Aus der Stiftung Universität Heidelberg
Aus Anlaß der Verabschiedung von Herrn Prof. Dr. Kurt Lotz als Vorsitzendem der Stiftung Universität Heidelberg und einiger Mitglieder des Kuratoriums Auszüge aus der Rede von Prof. Dr. Paul Kirchhof:
„Die Stiftung Universität Heidelberg, im Jubiläumsjahr 1986 gegründet, besteht nun zehn Jahre, und wir haben Anlaß, ihre Entwicklung heute mit Blick auf die Personen zu beobachten, denen wir ihre Gründung und Blüte verdanken und die nun das von einem zarten Pflänzchen zu einem kraftvollen Baum sich entwickelnde Gewächs aus ihrer eigenhändigen gärtnerischen Pflege entlassen und sich auf die Rolle des nur noch gelegentlich fördernden – sei es humusspendenden oder unkrautjätenden – Beobachters zurückziehen wollen.
Eines möchte ich hervorheben, den Dank an Sie, lieber Herr Lotz, für Ihre zielstrebigen Initiativen bei Gründung und Aufbau der Stiftung, den Einsatz Ihrer glücklichen, weitgreifenden Verbindungen, Ihren ausgeprägten und stetig praktizierten Sinn für Gemeinnützigkeit und Forschungsförderung, Ihre Beharrlichkeit bei den vielen Gesprächen mit Spendern und solchen, die es noch werden wollen, die großzügige Gastlichkeit Ihres offenen Hauses in Heidelberg und Kitzbühl, deren Kultur des Wortes und des Weines wir bei Ihnen und Ihrer verehrten, lieben Frau immer wieder genossen haben, aber auch die vielen persönlichen Begegnungen, Gespräche und auch die Spaziergänge, die ich mit Ihnen haben durfte.
Sodann haben wir das Anliegen, auch Herrn Gassert, Herrn Zimmermann und Herrn Jansche in diesen Dank für die vergangenen zehn Jahre einzubeziehen. Dr. Herbert Gassert hat als Vorsitzender unseres Kuratoriums der Stiftung immer wieder Anregungen, Impulse, förderliche Hinweise vermittelt und dabei seine Erfahrungen als Praktiker in leitenden Funktionen der Industrie ebenso wie als Mitglied des Wissenschaftsrates in glücklicher Weise für uns verbunden. Er hat die Gespräche im Kuratorium stets zu Grundsatzfragen der Wissenschaftspolitik geführt, immer wieder den Blick vorausgreifend in die Zukunft der Forschungslandschaft in Deutschland gerichtet, Leistungskraft und – an Staat und Gesellschaft angelehnte – Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit einer Universität in den notwendigen Sinnzusammenhang gebracht. Wir haben dieses in aufmerksamer Nachdenklichkeit und im Ergebnis stets im Gleichklang der Anliegen und konkreten Zielsetzungen erlebt.
Dr. Wolfgang Zimmermann hat unsere Überlegungen und Beratungen stets mit förderlicher Kritik und entschiedenen Alternativen bereichert und mitgestaltet. Ihre Form beharrlichen freundlichen, freundschaftlichen Fragens hat manche Entscheidung im Ergebnis bestimmt und noch jüngst die Weichen für eine großzügige Bemessung und Ausstattung der Gästewohnungen gestellt. Sobald das Gästehaus eröffnet ist, werden Sie sich auch an diesen Spuren Ihres Wirkens für die Stiftung und damit die Universität freuen können. Prof. Rudolf Jansche hat uns über viele Jahre mit Tat und Rat begleitet, und auch für ihn hoffe ich, daß seine Mitwirkung im Kuratorium eine über diese Zugehörigkeit hinausgreifende Verbundenheit mit der Stiftung begründet hat. Wenn ich darüber hinaus daran erinnere, daß sowohl Herr Gassert wie auch Herr Zimmermann Gastgeber für das Kuratorium der Stiftung gewesen sind, so bietet sich der Weg an, auf dem ich heute das Wirken von Herrn Lotz für die Stiftung im Zusammenklang mit den anderen Mitwirkenden würdigen kann: der Blick auf das Erlebnis der Kuratoriumssitzungen – oder richtiger ihrer Rahmenbedingungen – in den vergangenen zehn Jahren.
Beobachten wir diese Zusammenkünfte rückschauend, so werden zwar nicht die zehn Gebote erfolgreicher Stiftungsgründung sichtbar, wohl aber gute Gepflogenheiten, bewährte Regeln, die das Arbeiten in einer Stiftung leicht, angenehm und erfolgreich machen. Die erste Regel lautet: Höchstleistungen sind nur durch Disziplin erreichbar. Deshalb führte uns unsere erste nachkonstituierende Sitzung auf den Schafhof im Taunus bei Frau Schindling-Rheinberger in den Stall ihrer Dressurpferde, mit denen sie – damals noch unter dem Namen Lieselotte Linsenhoff – Weltmeisterschaften und viele Turniersiege errungen hat. Nach dem Geheimnis ihres Erfolges gefragt, hat sie uns verraten, daß stetige Übung, unbeirrbare Ausdauer auch bei den Piaffen und Traversen, ein festes Führen des Zügels Grundlage des Erfolges seien. So mit klaren Maximen nach innen ausgestattet, galt es im nächsten Jahr, sich der Kunst der Selbstdarstellung nach außen zu widmen. Wie jeder Mensch seiner Umwelt sich selbst, sein Gesicht nach eigenem Gutdünken zeigen, seine Stärken hervorheben, seine Schwächen verbergen, sich vielleicht auch ein Stück Unsichtbarkeit, etwas Geheimnisvolles bewahren will, so will auch eine Stiftung sich bekleiden, gelegentlich auch verkleiden. Max Berg hatte in das Textilmuseum in Ziegelhausen eingeladen und uns dort gelehrt, daß Virtuosität im Weglassen und Hinzufügen, im Zurücknehmen und Hervorheben, im dezenten Tönen und kräftigem Färben Schönheit bewußt macht und voll zur Entfaltung bringt.
Die Selbstdarstellung nach außen kann nur das präsentieren, was substantiell vorhanden ist. Die Substanz einer Stiftung ist ihre Finanzkraft, die in ihrer Buchführung greifbar wird. Nun braucht das Kuratorium sich nicht mit den Methoden der Buchführung auseinanderzusetzen, weil Herr Mathes diese längst aus der Vergangenheit der Kameralistik in die Gegenwart modernen Bilanzierens hineingeführt hat. Dem Kuratorium aber ist es ein Anliegen, sich mit dem Phänomen des Buches vertraut zu machen, mit dem Erfassen der Wirklichkeit in Buchstabe und Schrift. Deshalb überrascht es nicht, daß eine seiner ersten Zusammenkünfte in die Bibliotheca Palatina, die Jubiläumsausstellung in der Heiliggeistkirche, führte. Wir sehen dort, wie sich die Geschichte der Heidelberger Universität, aber auch die Entwicklung von Weltkultur und Weltwissenschaft in dieser Humanistenbibliothek Europas dokumentiert. Aber wir hören auch das schöne Bild von den Sammlungen, die den ewigen Kreislauf des Wassers widerspiegeln: Auf der einen Seite fließen die Bücher im leichten Regen der Einzelanschaffungen oder in schweren Wassermassen der Großerwerbungen ins Meer der Bibliotheken; auf der anderen Seite verlassen sie dasselbe wieder durch die Achtlosigkeit oder die veräußernde Interessenlosigkeit der Eigentümer oder durch Katastrophen und gewaltsame Enteignungen. Damit ist das Sammlungsvorhaben der Stiftung erneut bekräftigt: weniger leichter Regen und anschließender Bach und eher das Meer zu sein, in dem die verschiedensten Ströme kulturfördernder Finanzkraft sich sammeln und damit unsere Bücher immer voller und praller werden lassen.
Klassische Buchdruckerkunst findet in Heidelberg eine moderne Entsprechung; das Kuratorium wendet deshalb seine historischen Einsichten in die Gegenwart. Der weltweit größte Hersteller von Druckmaschinen – die Heidelberger Druckmaschinen AG – bildete den Rahmen, in dem sich Herr Dr. Zimmermann als glänzender Gastgeber zeigte und insbesondere den Mitgliedern der Universität Heidelberg bewußt machte, daß ihre feste Überzeugung, der Name Heidelberg werde vor allem durch die Universität in die Welt getragen, durchaus der Überprüfung bedürfe. Offensichtlich besteht ein edler Wettstreit zwischen Heidelberger Druck und Heidelberger lebendigem Geist um die weltweite Vorherrschaft in diesem edlen Namen – ein Wettbewerb, bei dem sich die Beteiligten allerdings wechselseitig bestätigen und ergänzen können, weil die Druckmaschinen auf das wissenschaftliche Wort angewiesen sind, das sie drucken können, und das wissenschaftliche Wort auf den Druck, der ihm weltweite Beachtung sichert. So sind wir, verehrter, lieber Herr Mehdorn, hoffnungsvoll, daß die Heidelberger Druckmaschinen auch in Zukunft der Wissenschaft förderlich begegnen, sei es, daß sie Wissenschaft drucken, sei es, daß sie für die Förderung der Wissenschaft Druck erzeugen.
