Von Oliver Fink
Astronomen nutzen seit dem 19. Jahrhundert die Fotografie zur Himmelsbeobachtung. Zu den Pionieren in diesem Bereich zählt der Heidelberger Max Wolf (1863 bis 1932). Seine Aufnahmen bilden den Grundstock der historischen Fotoplattensammlung der Landessternwarte Königstuhl, die zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) gehört. Die rund 25 000 Exemplare umfassende Sammlung enthält auf Glasplatten gebannte Fotografien, die von Heidelberger Wissenschaftlern bei ihren Beobachtungen mit verschiedenen Teleskopen angefertigt wurden. Die erste Platte stammt aus dem Jahr 1887. Die letzten Aufnahmen entstanden rund 100 Jahre später bei Positionsbestimmungen verschiedener Kometen. Der Vorteil der großformatigen, allerdings auch bruchempfindlichen Platten bestand darin, sehr große Himmelsfelder detailreich abbilden zu können. Heutzutage kommen in der Astrofotografie indes – wie in anderen Bereichen auch – digitale Verfahren zum Einsatz.
Apropos digital: Im Oktober 2005 wurde mit Förderung der „Klaus Tschira Stiftung“ und in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Heidelberg eine Digitalisierung der Glasplatten und der Beobachtungsjournale gestartet, die mittlerweile abgeschlossen ist. Die Scans sind seitdem auch online frei verfügbar und werden in einer GAVO-Datenbank (German Astrophysical Virtual Observatory) am Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg bereitgestellt. „Diese Maßnahme war nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil Bildinformationen durch die langsame Oxidation der fotografischen Schicht drohten schleichend verloren zu gehen“, betont der Sammlungsbeauftragte Dr. Holger Mandel.Die Bedeutung des Plattenarchivs und seiner leichten Zugänglichkeit über das Internet liegt darin, dass Orts- und Helligkeitsänderungen von Himmelsobjekten über viele Jahrzehnte zurückverfolgt werden können. Das wurde beispielsweise bei der europäischen Giotto-Mission genutzt: Giotto wurde als erste interplanetare Sonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA im Jahr 1985 zur Erforschung des Kometen Halley ins All gesandt. Anhand historischer Kometenaufnahmen von 1909 und 1910 konnte die Flugbahn der Sonde für den geplanten nahen Vorbeiflug an dem Himmelskörper optimiert werden.
Die ersten Aufnahmen von Max Wolf stammen noch aus seiner Privatsternwarte in der Heidelberger Märzgasse vor Gründung der „Großherzoglichen Bergsternwarte“ auf dem Königstuhl im Juni 1898. Wolf hatte bei seinen fotografischen Beobachtungen neben 228 Kleinplaneten und einigen Kometen auch zahlreiche neue und bis dahin unbekannte Nebelflecken aufgespürt. Mithilfe der Fotografie gelang ihm dabei die Entdeckung des sogenannten Nordamerikanebels im Sternbild Schwan, der oben in einer Aufnahme vom 11. September 1891 zu sehen ist (Bild: Landessternwarte).
Der Name des Gasnebels lässt sich auf seinen Umriss zurückführen, der an den nordamerikanischen Kontinent erinnert. Das Gebilde ist etwa 2200 Lichtjahre von der Erde entfernt und besteht überwiegend aus Wasserstoff, der durch junge Sterne zum Leuchten angeregt wird. Um den Nordamerikanebel mit dem Teleskop zu sehen, wird allerdings ein völlig dunkler Himmel benötigt – ohne Störung durch künstliche Lichtquellen. Holger Mandel: „In der Heidelberger Altstadt hätte Max Wolf in heutiger Zeit keine Chance gehabt, diesen Nebel zu entdecken.“
Heidelberg Digitized Astronomical Plates (HDAP)
Ausführliches Porträt der Sammlung: „Das Leuchten der Sterne fixiert“