Vier neue Promotionskollegs zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses haben an der Universität Heidelberg ihre Arbeit aufgenommen, ein weiteres wird dies in Kürze tun. Zwei der Einrichtungen, die in der Physik und in der europäischen Kulturgeschichte angesiedelt sind, wurden mit jeweils fünf Stipendien für Doktoranden ausgestattet; damit verbunden sind Fördermittel von rund 200 000 Euro für jedes Kolleg. Hinzu kommen ein Kolleg im Bereich Rechtswissenschaften und Informatik sowie ein Kolleg in der Medizin, die je vier Promotionsstipendien erhalten haben und pro Einrichtung mit etwa 160 000 Euro unterstützt werden. Die Mittel stammen aus der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg.
Zudem richtet die Medizinische Fakultät der Ruperto Carola – gefördert von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung – jetzt ein Promotionskolleg „Global Health“ ein (Symbolbild: Universitätsklinikum Heidelberg). Die Stiftung finanziert das Kolleg in den kommenden drei Jahren mit 750 000 Euro. Privatdozentin Dr. Dr. Sabine Gabrysch, Leiterin der Sektion Epidemiologie und Biostatistik, die mit ihren Kollegen das Vorhaben initiierte: „Der Bedarf an medizinisch ausgebildeten Global-Health-Experten kann momentan schon nicht gedeckt werden und wird in den kommenden Jahren durch die Probleme, vor die uns Klimawandel, Flüchtlingsströme, Antibiotikaresistenzen und die weltweite Zunahme der Fettleibigkeit und ihrer Folgeerkrankungen stellen, weiter steigen.“
Das Promotionskolleg „Kunst, Kultur und Märkte. Geschichte der europäischen Kulturwirtschaft vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ ist an das Zentrum für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften (ZEGK) angebunden. „Kulturwirtschaft meint hier die Herstellung, den Vertrieb sowie den Konsum insbesondere künstlerischer und musikalischer Güter an Märkten“, erläutern Prof. Dr. Cord Arendes und Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern, die dem ZEGK angehören und am Historischen Seminar forschen. Im Fokus des Promotionskollegs „Fundamentale Bausteine für quantenbasierte Technologien“ stehen zentrale Konzepte moderner Quantentechnologien. Denn „in absehbarer Zeit werden auch Konzepte der Quantenphysik – wie die Superposition oder die Verschränkung – Einzug in technologische Anwendungen finden“, macht Sprecher Prof. Dr. Selim Jochim vom Physikalischen Institut deutlich.
Im Promotionskolleg „Digitales Recht“ leisten die Stipendiatinnen und Stipendiaten aus den Rechtswissenschaften und der Informatik Grundlagenforschung, mit der sie die Entwicklung juristischer Expertensysteme zum Einsatz künstlicher Intelligenz vorbereiten und begleiten wollen. Zentral dabei sind rechtstheoretische Fragen, etwa welche „methodischen und verfassungsrechtlichen Vorgaben entscheidend sind, wenn es um den Einsatz selbstlernender und mit Wahrscheinlichkeitsaussagen arbeitender Systeme geht“, so Sprecher Prof. Dr. Ekkehart Reimer, Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht. Der Schwerpunkt des interdisziplinären Promotionskollegs „Aufklärung von molekularen Wirkmechanismen als Fundament für eine evidenzbasierte komplementäre und integrative Medizin“ liegt auf den molekularen Grundlagen. Ziel ist es, solide wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, um die Chancen komplementärmedizinischer Methoden für die Behandlungen von chronisch-entzündlichen oder Tumorerkrankungen fundiert einschätzen zu können, wie Sprecherin Prof. Dr. Yvonne Samstag vom Institut für Immunologie des Universitätsklinikums Heidelberg erklärt.
Zwei Förderanträge für Graduiertenkollegs – Einrichtungen zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses – der Universität Heidelberg waren in der aktuellen Bewilligungsrunde der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erfolgreich: Neu eingerichtet wird das Kolleg 2350 zur Erforschung der Auswirkungen von traumatischen Kindheitserfahrungen, das am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit angesiedelt ist und von den Medizinischen Fakultäten Heidelberg und Mannheim der Ruperto Carola mitgetragen wird (Grafik: GRK 2350). Des Weiteren kann das Kolleg 1953, an dem Wissenschaftler der Universitäten Mannheim und Heidelberg wirken, seine Arbeit auf dem Gebiet der mathematischen Stochastik dank erneuter Förderung fortsetzen.
Im Mittelpunkt des Interesses am Kolleg 2350 „Der Einfluss von Traumatisierung im Kindes- und Jugendalter auf psychosoziale und somatische Erkrankungen über die Lebensspanne“ stehen die neurobiologischen, somatischen und psychosozialen Folgen von besonders belastenden Erlebnissen in der Kindheit. Die Ausbildung der Doktorandinnen und Doktoranden in Medizin, Psychologie, Biologie und verwandten Naturwissenschaften profitiert dabei von bestehenden Forschungsverbünden zu traumatischen Kindheitserfahrungen.
Sprecher des Kollegs ist Prof. Dr. Christian Schmahl, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Die DFG unterstützt die Arbeiten für viereinhalb Jahre mit knapp fünf Millionen Euro.
Der Fokus des Kollegs 1953 „Statistische Modellierung komplexer Systeme und Prozesse – Moderne nichtparametrische Ansätze“ liegt im Schnittbereich von Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik; Ziel ist es, die Grundlagenforschung auf diesem Feld voranzutreiben. Vermittelt wird den Doktorandinnen und Doktoranden eine hochrangige mathematische Basis, die Grundlage für verschiedene Anwendungsszenarien bildet etwa in der Modellierung und Analyse sozialer Netzwerke oder im Bereich „Shared Economy“. Das Graduiertenkolleg – die Sprecherfunktion hat die Universität Mannheim inne – wird von der DFG mit rund 4,5 Millionen Euro gefördert. Ko-Sprecher an der Ruperto Carola ist Prof. Dr. Jan Johannes vom Institut für Angewandte Mathematik.
DFG-Graduiertenkollegs an der Universität Heidelberg
Pressemitteilung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit
Was zeichnet gute Lehre in den Naturwissenschaften aus? Petra Eggensperger von der Abteilung Schlüsselkompetenzen und Hochschuldidaktik der Ruperto Carola und die Heidelberger Biowissenschaftlerin Dr. Dorothea Kaufmann haben zu dieser Frage ein Buch veröffentlicht. Mit wenigen einfachen Tricks und Kniffen, so die beiden Autorinnen, können Lehrveranstaltungen in den Fächern Biologie, Physik, Chemie und den Geowissenschaften „lernförderlicher gestaltet und Studierende motiviert werden, nachhaltiger zu lernen“ (Bild: Miethe).
Nach einer kurzen theoretischen Einführung bietet der gerade herausgebrachte Leitfaden in jedem seiner acht Kapitel viele praktische Hinweise zur Vorbereitung und Umsetzung von Lehrveranstaltungen bis hin zur Überprüfung des Lernerfolgs. Aber auch Fragen, wie Studierende zur Mitarbeit motiviert werden können, oder zum Thema „Wer sind meine Studierenden? Wege zur Generation Y“ werden behandelt. Petra Eggensperger: „Schon lange hatte ich mir gewünscht, die in den von uns angebotenen Weiterbildungen gemeinsam mit den Lehrenden gemachten Erfahrungen in Buchform einer breiteren Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Dabei habe ich mich bemüht, den konzeptionellen Hintergrund so aufzuzeigen, wie wir ihn auch in unseren Kursen erarbeiten. Dorothea Kaufmann hat dieses Wissen konkret für Lehrende in den Naturwissenschaften kontextualisiert.“
Das Buch, das sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch an Doktoranden und studentische Tutoren wendet, kombiniert die eher theoretische Sichtweise der Hochschuldidaktik mit dem praktisch erprobten Erfahrungswissen aus der Lehre in den Naturwissenschaften. Dass das offenbar bestens funktioniert, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass Dorothea Kaufmann im vorvergangenen Jahr mit dem Ars legendi-Fakultätenpreis für exzellente Lehre in den Biowissenschaften ausgezeichnet wurde. „Gute Lehre ist das, was alle Beteiligten wollen und wofür viel zu oft die Vorbereitungszeit fehlt. Doch schon mit einfachen, kleinen Änderungen lässt sich jede Lehrveranstaltung deutlich verbessern, und das führt zu mehr Zufriedenheit bei Lehrenden und Lernenden. Aus meiner zehnjährigen Erfahrung als Dozentin habe ich für diese Publikation die besten Methoden, erfolgreichsten Konzepte und einfachsten Modifikationen für die Lehre in den Naturwissenschaften destilliert“, so die Wissenschaftlerin, die am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie tätig ist.
Der Leitfaden von Dorothea Kaufmann und Petra Eggensperger ist unter dem Titel „Gute Lehre in den Naturwissenschaften. Der Werkzeugkasten: Einfach. Schnell. Erfolgreich.“ im Verlag „Springer Spektrum“ erschienen.
Ein offenes Kartografieprojekt, das einen Beitrag zur Förderung von Nachhaltigkeit im Alltag leisten will, haben Geoinformatiker der Universität Heidelberg entwickelt: Die sogenannte „Klimaschutzkarte“ (© OpenStreetMap contributors) informiert auf Basis von „OpenStreetMap“ über nachhaltigen Konsum, erneuerbare Energie oder klimafreundliche Mobilität. In der interaktiven Online-Karte können Nutzer weltweit konkrete Hinweise auf Einrichtungen oder Angebote eintragen, die es ermöglichen, den eigenen Lebensstil klimafreundlich zu gestalten – etwa Wochenmärkte mit regionalen Produkten, Gebrauchtwarenläden, Carsharing-Angebote oder Anlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energien.
Das Projekt trägt den Titel „Wissen schaffen für die Stadt – neue Methoden der Bürgerbeteiligung durch interaktive Stadtplanung im Web 2.0 am Beispiel der Energiewende“. Angesiedelt ist es im „Urban Office“, dem Reallabor für nachhaltige Stadtentwicklung am Geographischen Institut der Ruperto Carola.
Die beteiligten Wissenschaftler wollen neue Medien und digitale Ressourcen zur Förderung von Nachhaltigkeit nutzen. Instrumente wie „OpenStreetMap“ sollen den Kontakt zwischen Bürgern und Akteuren auf dem Feld der Energiewende intensivieren und gleichsam den Austausch der Bürger untereinander fördern. „Ziel ist es, umfassendes lokales Wissen für zukünftige Planungsprozesse zu generieren und dabei insbesondere auch jüngere Bevölkerungsgruppen anzusprechen“, erläutert Prof. Dr. Alexander Zipf, der den Bereich Geoinformatik am Geographischen Institut der Ruperto Carola leitet.
Die Arbeiten basieren auf dem Förderprogramm „Masterplan 100% Klimaschutz“ des Bundesumweltministeriums, an dem die Stadt Heidelberg als Modellkommune teilhat. Studierende und Universitätsangehörige, aber auch interessierte Bürger sind eingeladen, sich mit eigenen Einträgen an der „Klimaschutzkarte“ zu beteiligen; Vorkenntnisse im Bereich der Kartografie oder der Digitalisierung sind nicht erforderlich. Eine Anleitung zur Nutzung von „OpenStreetMap“ ist auf der Projektseite zu finden.