Das gedruckte Wort gewinnt ein besonderes Gewicht als verbindliches Wort: Das Kuratorium erkundet in seiner fünften Unternehmung, einem Besuch des Bundesverfassungsgerichts, die Bedeutung des Rechts und stellt im November 1989 – wenige Wochen nach dem Fall der Mauer – die Frage, ob Deutschland in guter Verfassung sei und die große Aufgabe der inneren Wiedervereinigung bei gleichzeitiger Fortführung der europäischen Integration werde bewältigen können. Das Recht bietet Freiheit an; die Realität einer freien Gesellschaft ereignet sich, wenn die Berechtigten dieses Angebot in Wirtschaft und Wissenschaft, in Politik und Medien annehmen.
Die Realität wirtschaftlicher Entfaltungsfreiheit haben wir im Dreiklang von Finanzieren, Dosieren und Experimentieren erlebt. Herr Roland Ernst hat uns sein Unternehmen vorgestellt und uns dabei bewußt gemacht, daß Finanzkraft Gestaltungsmacht ist und daß letztlich nur persönliche Initiative ,vor Ort' Erfolg und Rendite garantiert.
Wie im wirtschaftlichen Wettbewerb das Geld Grundlage und Antrieb aller Initiativen ist, so ist es für das Leben im Elementaren das Wasser. Herr Dulger hat uns in seiner Firma ProMinent Techniken der Qualitätssicherung und Veredelung des Wasser gezeigt. Dabei gilt es, ein Untermaß zu überschreiten, ein Gleichmaß zu wahren, ein Übermaß zu verhindern. Das Kuratorium entdeckt hier Prinzipien auch für die Vergabepolitik gemeinnütziger Stiftungen und ist lediglich bei der Entgegennahme von Forschungsspenden bereit, das Übermaßverbot zu vernachlässigen.
Grundlagenforschung und unternehmerisch-praktische Forschung und Entwicklung greifen Hand in Hand, wenn die Firma ABB in ihrem Projekt „Hochenergiebatterie und Elektroauto“ ein leistungsfähiges, umweltverträgliches Kraftfahrzeug entwickelt. Herr Gassert hat uns dieses Forschungsvorhaben vorgestellt, uns auch zur praktischen Erprobung der Elektroautos eingeladen, zugleich den Zusammenhang des Bereithaltens von Energie und der Schwerkraft der Batterien erklärt. Wir haben schon damals verspürt, daß eine erfolgreiche Forschungsidee noch nicht deren Anwendungs- und Produktionsreife garantiert und daß das Unternehmerrisiko wesentlich auch von dem Faktor Zeit abhängt. Dieses gilt allerdings nicht nur für unternehmerisches Tun, sondern auch für die private Lebensgestaltung und Lebensvorsorge. Wir haben dieses in unserer 9. Sitzung erfahren von hoher Warte, nämlich vom 17. Stockwerk des Hochhauses des Hauses MLP, in dem uns Herr Lautenschläger den weiten Blick über Heidelberg und die Rheinebene eröffnet, aber auch den Zugang zu Möglichkeiten versicherungsrechtlicher Lebensvorsorge erschlossen hat. Bei diesem auf Vorsorge bedachten Rundblick über Heidelberg fiel dann wieder die Kopfklinik ins Auge, die das Kuratorium schon in einem der ersten Jahre seiner Tätigkeit besucht hatte und die ich an das Ende unseres Rundblicks stelle, weil sie in schöner Weise die Botschaft formuliert, die unsere Stiftung verbreiten will: Wann immer ein Mensch, die Wirtschaft, der Staat in eine Krise geraten, universitäres Wissen verspricht Hilfe; und daraus ergeben sich finanzwirtschaftliche Folgerungen. Blicken wir auf diese zehn Stationen der Aktivitäten unseres Kuratoriums zurück, so wird eine – von Herrn Lotz mit leichter Hand gezeichnete – Grundlinie deutlich: handelnd mit einem klugen Kopf, vorsorgend planend, risikobewußt experimentierend und dosierend, auf die gediegene Grundlagen von Finanzen und rechtlichen Rahmenbedingungen bedacht, offen für das Verbreiten des lebendigen Geistes durch weltweites Drucken und Publizieren, aufgeschlossen für die Kontinuität in der großen Tradition eines palatinisch dokumentierten und künstlerisch entfalteten Geisteslebens, alles elegant verkleidet und diszipliniert – wenn auch nicht dressiert – betrieben, zeigt sich Herr Lotz als Meister seines Fachs: der Mäzen für universitäre Forschung. Wir bezeugen dieser Meisterschaft Respekt und sagen Dank.“