Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Humor im Alter

Von Mirjam Mohr

Wohnen im Alter, Psychotherapie im Pflegeheim oder gemeinsame Risikofaktoren für Schlaganfall, Parkinson und Demenz – das sind nur einige der zahlreichen und vielfältigen Themen, mit denen sich Wissenschaftler im „Netzwerk AlternsfoRschung“ (NAR) der Universität Heidelberg beschäftigen. Über der gesamten Forschung des NAR steht die zentrale Frage: Wie kann gutes Altern gelingen? Dem gehen Geistes- und Naturwissenschaftler genauso wie Mediziner und Ökonomen mit einem ganzheitlichen interdisziplinären Ansatz nach. Vor zehn Jahren begann das Netzwerk seine Arbeit mit einem Eröffnungskongress – im Sommer dieses Jahres feierte es nun sein zehnjähriges Bestehen mit einem Jubiläumskongress, einem Tag der offenen Tür sowie mit einem Festvortrag und Wissenschaftsgespräch zwischen der ehemaligen Bundesministerin und Heidelberger Gerontologin der ersten Stunde, Prof. Dr. Ursula Lehr, und dem Direktor des Instituts für Gerontologie, Prof. Dr. Andreas Kruse (Foto: NAR).

„Das Ziel des NAR ist es, disziplinenübergreifend die verschiedenen Aspekte des Alterns zu erforschen und hierbei international eine führende Stellung zu erreichen“, erklärte der Gründungsdirektor des Netzwerks, der Alterns- und Alzheimerforscher Prof. Dr. Konrad Beyreuther, zum Auftakt des Jubiläumskongresses. Inzwischen ist der Forschungsverbund, der in seiner Interdisziplinarität einmalig in Deutschland ist, auf einem guten Weg zur internationalen Spitze – etwa mit seiner Vorreiterrolle bei epidemiologischen Untersuchungen, die in den nächsten Jahren ausgebaut werden soll. Die Forschung des NAR umfasst drei große Bereiche: biologische Grundlagen- und medizinische Alternsforschung, geistes-, sozial- und verhaltenswissenschaftliche Aspekte sowie medizinische und sozio-ökonomische Interventionspunkte. Zu den Kooperationspartnern zählen neben den Medizinischen Fakultäten Heidelberg und Mannheim der Ruperto Carola das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit und die Universität Mannheim.

Ein großes Anliegen ist dem Forschungsverbund die Nachwuchsförderung, um interdisziplinär künftige Experten für Wissenschaft und Praxis auszubilden. In den vergangenen zehn Jahren ist dies mit rund 80 jungen Wissenschaftlern gelungen, insbesondere im Graduiertenkolleg „Demenz“ und seit 2016 im Kolleg „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“. Zur Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses wurde zudem ein NAR-Kolleg eingerichtet, in dem herausragende junge Forscherinnen und Forscher mit Professoren und Gastwissenschaftlern zusammenarbeiten. Ferner gibt es zurzeit eine Nachwuchsgruppe aus der Sportwissenschaft und eine aus der Epidemiologie: Die eine entwickelt innovative Bewegungs- und Trainingsinterventionen für ältere Menschen, die andere erforscht neue Ansätze zur Vermeidung von Medikationsproblemen und versucht die Frage zu klären, welche Rolle oxidativer Stress für das Auftreten und den Verlauf altersassoziierter Erkrankungen spielt.

Da zum Selbstverständnis des NAR ebenso eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit gehört, präsentieren die Mitglieder ihre Arbeit regelmäßig bei Kolloquien und Kongressen. Über Erkenntnisse aus der Forschung und ihre Umsetzung in den Alltag informiert das Netzwerk interessierte Bürgerinnen und Bürger etwa im Zuge von Seminaren wie „Humor im Alter“, „Partnerschaft und Sexualität“ oder „Ernährung und Bewegung“. Dabei halten Experten des Netzwerks oder anderer Einrichtungen aus Wissenschaft und Praxis kurze Impulsvorträge und beantworten dann Fragen der Zuhörer. „In den vergangenen zehn Jahren konnten wir bei unseren NAR-Seminaren insgesamt mehr als 7000 Besucher begrüßen“, weiß Dr. Birgit Teichmann, die für das Wissenschaftsmanagement zuständig ist.

Wie es überhaupt dazu kam, dass Heidelberg zum Zentrum der Alternsforschung in Deutschland wurde, verdeutlichten am Vorabend des Jubiläumskongresses zwei Festvorträge von Ursula Lehr und Andreas Kruse und ein anschließendes Gespräch der beiden Größen der Gerontologie. Die frühere Bundesministerin und Begründerin der modernen Alternsforschung in Deutschland schilderte, wie der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth Anfang der 1980er-Jahre die Einrichtung eines Lehrstuhls für Gerontologie plante, warum die Universität Heidelberg dafür ausgewählt wurde und wie sie in der Folge gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter und späteren Nachfolger Andreas Kruse das Institut für Gerontologie aufbaute. Unter der Überschrift „Altern, wie wir es sehen“ sprachen die beiden Wissenschaftler darüber, wie gutes Altern gelingen kann – das zentrale Thema des Netzwerks.

