Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Auf der METEOR ins Mittelmeer

Wie haben Umwelt- und Klimaveränderungen in früheren Phasen der Menschheitsgeschichte die Kulturen beeinflusst – und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für den gegenwärtigen Klimawandel ziehen? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer dreiwöchigen Expedition mit dem Forschungsschiff METEOR, die im Herbst ein Team von Geowissenschaftlern und Archäologen aus Griechenland, Italien, Deutschland und den USA unter der Leitung von Forschern der Universität Heidelberg ins östliche Mittelmeer führen wird. Gefördert wird die Forschungsreise vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

„Ziel ist es, die dortige Klima- und Ökosystemdynamik während der vergangenen 10 000 Jahre sowohl für die Küstenländer als auch für den Meeresraum zu rekonstruieren und sie in Beziehung zu archäologischen Befunden zu setzen“, erklärt Expeditionsleiter Prof. Dr. Jörg Pross vom Institut für Geowissenschaften: „Die Geschichte des östlichen Mittelmeerraums weist eine Reihe sozioökonomischer und soziokultureller Umbrüche auf. Obwohl für mehrere dieser Brüche klimatische Ursachen vermutet werden, fehlen für die Klärung möglicher Zusammenhänge bislang geeignete Klimadaten, die wir mit Erkenntnissen aus der archäologischen Forschung in Verbindung bringen könnten.“

Zur Rekonstruktion der Veränderungen an Lande und im Meer werden die Wissenschaftler auf der METEOR in Küstennähe Bohrkerne aus dem Meeresboden ziehen, die verschiedene Klima- und Umweltindikatoren enthalten. Dazu gehören Pollen von Landpflanzen, die ins Meer gelangten und am Meeresboden abgelagert wurden. „Mit diesem Ansatz können wir die Umweltverhältnisse direkt für diejenigen Regionen und Zeiten rekonstruieren, für die unsere Kollegen aus der Archäologie soziokulturelle Umbrüche identifiziert haben“, legt Pross dar. Die Sedimentkerne sollen in Heidelberg ausgewertet werden.

Das deutsche Forschungsschiff METEOR wird für die Heidelberger Wissenschaftler während der Expedition Labor und Wohnung zugleich sein.
Foto: Tobias Fischer

Zugleich wollen die Forscher anhand der Bohrkerne rekonstruieren, wie sich die Ökosysteme im östlichen Mittelmeer über die vergangenen 10 000 Jahre verändert haben. So legen bisherigen Daten nahe, dass dort bis vor rund 6000 Jahren viel mehr Fische lebten und die Populationen auch völlig anders zusammengesetzt waren. „Die gesamte marine Nahrungskette hat sich drastisch verändert“, weiß Jörg Pross.

Bei einer früheren Expedition wurden Bohrkerne aus dem Meeresboden an Bord der METEOR grob beschrieben und dann an der Universität Heidelberg detailliert untersucht.
Foto: Julia Hoffmann

In diesem Zusammenhang werden die Wissenschaftler der Frage nachgehen, inwiefern diese Wechsel der marinen Nahrungsressourcen auch die frühen Kulturen an der Ägäis-Küste beeinflusst und ob umgekehrt bereits frühe Kulturen grundlegend in die Struktur der marinen Ökosysteme eingegriffen haben. Dazu wollen die Experten mikroskopisch kleine Fischschuppen und -zähnchen analysieren, die im Meeresboden erhalten blieben.

„Vor dem Hintergrund des aktuellen, vom Menschen verursachten Klimawandels hat sich die Frage, wie sich frühere Klimaänderungen auf die Menschheit auswirkten, zu einer der spannendsten Fragen an der Schnittstelle von Natur- und Geisteswissenschaften entwickelt“, betont Wissenschaftler Pross, der auch dem Heidelberg Center for the Environment (HCE) angehört: „Der intensive Dialog zwischen Paläoklimatologen und Archäologen, den wir bereits im HCE führen, ist eine wichtige Voraussetzung, um Zusammenhänge zwischen Klimaereignissen und sozioökonomischen Umbrüchen aufzudecken und die ihnen zu Grunde liegenden Prozesse zu entschlüsseln.“

www.geow.uni-heidelberg.de/researchgroups/pross