G. Choblet, G. Tobie, C. Sotin, M. Běhounková, O. Čadek, F. Postberg & O. Souček: Powering prolonged hydrothermal activity inside Enceladus. Nature Astronomy 1, 841–847 (published online 6 November 2017), doi: 10.1038/s41550-017-0289-8
Weil er flüssiges Wasser birgt, bietet der Saturnmond Enceladus zumindest in der Theorie eine Voraussetzung dafür, dass dort Leben existieren könnte; was ihn zu einem begehrten Forschungsobjekt in unserem Sonnensystem macht. Motor der beobachteten hydrothermalen Aktivität auf dem Mond könnte Wärme aus der Reibung von Gestein sein – ausgelöst durch starke Gezeitenkräfte. Voraussetzung dafür ist, dass der Saturnmond einen porösen Kern hat, sodass Wasser des darüber liegenden globalen Ozeans in den Kern eindringen kann und dort durch Reibungswärme erhitzt wird. Das zeigt eine Computersimulation, die im Zuge der europäisch-amerikanischen Cassini-Huygens-Mission entstanden ist und an der auch die Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. Frank Postberg, Planetologe an der Universität Heidelberg, beteiligt war.
Die Simulation liefert ebenfalls eine Antwort auf die lange ungelöste Frage, woher die Energie stammt, die Wasser in flüssiger Form auf dem kleinen, kryovulkanisch aktiven Mond fern der Sonne auftreten lässt. Bereits 2015 konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass es hydrothermale Aktivität auf dem Himmelskörper geben muss. Aus Eisvulkanen schleudert Enceladus feinste Gesteinskörner in riesigen Fontänen aus Gas und Wassereis in den Weltraum: Diese Partikel wurden mit einem Detektor der Raumsonde Cassini erfasst. Sie stammen vom Grund eines über 50 000 Meter tiefen Ozeans, der sich unter einer drei bis 35 Kilometer dicken Eiskruste erstreckt.Mittels Computersimulationen und Laborexperimenten fanden die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass es in der Tiefe zu einer Wechselwirkung zwischen Gestein und Wasser kommt – bei Temperaturen von mindestens 90 Grad Celsius. Doch woher stammt die Energie für diese Hydrothermalsysteme, die den Transport von Materie antreiben? Und wie genau gelangen die Gesteinspartikel an die Oberfläche des Eismondes?
Wasser mit mindestens 90 Grad Celsius: Dreidimensionales Modell von Oberfläche, Ozean und Kern des Saturnmondes Enceladus, das auf einer neuen Computersimulation beruht. | Grafik: Oberfläche – NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute, Kern – Choblet et al. (2017), Komposition der Grafik – ESA |
Die aktuellen Untersuchungen unter Federführung der Universität Nantes (Frankreich) bieten dafür eine Erklärung. Wie Frank Postberg erläutert, ist der Gesteinskern von Enceladus vermutlich porös. Daher kann Wasser des darüber liegenden Ozeans tief in den Kern eindringen. Gleichzeitig wirken starke Gezeitenkräfte, die Saturn auf seinen Satellit ausübt, auf das „lose“ Gestein des Kerns ein. Die neue Computersimulation legt nahe, dass hierdurch Reibungswärme sehr effizient auf das durch den Kern spülende Wasser übertragen und dieses auf über 90 Grad Celsius erwärmt wird. Einige Bestandteile des Gesteinskerns werden dabei im so erhitzten Wasser gelöst.
Hydrothermale Fluide strömen an bestimmten Punkten – den Hotspots, die bevorzugt an den Polen von Enceladus liegen – wieder in den Ozean. Durch die Abkühlung fallen Teile des gelösten Materials als feine Partikel aus und werden mit dem warmen Wasser an die Ozeanoberfläche transportiert. Dabei lösen die aufsteigenden hydrothermalen Fluide vermutlich lokale Schmelzvorgänge in der Eisschicht der Polregionen aus. Dies erklärt, so Postberg, warum die Eisschicht an den Polen mit drei bis zehn Kilometern deutlich dünner ist als am Äquator, wo sie 35 Kilometer misst: „Am Südpol kann das Wasser durch Spalten sogar bis nahe an die Mondoberfläche aufsteigen. Dort werden die mikroskopisch kleinen Gesteinskörner aus dem Kern zusammen mit Eispartikeln ins All geschleudert, wo sie dann von den Instrumenten der Raumsonde Cassini erfasst werden konnten.“ Die Untersuchung zeige auch, dass sich nur mit dieser Wärmequelle im Kern der flüssige Ozean aufrechterhalten lässt, der sonst in weniger als 30 Millionen Jahren komplett ausfrieren würde.
Dr. Frank Postberg forscht am Klaus-Tschira-Labor für Kosmochemie, das am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg angesiedelt ist und von der Klaus Tschira Stiftung gefördert wird. Die Cassini-Huygens-Mission wurde 1997 als gemeinsames Projekt von NASA, ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI mit dem Ziel gestartet, neue Erkenntnisse über den Gasplaneten Saturn und seine Monde zu gewinnen. Von 2004 an umkreiste Cassini den Gasriesen, bis die Mission im September dieses Jahres mit dem Eintritt der Sonde in die Saturnatmosphäre endete. Die jüngsten Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Astronomy“ veröffentlicht.
G. Choblet, G. Tobie, C. Sotin, M. Běhounková, O. Čadek, F. Postberg & O. Souček: Powering prolonged hydrothermal activity inside Enceladus. Nature Astronomy 1, 841–847 (published online 6 November 2017), doi: 10.1038/s41550-017-0289-8