Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Ruprecht-Karls-Universität zählt bekanntlich zu den herausragenden Stätten für Forschung und Lehre in der Bundesrepublik. Schon seit einigen Jahren fordert daher das Rektorat, diese Leistungen bei der Zuweisung staatlicher Ressourcen angemessen zu berücksichtigen und das bisherige, historisch gewachsene Verteilungsmodell des Landes entsprechend zu modifizieren. In Zeiten einer sich ständig verschärfenden Konkurrenz um knappe Finanzmittel stellt sich jedoch auch die Frage, wie unsere Leistungen in Forschung und Lehre gemessen und im Vergleich zu anderen Universitäten bewertet werden können.
Einen ersten Schritt in diese Richtung haben die Rektoren der zehn Universitäten, die bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den Jahren 1992 – 1996 die meisten Drittmittel eingeworben haben, in diesem Januar mit einer gemeinsamen Erklärung zur Forschungsfinanzierung gewiesen. Heidelberg sowie die neben den großen Münchener und Berliner Hochschulen ebenfalls zu diesem Kreis zählenden Landesuniversitäten Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart waren sich einig in der Forderung, daß der Spitzen- forschung bei der Verteilung der Forschungsgelder Priorität eingeräumt werden müsse. Damit verbunden sein sollte die Stärkung der wissenschaftlichen und finanziellen Autonomie der Universitäten sowie das Recht zur eigenständigen Auswahl der Studierenden. Aufgabe der Politik wäre es, sich über das nach wie vor vorherrschende Interesse an Besitzstandswahrung hinwegzusetzen und die notwendigen Rahmenbedingungen für die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Forschung zu schaffen.
Auch in Baden-Württemberg hat sich eine solche Trendwende noch nicht in ausreichendem Maße als Leitlinie der Wissenschaftspolitik durchgesetzt. Zu der Erklärung der forschungsstarken Universitäten äußerte sich Wissenschaftsminister von Trotha gegenüber der Presse eher kritisch; Qualitätskriterien würden bei der Mittelverteilung ausreichend berücksichtigt. Immerhin räumte er ein, daß eine Gesamtbilanz der Forschungs- und Lehrleistungen der Fakultäten und Fächer bisher fehlt. Ein Blick zu unseren britischen Nachbarn zeigt, daß man dort wesentlich weiter ist: Im Internet abrufbar sind die Ergebnisse des research assessment exercise für über 60 Fachgebiete, die der Higher Education Funding Council in jeweils fünfjährigem Abstand durchführt. Auch das Ranking der Zeitschrift „Focus“, bei dem Heidelberg im Professorenurteil den ersten Platz (den sechsten in der Gesamtwertung) einnahm, ist – trotz Zweifeln an einigen Erhebungsmethoden – ein interessanter Schritt in diese Richtung. Mit Genugtuung haben wir festgestellt, daß von den vierzehn in der Untersuchung erfaßten Heidelberger Studiengängen nicht weniger als neun auf die ersten zehn Plätze kamen, darunter die Rechtswissenschaft auf Platz eins, die Medizin und die Politikwissenschaft jeweils auf Platz zwei der Wertung. Auch universitätsintern wurde in Heidelberg mit der Evaluation des Forschungsprofils der Fakultäten ein Anfang gemacht: zunächst im Probelauf in der Biologie, den Wirtschaftswissenschaften und der Philosophisch-Historischen Fakultät. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Verfahrens, dem sich alle Fakultäten in regelmäßigem Abstand unterziehen sollen; die ersten Ergebnisse werden im Laufe des kommenden Wintersemesters vorliegen.
Zu einer wesentlichen Verzögerung der erwähnten Untersuchung des Forschungsprofils haben leider die massiven Budgetkürzungen des Landes geführt, die die Landesuniversitäten zu Einsparungen in Höhe von zehn Prozent der Personalstellen in den nächsten zehn Jahren zwingen. Zwar gewährt uns der Solidarpakt für diese Zeit mit festgeschriebenen Mittelzuweisungen Planungssicherheit, jedoch ist auch hier wieder zu konstatieren, daß von den Kürzungsauflagen in Höhe von jeweils zehn Prozent alle Landesuniversitäten in gleicher Weise und ohne Berücksichtigung von Leistungskriterien betroffen wurden. Darin dokumentiert sich die verbreitete Haltung, alle Universitäten erhalten zu müssen, um sie aber gleichzeitig, in den Worten des scheidenden DFG-Präsidenten Frühwald, „alle gemeinsam zu strangulieren“. Intern bedeuten die 210 bei uns zu streichenden Stellen im Wert von jeweils 100000 Mark erhebliche Einschnitte in die Leistungsfähigkeit der Universität. Allerdings wurden bei der strukturgerechten Umsetzung der Kürzungen durch eine gemeinsame Kommission von Verwaltungsrat und Senat die besonders forschungsintensiven Centers of Excellence, wie das Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen und das Zentrum für Molekulare Biologie, weitgehend ausgenommen.
Trotz aller Widerstände läßt sich der Trend zur stärkeren Leistungsorientierung bei der Zuweisung staatlicher Ressourcen nicht mehr umkehren. Ich bin zuversichtlich, daß die Ruprecht-Karls-Universität auch im 21. Jahrhundert ihren Platz unter den führenden Hochschulen der Republik erhalten und ausbauen wird.