von einem Publikations-Boom sprechen, sagt der Astronom. Einen Überblick über diese Studien gibt er auf seiner Webseite.

Für ihn selbst hat sich das mentale Training der Meditation in mehrfacher Hinsicht ausgezahlt: „Ich bin viel gelassener und ruhiger geworden“, konstatiert Reinhard Mundt. Insbesondere seine Frau habe das positiv wahrgenommen, fügt er lachend hinzu. Aber auch in seinen letzten Berufsjahren, in denen Projektmanagement-Aufgaben und Teamarbeit stärker in den Vordergrund rückten, hätten ihm diese Eigenschaften geholfen. Unter dem Dach eines Großprojekts, das die Suche nach Planeten außerhalb des Sonnensystems zum Ziel hat, war der Wissenschaftler für die Entwicklung einer wichtigen Hardware-Komponente, eines Nahinfrarotdetektors, verantwortlich. Dabei galt es oftmals, Ruhe zu bewahren – „auch wenn mir das leider nicht in allen Situationen vollends gelungen ist.“

Darüber hinaus, berichtet Reinhard Mundt, sei es ihm inzwischen immer besser möglich, durch die Meditation einen Zustand des Glücks und der Freude bewusst zu erzeugen. „Dabei handelt es sich nicht um ein ekstatisches Hoch, wie wir es gemeinhin suchen, sondern eher um eine stille, innere Form des Glücklich-seins: ein Gefühl der Zufriedenheit mit mir selbst und der Welt.“

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