„Donald Trump ist Ausdruck der Krise und Brandbeschleuniger zugleich“
Von Oliver Fink (Text) und Tobias Schwerdt (Fotos)
Schritt für Schritt hat Prof. Dr. Dr. h.c. Detlef Junker an der Universität Heidelberg die Amerikaforschung etabliert – nicht zuletzt durch das erfolgreiche Einwerben privater Drittmittel. Jetzt zog sich der Historiker aus der Leitung des von ihm 2003 gegründeten Heidelberg Center for American Studies (HCA) zurück, bleibt dem Institut aber als Seniorprofessor distinctus in beratender Funktion erhalten. Junker, der zunächst als Journalist und Redakteur tätig war, wurde 1967 an der Universität Kiel promoviert, die Habilitation folgte 1974 an der Universität Stuttgart. Im Jahr darauf erhielt er eine Professur am Historischen Seminar der Ruperto Carola. Zwischen 1994 und 1999 leitete Junker als Direktor das Deutsche Historische Institut in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington, anschließend übernahm er bis zu seiner Pensionierung 2004 die Curt-Engelhorn-Stiftungsprofessur für Amerikanische Geschichte und wirkte als Gründungsdirektor des HCA. Zu den Forschungsschwerpunkten Detlef Junkers zählen die amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Historie der deutsch-amerikanischen Beziehungen sowie die Theorie der Geschichtswissenschaft.
Herr Professor Junker, der erste sichtbare Schritt zum Ausbau der Amerika-Studien am Historischen Seminar wurde Ende der 1980er-Jahre mit dem Aufbau der Schurmann-Bibliothek zur amerikanischen Geschichte gemacht. Benannt ist sie nach jenem US-Botschafter in Deutschland, der mit seiner großangelegten Spendenkampagne in den 1920er-Jahren den Bau der Neuen Universität als zentrales Hörsaalgebäude in Heidelberg ermöglichte. War dessen Einsatz so etwas wie eine Inspiration für Sie?
„Jacob Gould Schurman war und ist ein großes Vorbild für mich. Die Aktivitäten zur Schaffung der Bibliothek fielen in die Zeit, als ich mich mit seiner Biographie näher beschäftigt habe – ein archetypischer Amerikaner, der sich aus ganz kleinen Verhältnissen hochgearbeitet und später als Professor und Präsident der Cornell University Bedeutendes für diese Hochschule geleistet hat, gerade auch durch die Einwerbung von Geldern. Von ihm lernte ich, wie man Fundraising macht, und wurde mit der großen Charity-Tradition in den USA vertraut, die ja der Aversion vieler Amerikaner gegenüber staatlicher Steuerung entspringt. Schurmans Maximen – ‚If you don't ask, the answer is no‘ oder ‚Think Big‘ – habe ich auf die Universität Heidelberg übertragen. So konnte ich beispielsweise den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, der wie Jacob Gould Schurman ein Alumnus der Ruperto Carola war, für die Spendensammlung gewinnen. Er übernahm den Vorsitz des Ehrenkomitees, dem auch die Außenminister der USA und Deutschlands, James Baker und Hans-Dietrich Genscher, angehörten.“
Nach dem erfolgreichen Aufbau der Schurmann-Bibliothek, die mittlerweile fast 10 000 Bände umfasst, folgte 1999 mit der Einrichtung des Curt-Engelhorn-Lehrstuhls für Amerikanische Geschichte ein weiterer wichtiger Schritt zum Ausbau der Amerikaforschung am Historischen Seminar. Ab welchem Zeitpunkt hatten Sie die Vision, noch einen Schritt weiterzugehen und ein eigenes Institut zu gründen?
„Das kristallisierte sich während meiner Zeit als Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Washington, D.C., heraus. Das ist ein Zentrum zur Erforschung vor allem deutscher und amerikanischer Geschichte. Insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Wissenschaftler dort hat mich sehr beeindruckt. Wenn sich einmal die Gelegenheit zur Gründung eines eigenen Instituts ergeben würde, so sagte ich mir, dann müsste es nach diesem Vorbild gestrickt sein. Die Gelegenheit bot sich dann ein paar Jahre später nach meiner Rückkehr nach Heidelberg. Ich stellte mir die Frage, was ich nach meiner Pensionierung eigentlich machen sollte – noch ein oder zwei große Bücher schreiben oder doch versuchen, diese Vision umzusetzen. Ich entschied mich für Letzteres. Wir starteten ganz bescheiden mit zwei Büroräumen. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass wir ein paar Jahre später hier in diesem wunderschönen Palais in der Heidelberger Altstadt sitzen, hätte ich ihn für verrückt erklärt.“
Auch hier spielten private Förderer eine entscheidende Rolle.
„Ja. Die Unterstützung der Fakultäten und auch des Rektorats zur Gründung des HCA hatten wir, aber damit noch keine Finanzierung. Manfred Lautenschläger stellte uns zwischenzeitlich größere Räume in der Heidelberger Weststadt zur Verfügung. Im Jahr 2006 zogen wir schließlich – ein großer Glücksfall – in das vom Ehepaar Curt und Heidemarie Engelhorn erworbene und sanierte Palais in der Hauptstraße 120 ein, das wir ebenfalls mietfrei nutzen dürfen. Als Public Private Partnership werden wir von vielen weiteren Förderern unterstützt. Bis heute ist die Finanzierung des Instituts zu 50 Prozent privat.“
Mittlerweile blickt das HCA auf eine 15-jährige Geschichte zurück. Was waren bislang die Glanzlichter?
„Zu den frühen institutionellen Highlights gehört, dass wir ein Aversum, also eine finanzielle Grundsicherung, erhalten haben und wir nacheinander drei Professuren einrichten konnten, zum Teil als Brückenprofessuren. Eine folgenreiche Entdeckung war die Geschichte des amerikanischen Pfarrers und ehemaligen Sklaven James W.C. Pennington, der 1849 als erster Afroamerikaner die Ehrendoktorwürde der Ruperto Carola erhielt – wahrscheinlich die erste Ehrendoktorwürde für einen Afroamerikaner in Europa, vielleicht sogar weltweit. Daraufhin haben wir einen Preis gestiftet, den Pennington Award. Mit dem werden jährlich Wissenschaftler ausgezeichnet, die zu Themen forschen, die Pennington wichtig waren: etwa über Sklaverei und Emanzipation oder die Bürgerrechte. Folgenreich waren dieser Archivfund und die Auslobung des Preises nicht zuletzt deshalb, weil es uns gelang, mithilfe des damaligen US-Botschafters in Deutschland, Philip Dunton Murphy, die Aufmerksamkeit des damaligen US-Präsidenten Barack Obama zu gewinnen. Der schickte uns daraufhin eine persönliche Grußadresse, die heute gerahmt im HCA hängt. Zu den Höhepunkten in jüngster Zeit gehört vor allem die Einrichtung des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs ‚Authority and Trust‘ im vergangenen Jahr. Und ganz großartig ist generell der immense Zustrom und Zuspruch von Studentinnen und Studenten aus aller Welt, die bei uns studieren.“
Zu den Aufgaben des HCA neben Forschung und Lehre gehört es auch, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern. Als Direktor haben Sie immer wieder öffentlich Stellung zu aktuellen Themen der amerikanischen Politik bezogen. Vor dem Amtsantritt Donald Trumps äußerten Sie sich in einem Zeitungsinterview sehr pessimistisch und sprachen davon, dass Ihnen so „mulmig wie noch niemals zuvor“ vor dem Amtsantritt eines Präsidenten sei. Wie sehen Sie diese Präsidentschaft und damit die Situation der USA zum gegenwärtigen Zeitpunkt?
„Ich bin der Meinung, dass es noch schlimmer gekommen ist als befürchtet. Donald Trump ist weder charakterlich noch geistig in der Lage, dieses Amt zu führen. Die New York Times ging vor kurzem sogar einen Schritt weiter und fragte ‚Is Mr. Trump Nuts?‘, also etwa ‚Ist Herr Trump unzurechnungsfähig?‘. Ich halte ihn für eine Katastrophe für die amerikanische Politik. Donald Trump ist Ausdruck der Krise des amerikanischen Imperiums und zugleich deren Brandbeschleuniger. Er hat einen erheblichen Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlust der USA bewirkt.“
In beratender Funktion werden Sie dem Heidelberg Center for American Studies auch weiterhin erhalten bleiben, kürzlich wurden Sie zum Vorsitzenden des HCA-Kuratoriums gewählt. Wo liegen die Herausforderungen in den kommenden Jahren? „Think Big“ und „If you don't ask, the answer is no“ – legen Sie das auch Ihrem Nachfolger, dem Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Welf Werner, ans Herz?
„Natürlich. Und ich bin sicher, dass er auch so denkt. Was die Herausforderungen für das HCA angeht: Angesichts der aktuellen Situation an den Finanzmärkten, die für die Stiftungen und ihr Kapital sehr schlecht ist, und angesichts der ebenfalls nicht gerade rosigen Finanzsituation der Länder und damit der Universitäten wird es darauf ankommen, die Förderer, die wir haben, zu halten, aber auch neue anzusprechen. Meinen Nachfolger, Welf Werner, werde ich dabei gerne unterstützen.“
Das Heidelberg Center for American Studies ist eine zentrale akademische Einrichtung der Universität Heidelberg und finanziell zugleich eine Public Private Partnership. Das im Jahr 2003 gegründete multidisziplinäre Institut, an dem zehn Fächer aus sechs verschiedenen Fakultäten beteiligt sind, erforscht, analysiert und vermittelt Kenntnisse über historische, kulturelle, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen in den Vereinigten Staaten. In Bachelor- und Masterstudiengängen werden interdisziplinär geschulte und interkulturell qualifizierte Amerikaexperten ausgebildet. Das HCA fördert zudem den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit und trägt zur Schaffung und Stärkung transatlantischer Netzwerke bei.
www.hca.uni-heidelberg.de