Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
die "Ruperto Carola" hat sich im dritten Jahr ihres Erscheinens
schon einen festen Platz auf dem Markt der Forschungspublikationen verschafft.
Aus dem Leben der Heidelberger Universität ist sie nicht mehr wegzudenken,
Grund genug, sich dankbar daran zu erinnern, daß wir die Finanzierung der Hefte
zu einem wesentlichen Teil der "Stiftung Universität Heidelberg"
verdanken. Es handelt sich um eines derjenigen Projekte, die für das Gedeihen
und den Erfolg der Universität von erheblicher Bedeutung sind, für die jedoch
weder der Staat noch institutionelle Drittmittelgeber wie DFG oder BMBF Mittel
bereitstellen.
Damit ist, wie Sie sehen, das brisante Thema Spenden angesprochen. Nicht,
daß die Ruprecht-Karls-Universität insoweit leer ausginge oder das Rektorat
akuten Grund zum Klagen hätte. Im Gegenteil, einige bemerkenswerte Projekte mit
Langzeitwirkung konnten in der letzten Zeit dank großzügiger Spenden von
Freunden der Universität realisiert oder begonnen werden. Ich denke zum Beispiel
an das Seminarhaus Oberflockenbach, das uns kostenlos überlassen und mit einer
dreiviertel Million aus Spenden umgebaut wurde. Ich denke aber auch an den zu
wesentlichen Teilen - mit dreieinhalb Millionen - aus Erbschaften und Spenden
finanzierten Neubau für Gastwissenschaftler im Neuenheimer Feld, dessen
Realisierung demnächst bevorsteht, oder an den mit Spenden des Lehrkörpers
ermöglichten Kauf des Konzertflügels für die Neue Aula. Und ich erinnere an die
laufende Unterstützung der Universität und ihrer Studierenden durch die
Universitäts-Gesellschaft, die Stiftung Universität Heidelberg und den Verein
der Freunde der Universität. Kein Zweifel, unsere Spendenbilanz ist
vergleichsweise positiv.
Diese Zahlen und Beispiele erscheinen allerdings sehr viel weniger
überzeugend vor dem Hintergrund ausländischer Erfahrungen. Das gilt vor allem
beim Blick auf England und die USA, wo das Spendenwesen sich ungleich besser
etabliert hat und das Aufkommen aus Stiftungen und Spenden ganz andere
Dimensionen erreicht. So können deutsche Rektoren, um nur eines von vielen
Beispielen aufzugreifen, von Erfolgsmeldungen nach Art der New York University
nur träumen, wonach eine kürzliche Spendenkampagne innerhalb von nur zwei
Jahren rund eine Milliarde Dollar in die Kasse der Universität brachte. Was
also sind die Gründe für diesen erheblichen Unterschied? Am fehlenden Wohlstand
hierzulande, ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende, kann es nicht liegen:
Bekannt ist die Zahl von über zwei Billionen Mark an Werten, die als Erbschaften
bis zur Jahrtausendwende anfallen sollen. