Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Die BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck wird im BioRegio-Wettbewerb 1996 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie als Modellregion ausgezeichnet.“ Diese Nachricht des Bundesforschungsministers, die uns am 20. November letzten Jahres erreichte, hatte die ganze Region erhofft und darauf insgesamt mehr als ein Jahr hingearbeitet. Mit ihr sind in den nächsten fünf Jahren 50 Millionen Mark zusätzlicher Bundesmittel und ein mindestens ebenso großer Betrag an Industriemitteln verbunden.

Blicken wir kurz in die Entstehungszeit des Wettbewerbs zurück: Die Universität war es, auf deren Initiative hin nach Ausschreibung des Wettbewerbs im Oktober 1995 mehr als 40 Firmen und Institutionen im Rhein-Neckar-Raum zusammenkamen, um einen Initiativkreis „BioRegion Rhein-Neckar-Dreieck“ zu gründen und die Wettbewerbsteilnahme zu organisieren. Eine von diesem Kreis eingesetzte Lenkungsgruppe erarbeitete in mehr als neunmonatiger intensiver Arbeit ein Gesamtkonzept zur verstärkten Anwendung und Umsetzung der Biotechnologie in unserer Region. Daß der Sieg in diesem Wettbewerb, an dem sich 17 Regionen beteiligten, als eine der drei bundesweiten Modellregionen kein Selbstläufer werden würde, war den Beteiligten angesichts der harten Konkurrenz vor allem aus Berlin, München und Köln klar. Was letztlich den Ausschlag gab, daß das Rhein-Neckar-Dreieck unter die Sieger kam, war neben der kompetenten Unterstützung der Beraterfirmen Schitag Ernst & Young sowie Abshagen Consulting ohne Zweifel die in der Region bereits erprobte (und mit dem Wettbewerb weiter gewachsene) Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kommunen. Ausdrücklich hat der Minister dabei die Leistungsstärke der Forschung herausgestellt, deren in der Biotechnologie tätige 3300 Wissenschaftler auf vielfältige Weise kooperieren. In der Urkunde des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie heißt es: „Eine große Zahl von Partnern und biotechnologierelevanten Kooperationsprojekten mit in- und ausländischen Unternehmen oder Institutionen sind Ausdruck der Leistungsstärke der in der Region ansässigen Forschungsinstitute.“

Auf seiten der Universität hat es zwar in der Grundlagenforschung nicht an Kritik daran gefehlt, sich in einem Programm zu engagieren, das primär auf die Schaffung von Arbeitsplätzen abziele und eher ein Wirtschafts- als ein Wissenschaftsprogramm sei. Demgegenüber war das Rektorat der Überzeugung, daß die Universität hier in besonderer Weise gefordert ist. Und dieses vornehmlich aus vier Gründen. Zwar muß die Universität auch weiterhin primär ein Hort der Grundlagenforschung bleiben; doch sollte sie darüber nicht die auf Anwendung abzielende Forschung vernachlässigen. Auch anwendungsorientierte Forschung gehört zu ihrem Aufgabenbereich. Ein Zweites: Die Universität hat auch ein Stück weit Verantwortung für die Zukunft ihrer qualitativ hochwertig ausgebildeten Absolventen. Die mit dem Programm verbundenen neuen Arbeitsplätze sind auch potentielle Arbeitsplätze für ihre Absolventen. In diesem Sinne ist auch ihr Engagement bei dem vorgeschlagenen „BioBusiness-Postgraduate-training“ über die Akademie für Weiterbildung zu verstehen, in dem bei den Studienabsolventen eine Einführung in „entrepreneurship“ angestrebt wird. Für diese 18monatige Zusatzausbildung, die im kommenden Wintersemester anlaufen soll, haben die vier Großunternehmen der Region übrigens 20 Trainee-Stellen zugesagt. Meistens erreichen die Universität vielfach Unverständnis und Klage von aus den USA zurückkommenden Forschern, warum die Heidelberger Region mit ihren ausgezeichneten wissenschaftlichen Grundlageninstituten so wenig zum Wissenschaftstransfer beitrage. Mit dem vorgesehenen Transfermodell würde hier endlich Abhilfe geschaffen. Gleichzeitig – und damit bin ich beim vierten Grund – kann sich die Universität mit den potentiellen Neugründungen und den über das BioRegio-Programm angesiedelten Firmen gleichsam eigene „Drittmittel-Partner“ schaffen und auf diese Weise in Zeiten knapper werdender öffentlicher Zuwendungen stärker auf eigenen Füßen stehen.

Das erfolgreiche Engagement von Wissenschaft und Wirtschaft in der Region trägt bereits erste Früchte. Mehr als 180 umsetzungsfähige Projekte wurden im Rahmen der Antragstellung ermittelt, von denen sechs kurzfristig zu einer Unternehmensgründung führen können. Einige ausgewählte Beispiele finden Sie in dem Forschungsmagazin. Sie illustrieren, daß im Rhein-Neckar-Dreieck der Prozeß der Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaft wie auch mit der Wirtschaft im Bereich der Biotechnologie eindrucksvoll in Gang gekommen ist. Um diese Umsetzung von biotechnologischem Wissen in wirtschaftliche Leistungen noch besser organisieren zu können, wurde ein neues privatwirtschaftlich orientiertes Transfermodell, das Biotechnologiezentrum Heidelberg (BTH), entwickelt. Es kann mit Hilfe der erwarteten Millionen aus dem BioRegio-Programm sowie mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg und vor allem der an unserem Antrag beteiligten Großunternehmen in die Realität umgesetzt werden. Damit ist die wichtigste Voraussetzung für einen dauerhaften Erfolg bei der Umsetzung von Wissen in Produkte erfüllt. Die Zeichen für die Zukunft stehen gut.

Auch sonst scheinen wir gegenwärtig an einer qualitativen Kehrtwende des Technologietransfers in der Biotechnologie zu stehen: In jüngster Zeit investieren US-amerikanische biotechnologische Firmen wieder in Deutschland, und zwar bevorzugt hier bei uns in Heidelberg. Und darin dürfte der eigentliche Erfolg des Wettbewerbs für die Region liegen: die mit der Anerkennung als Modellregion zum Ausdruck kommende Sogwirkung für Investitionen vor allem des Auslandes in unsere Region. Nutzen wir gemeinsam die Gunst der Stunde, den Schwung der Aufbruchstimmung, damit sich die Region zu einem in Europa führenden Standort für biotechnologische Investitionen entwickelt.

Peter Ulmer
Rektor

Seitenbearbeiter: Email
zum Seitenanfang