Von Mirjam Mohr
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägte ein Brüderpaar das akademische Leben in Heidelberg: Alfred und Max Weber, die kurz nacheinander als Professoren an der Ruperto Carola lehrten. Max Weber, nach dem das heutige Institut für Soziologie benannt ist, übernahm 1897 das Ordinariat für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, das er 1903 wegen einer Nervenerkrankung aufgab. Von da an war er als Privatgelehrter tätig, der von 1911 bis 1919 mit einem Gesprächskreis den intellektuellen Diskurs in Heidelberg maßgeblich mitbestimmte.
Sein Bruder Alfred Weber, dessen Namen das heutige Institut für Wirtschaftswissenschaften trägt und der 1948 die Ehrensenatorenwürde der Universität erhielt, wurde 1907 an die Ruperto Carola berufen, an der er – unterbrochen vom Ersten Weltkrieg und der NS-Diktatur – bis 1955 Nationalökonomie und Kultursoziologie unterrichtete. Was weitaus weniger bekannt ist: Vor den beiden Brüdern lehrte bereits ihr Onkel an der Universität Heidelberg. Adolf Hausrath, der Schwager der Mutter, war von 1867 bis 1906 Professor an der Theologischen Fakultät in den Bereichen Kirchengeschichte und Neutestamentliche Exegese. Die drei Männer sind nur ein prominentes Beispiel für Alumni-Familien unter den Lehrenden der Heidelberger Universität.Adolf Hausrath sowie Max und Alfred Weber (von links). | Fotos: Universitätsarchiv |
Schon am Anfang der mittlerweile 630-jährigen Geschichte der Ruperto Carola gibt es Nachweise für eine solche Alumni-Familie: Der Gründungsrektor der Hochschule, Marsilius von Inghen, der von 1386 bis 1396 an der Artisten-Fakultät las und 1395/96 als erster Heidelberger Theologe zum Doktor der Theologie promoviert wurde, hatte einen Bruder und einen Neffen, die ebenfalls in Heidelberg eingeschrieben waren: Sein Bruder Walter von Inghen immatrikulierte sich 1386/87 als „Artistenbakkalar“. Aus dem Jahr 1388 ist eine Bezeichnung Walters als Magister bekannt, von 1390 bis 1396 war er an der Artisten-Fakultät verzeichnet. Marsilius’ Neffe Frank von Inghen wurde 1387 an der Universität Heidelberg immatrikuliert und zwischen 1391 und 1398 gleichsam an der Artisten-Fakultät als amtierender Magister erwähnt.
In der Geschichte der Universität finden sich aber auch Beispiele für regelrechte Alumni-Dynastien über mehrere Generationen – etwa die rund 200-jährige Geschichte der Familie Nebel. An deren Ende steht Daniel Wilhelm Nebel, der 1758 an der Ruperto Carola promoviert wurde und von 1758 bis 1805 an der Medizinischen Fakultät in den Fächern Medizin, Chemie und Pharmazie lehrte, ab 1771 als ordentlicher Professor. Bereits sein Vater Wilhelm Bernhard Nebel hatte von 1713 bis 1716 und 1721 in Heidelberg Logik, Metaphysik, Geschichte, Rhetorik, Mathematik, Physik und Medizin studiert. Im Jahr 1722 wurde Wilhelm Bernhard Nebel Professor für Experimentalphysik an der Philosophischen Fakultät, zwischen 1728 und 1748 lehrte er als Professor an der Medizinischen Fakultät. Auch schon für dessen Vater Daniel Nebel war die Ruperto Carola Alma Mater und Arbeitgeberin: Von 1683 bis 1686 absolvierte dieser ein Medizinstudium, zwischen 1688 und 1693 war er außerordentlicher Professor und von 1707 bis 1733 ordentlicher Professor an der Medizinischen Fakultät. Begründet wurde die Tradition von Daniel Nebel, dem Urgroßvater von Daniel Wilhelm Nebels Großvater Daniel – der Urahn wurde 1592 in Heidelberg zum Dr. iur. promoviert und unterrichtete von 1598 bis 1626 an der Juristischen Fakultät.
Daniel, Wilhelm Bernhard und Daniel Wilhelm Nebel (von links). | Fotos: Universitätsarchiv |
Eine noch länger währende Heidelberg-Dynastie, deren Ausläufer bis an das Ende des 20. Jahrhunderts reichen, bildet die weit verzweigte Familie Wund/Wundt: Am Anfang stand Johannes Jacob Wund, der von 1750 bis 1771 als Professor an der Theologischen Fakultät in den Bereichen Moraltheologie, Hermeneutik und Spekulative Theologie wirkte. Gleich drei seiner Söhne unterrichteten ebenfalls an der Ruperto Carola: Daniel Ludwig Wundt war 1756 zunächst Stipendiat und von 1787 bis 1805 ebenfalls Professor an der Theologischen Fakultät – auf dem Feld der Kirchengeschichte. Johannes Carl Casimir Wundt war von 1771 an erst außerordentlicher und ab 1776 ordentlicher Professor an der Philosophischen Fakultät in den Bereichen Schöne Wissenschaften, Philosophie und Kirchengeschichte. Sohn Friedrich Peter Wundt schließlich lehrte zwischen 1788 und 1808 an der Philosophischen Fakultät auf den Gebieten Landesgeschichte und -geographie.
Johannes Jacob Wunds Urenkel Wilhelm Maximilian Wundt wiederum gilt als Begründer der experimentell-naturwissenschaftlichen Psychologie. Er war von 1857 bis 1874 an der Medizinischen Fakultät in der Anthropologie, Psychologie und Physiologie beschäftigt – anfangs zwischen 1858 und 1863 als Assistent bei Herrmann von Helmholtz, bevor 1864 für ihn die außerordentliche „Professur für Anthropologie und medicinische Psychologie“ eingerichtet wurde. Ebenso Mediziner wurde Urururenkel Wilhelm Wundt: Dieser war von 1966 bis 1987 Professor an der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg und dort Ordinarius für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene.