Von Jana Gutendorf
Positionswechsel: Zum laufenden Wintersemester hat Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern (Fotos: Tobias Schwerdt) das Amt der Gleichstellungsbeauftragten an der Universität Heidelberg von Prof. Dr. Jadranka Gvozdanovic übernommen; zuvor war sie bereits sechs Jahre lang als Gleichstellungsbeauftragte an der Philosophischen Fakultät tätig. Katja Patzel-Mattern studierte Neuere und Neueste Geschichte, Publizistik und Politikwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Universität Barcelona. 1998 wurde sie mit einer Studie zur Theorie der Erinnerung und Erinnerungskultur in Münster promoviert. Die Habilitation folgte 2007 an der Universität Konstanz zur industriellen Psychotechnik in der Weimarer Republik. Seit Mai 2009 lehrt und forscht Katja Patzel-Mattern als Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Ruperto Carola. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Unternehmens-, der Wissenschafts- sowie der Geschlechter- und Körpergeschichte, in der Krisen- und Kommunikationsforschung und in der Geschichte von Gedächtnis und Erinnerung. Im Interview gibt sie Auskunft über Aufgaben, Erfolge und Perspektiven ihres neuen Amtes:
Frau Patzel-Mattern, vor 30 Jahren wurde das Gleichstellungsbüro an der Universität Heidelberg eingerichtet. Was hat sich seitdem verändert?„Damals wie heute war es wichtig, die Gleichstellung als strukturelle Aufgabe in der Universität zu verankern. In der frühen Zeit ging es zunächst vorrangig um die Frauenförderung. Dabei standen vor allem individuelle Beratungsleistungen im Vordergrund, etwa zur Weiterqualifikation oder bei Fragen der Beförderung, wenn man im Karriereweg übergangen wurde. In den letzten Jahren hat sich das deutlich verändert – hin zu einer sehr viel stärkeren Serviceorientierung und zu Maßnahmen, die auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf abzielen. Dabei gilt es zunehmend, auch andere Differenzkategorien in den Blick zu nehmen wie beispielsweise das Alter. All das entlastet uns aber nicht davon, auch weiterhin Frauenförderung zu betreiben. Mit 19 Prozent Professorinnen an der Universität Heidelberg haben wir einfach noch viel Luft nach oben.“
Was sind Ihre Ziele für den Ausbau der Gleichstellung in den kommenden Jahren?
„Das übergeordnete Ziel ist, die Idee der Gleichstellung noch stärker in die Breite zu tragen und zu verdeutlichen: Gleichstellung ist eine Aufgabe der gesamten Universität – und zwar auf allen institutionellen Ebenen. Dazu gehören Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie eine aktive Rekrutierung. Das bedeutet beispielsweise, Frauen bereits im Vorfeld von Ausschreibungen gezielt anzusprechen und Ausschreibungstexte so zu formulieren, dass sie – unabhängig vom Geschlecht – die Besten motivieren, sich zu bewerben. Ein solches Vorgehen schränkt die Auswahl der Fachkolleginnen und -kollegen nicht ein, weil Qualität immer im Vordergrund steht. Aber es öffnet den Blick dafür, wo überall nach fachlicher Qualität gesucht werden kann. Diese Prozesse wollen wir aktiv begleiten und daraus Best-Practice-Beispiele generieren. Zudem möchten wir uns noch mehr daran beteiligen, spezifische Angebote zu entwickeln und gemeinsam mit den Fakultäten zu überlegen, welche Maßnahmen bei Problemstellungen vor Ort wirksam sein könnten.“
Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den Fakultäten?
„Die Gleichstellungsbeauftragten in den Fakultäten stellen das Bindeglied zwischen den Instituten und dem Gleichstellungsbüro dar. Die Kolleginnen und Kollegen wirken in Berufungskommissionen und Gremien mit und kommunizieren die Belange der Gleichstellung in die Fakultäten. Sie kennen die Bedürfnisse vor Ort sehr gut und stehen als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn Handlungsbedarf besteht. Das ist eine unverzichtbare Arbeit, die von einer Universitäts-Gleichstellungsbeauftragten alleine nicht zu leisten wäre.“
Welche Erfolge hat das Gleichstellungsbüro in den vergangenen Jahren erzielen können?
