Meinungen
Peter Frankenberg, Rektor der Universität Mannheim, äußert sich zur Fächerkonzentration.
Seit über zwei Jahren gibt es nun eine vertragliche geregelte Kooperation zwischen den Universitäten Heidelberg und Mannheim. Nachdem bereits zuvor in einzelnen Bereichen eine Zusammenarbeit stattfand, wurden die Beziehungen der ältesten deutschen Universität und einer der jüngsten deutschen Universitäten damit auf eine neue Grundlage gestellt. Dieser Schritt wurde von beiden Seiten mit großem Engagement aber auch manch kritischem Blick begleitet.
Es freut mich, daß ich als Rektor der Universität Mannheim Gelegenheit habe, im Forschungsmagazin der Universität Heidelberg nach zwei Jahren der Kooperation eine Bilanz zu ziehen. Lassen Sie mich mit einer Kleinigkeit vorweg beginnen: Das exzellente Forschungsmagazin der Universität Heidelberg hat auch uns angespornt, etwas Vergleichbares herauszugeben. Insofern besteht eine gewisse positive Konkurrenz zwischen beiden Universitäten also nach wie vor weiter. Die Bildung einer internen Wettbewerbssituation zwischen den Universitäten um Studierende als Teilnehmer an den jeweiligen Lehrveranstaltungen war von Beginn an ein Ziel der Kooperation. Mehr noch sollte die Kooperation zu einer Stärkung beider Universitäten gegenüber anderen Hochschulregionen führen.
Ich bin der Ansicht, daß nach nunmehr zwei Jahren mit der gebührenden Vorsicht (eine genaue Evaluation der Kooperation liegt uns noch nicht vor) gesagt werden kann, die Kooperation hat sich nach innen wie nach außen bewährt. Lassen Sie mich diese Einschätzung kurz begründen.
Im Außenverhältnis haben beide Universitäten bereits jetzt durch die Kooperation profitiert. Durch die regelmäßigen Treffen beider Rektorate war es zum Beispiel möglich, die jeweiligen Planungen der Strukturreformen im Rahmen des Solidarpakts des Ministerpräsidenten des Landes mit den Universitäten frühzeitig so abzustimmen, daß die jetzt vorliegenden Strukturpläne beider Universitäten sich wechselseitig ergänzen. So konnte die Universität Mannheim den zukünftigen Wegfall der singulären Professur in Evangelischer Theologie beschließen, ohne deswegen das Studienangebot in Evangelischer Theologie im Rahmen der Ausbildung zum Diplom-Handelslehrer einschränken zu müssen. Vergleichbares gilt für die Archäologie. Diese Einschnitte sind der Universität Mannheim schwer gefallen, aber sie konnte sich vor allem deswegen vergleichsweise einmütig zu diesem Schritt durchringen, weil über den Kooperationsvertrag eine engere Verbindung zwischen beiden Universitäten besteht, als dies früher der Fall war. Mit diesem Schritt wird keine „Bindestrich-Universität“ gegründet – eine solche Entwicklung würde von den Rektoraten beider Universitäten strikt abgelehnt. Die Strukturplanung der Universität Mannheim hat aber auch in anderen Bereichen mit Blick auf die Partneruniversität in Heidelberg über die zukünftige Entwicklung der Fächer entschieden, so daß ich der Überzeugung bin, wir sind hier auf dem richtigen Weg, um langfristig das Profil beider Universitäten im schärfer werdenden nationalen und internationalen Wettbewerb zu verstärken. Beide Rektorate haben auf einer gemeinsamen Fahrt in die Schweiz feststellen können, daß auch andernorts vergleichbare Modelle erprobt werden. Die Kooperation der westschweizer Universitäten zeigt, wie eine sehr viel weitergehende Abstimmung durchaus mit der Selbständigkeit einzelner Universitäten vereinbar ist. Auch im Innenverhältnis profitieren beide Universitäten bereits jetzt von der Kooperation. Zwei konkrete Beispiele: Das Interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg hat inzwischen Kollegen aus der Mannheimer Informatik kooptiert (wie dies als Möglichkeit im Kooperationsvertrag für alle Fakultäten vorgesehen ist). Diese enge Partnerschaft ist sowohl für das IWR als auch für die Technische Informatik in Mannheim von großer Bedeutung. Zweites Beispiel: Ein Mannheimer Kollege aus der Anglistik wird zukünftig einen Teil seines Lehrdeputats in Heidelberg ableisten. Die Ableistung seines Lehrdeputats ergänzt in sinnvoller Weise das Heidelberger Angebot. Diese beiden Möglichkeiten des Kooperationsvertrags – Kooptation und Erbringen von Teilen des Lehrdeputats an der jeweils anderen Universität – könnten zukünftig zum wechselseitigen Nutzen noch stärker genutzt werden, und es würde mich freuen, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen aus beiden Universitäten diese Möglichkeit konkretisieren würden.
Im Innenverhältnis profitieren bereits jetzt die Studierenden beider Universitäten in hohem Maße von der Kooperation. Die Möglichkeit, in allen nicht-zulassungsbeschränkten Fächern die Lehrveranstaltungen der jeweils anderen Universität frei wählen zu können oder auch ein an der jeweiligen Universität nicht vertretenes Fach hinzuzuwählen, wird durchaus genutzt. Zwar liegen keine zuverlässigen statistischen Erhebungen vor, aber nach Einschätzung der zuständigen Abteilungen beider Universitätsverwaltungen wird diese Möglichkeit sehr stark nachgefragt. Aus meinem eigenen Fachbereich, der Geographie, kann ich hier berichten, daß der krankheitsbedingte Ausfall von Lehrveranstaltungen auf diese Weise aufgefangen werden kann und dadurch eine ansonsten unvermeidbare Verlängerung der Studienzeiten ausgeglichen wird. In der Geographie arbeiten die Kollegen beider Fakultäten auch an einem Konzept für eine weitere Abstimmung der Forschungsprofile und des Lehrangebots.
Natürlich gibt es auch Probleme. Einige Fakultäten scheinen kollektiv beschlossen zu haben, die Kooperation gerade nicht zu suchen, weil sie befürchten, dadurch jeweils intern bei den bevorstehenden Sparmaßnahmen unter Druck zu geraten. In anderen Fällen scheint den Partnern aus der jeweils anderen Universität nicht immer vorurteilsfrei begegnet zu werden. Hier werden die Rektorate beider Universitäten kaum eingreifen können und wollen, denn die Kooperation basiert ausdrücklich auf dem Geist der Freiwilligkeit und muß gewollt werden. Allerdings handelt es sich hierbei um Schwierigkeiten, die auch innerhalb der jeweiligen Universität durchaus vorzufinden sind und insofern nicht als eine besondere Schwierigkeit der Kooperation betrachtet werden sollten.
Ich bin sicher, die Kooperation wird sich weiter vertiefen, wenn sie – wie bisher – auf „Gegenseitigkeit“ beruht. Daher versuche ich es gar nicht erst mit einem Appell an einen möglichen ideellen Wert dieser Kooperation. Vielmehr appelliere ich an die egoistischen Instinkte einzelner Fakultäten und Fachbereiche, in der Kooperation mit der jeweils anderen Universität die eigene Leistungsfähigkeit zu stärken. Die Möglichkeiten, die der Kooperationsvertrag durch Kooptation und Anrechnung des Lehrdeputats hierzu bietet, sind vielfältig und bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Der Kooperationsvertrag ruht auf der Überzeugung, daß beide Universitäten mit Kooperation in Synergie besser sind als ohne.