Alte Menschen sollten nicht überbehütet werden

Ursula Lehr übernahm 1986 an der Universität Heidelberg den ersten deutschen Lehrstuhl für Gerontologie und wurde Gründungsdirektorin des Instituts für Gerontologie. Von 1988 bis 1991 war sie Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit unter Bundeskanzler Helmut Kohl, anschließend wurde sie erneut mit der Leitung des Instituts für Gerontologie betraut. Von 1991 bis 1994 war sie Mitglied des Bundestags. 1998 wurde Ursula Lehr als Professorin an der Ruperto Carola emeritiert.

Frau Lehr, wie beurteilen Sie die Entwicklung der Alternsforschung in Heidelberg und in Deutschland?

„Die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre ist wirklich enorm. Altern ist in dieser Zeit in der Öffentlichkeit und der Politik überhaupt erst zum Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen geworden. Vorher wurde der alte Mensch lediglich als der zu Betreuende, der zu Pflegende gesehen; das Thema Altern war beschränkt auf Fragen der Rente und der Pflege. Das ist jetzt anders. Es gibt viel Grundlagenforschung, und insofern bin ich sehr zufrieden – aber es gibt auch noch viel zu tun! Dabei müssen wir allerdings aufpassen, dass wir nicht wieder nur bei ‚Problemforschung‘ landen und dadurch Altern erneut nur als Problem erscheint. Neben der Demenzforschung gibt es auch viele andere Fragen des Alterns, die erforscht werden müssen.“

Was sehen Sie aktuell als wichtigste Aufgaben und Themen der Alternsforschung?

„Ein gesundes Altern basiert auf vier Säulen. Die eine ist die Optimierung der Entwicklung von der Kindheit bis ins hohe Alter, da geht es um lebenslanges Lernen. Auch ein 80-Jähriger kann noch lernen, mit dem Computer umzugehen. Die zweite Säule ist die Prävention, also Vorsorge auf breiter Ebene im Hinblick auf körperliche, geistige und soziale Aktivität. Jeder Mensch braucht eine Aufgabe – alte Menschen sollten nicht überbehütet werden. Die dritte Säule ist die Rehabilitation, bei der generell noch viel zu wenig getan wird, auch wenn Heidelberg sich früh um dieses Thema gekümmert hat und viel in diesem Bereich leistet, etwa im Bethanien-Krankenhaus. Aber generell gibt es das Problem, dass beispielsweise keine Rehabilitation vorgesehen ist, wenn jemand in einem Seniorenheim einen Schlaganfall erleidet, denn hier gilt er bereits als versorgt. Das war ein Fehler in der Konstruktion des Pflegegesetzes – für die Pflege ist die Pflegeversicherung zuständig, für die Rehabilitation die Krankenversicherung. Die vierte Säule ist das Management von Problemsituationen: Probleme des Alterns müssen dabei zwar aufgezeigt werden, aber sie dürfen nicht das Thema als Ganzes bestimmen; und da stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, Wissenschaft mit Politik und Praxis zu verbinden.“

Für wie wichtig halten Sie Politikberatung durch die Alternsforschung?

„Ich halte das für unbedingt notwendig! Daher habe ich als Ministerin den Altenbericht der Bundesregierung eingeführt, der mittlerweile zum siebten Mal erschienen ist. Als ich anfing, habe ich in meiner dritten Kabinettssitzung gesagt: Wir haben bereits sieben Jugendberichte und vier Familienberichte, jetzt wird es Zeit, dass wir den ersten Bericht zur Situation alter Menschen schaffen. Da haben einige Ministerkollegen – ältere Herren – gefragt, wozu denn ein Altenbericht nötig sei; sie fühlten sich offenbar selbst betroffen. Aber Helmut Kohl hat geholfen, das durchzusetzen. Der Bundestag hat dann den ersten Altenbericht abgesegnet und beschlossen, dass in jeder Legislaturperiode ein solcher Bericht erstellt werden soll – und zwar immer abwechselnd entweder zur Allgemeinsituation oder zu spezifischen Themen wie ‚Wohnen im Alter‘ oder in der aktuellen Ausgabe ‚Sorge und Mitverantwortung in der Kommune‘. Und in der Altenberichtskommission wirkt schon seit Langem Andreas Kruse mit und damit das ‚Netzwerk AlternsfoRschung‘.“

Das „Netzwerk AlternsfoRschung“ ist die Nachfolgeorganisation des Deutschen Zentrums für Alternsforschung (DZFA), das von 1996 bis 2005 an der Universität Heidelberg bestand. Die Gründung des Zentrums ging auf eine Initiative der Heidelberger Gerontologin und späteren DZFA-Gründungsdirektorin Ursula Lehr während ihrer Amtszeit als Bundesministerin (1988 bis 1991) zurück. Das vom Bund und dem Land Baden-Württemberg als Stiftung des öffentlichen Rechts an der Ruperto Carola angesiedelte DZFA etablierte Heidelberg als deutsches Zentrum der Alternsforschung. Als sich zunächst der Bund und in der Folge auch das Land aus der Finanzierung zurückzogen und das Zentrum seine Arbeit zum Ende des Jahres 2005 einstellen musste, erarbeitete eine Kommission unter dem damaligen Prorektor Prof. Dr. Jochen Tröger ein Konzept für einen von Baden-Württemberg geförderten Forschungsverbund mit Federführung der Universität Heidelberg. Das 2006 von Gründungsdirektor Konrad Beyreuther aus der Taufe gehobene NAR, das den Forschungsbereich des DZFA um die Biomedizin erweitern konnte, nahm seine Arbeit offiziell mit einem Eröffnungskongress im Sommer 2007 auf.

www.nar.uni-heidelberg.de