„Im Bereich der Familienförderung ist die Universität Heidelberg bereits außerordentlich gut aufgestellt. Das betrifft die Zahl der Kindergartenplätze, aber auch Angebote wie den Concierge-Service oder die Clearingstelle, die im Falle einer Schwangerschaft zwischen den betroffenen Eltern und Instituten vermittelt. Wichtig war es in den vergangenen Jahren auch, die zentrale Gleichstellungsstrategie und die dezentralen Umsetzungen in den Fakultäten und Einrichtungen der Universität zu koordinieren, um eine gendersensible Kultur zu fördern. Zudem befindet sich die Gleichstellung an der Ruperto Carola in einem permanenten Auditierungsverfahren und unterzieht sich einer ständigen Qualitätskontrolle. Dies soll noch weiter ausgebaut werden, um ein Gender-Controlling über die gesamte Breite zu etablieren.“
Was bedeutet Gleichstellung für Sie persönlich?
„Für mich bedeutet Gleichstellung in erster Linie Chancengleichheit. Das heißt, dass Menschen unabhängig von unterschiedlichen Differenzmerkmalen, die sie aufweisen, bei gleicher Leistung auch die gleichen Chancen haben. In diesem Zusammenhang gilt es nicht nur, Frauen zu fördern, sondern aufmerksam zu sein für alle Differenzen, die sich zwischen Menschen ergeben. Ein Beispiel dafür ist die Migration. Auch hier geht es darum, Menschen mit diesem Lebenshintergrund eine Integration in die Universität Heidelberg zu ermöglichen, die ihren Befähigungen entspricht. Darüber hinaus ist Gleichstellung für mich ein Dauerauftrag, den wir in Reaktion auf die gesellschaftlichen Veränderungen verstehen müssen. Es ist eine Aufgabe, die nie endet, weil sich stets neue Differenzen und Tätigkeitsfelder auftun. Deshalb gilt es hier, flexibel zu sein und die Gleichstellung mit der Zeit auch anzupassen.“
Wie verstehen Sie Ihre Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte?
„Zunächst einmal ist es natürlich meine Aufgabe, für die Leistungen der Gleichstellung in der Universität einzutreten, die verschiedenen Maßnahmen, die wir ergreifen, zu koordinieren und die Gleichstellung strategisch weiterzuentwickeln. Das heißt vor allen Dingen, die Kooperation mit gesellschaftlich relevanten Gruppen zu stärken – sowohl in der Universität als auch in der Stadt Heidelberg. Gleichermaßen wichtig ist mir die persönliche Komponente meiner Arbeit. Es motiviert mich, als Beispiel zu dienen. Das schließt auch ein, sichtbar zu machen, wie der eigene Karriereweg verlaufen ist, wie man selbst mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf umgegangen ist. Es geht mir darum, als Person für die Sache der Gleichstellung einzutreten und damit anderen Menschen zu zeigen, wie ihr eigener Lebensweg aussehen könnte.“
Was wünschen Sie sich für die kommenden zwei Jahre Ihrer Amtszeit?
„Ich würde mir wünschen, dass die Universität Heidelberg nicht nur der gesellschaftlichen Diskussion folgt sondern vorangeht und zeigt: Wir haben im Bereich der Gleichstellung schon viel erreicht, wollen in Zukunft aber noch besser werden. Ich sehe die Notwendigkeit, sich progressiv zu positionieren und mit Problemen offensiv umzugehen. Als Historikerin weiß ich, dass sich das auszahlt. Vertrauen ist hier der zentrale Punkt.“
Gleichstellung an der Universität Heidelberg
Stimmen der Gleichstellungsbeauftragten – zwischen Gestern und Heute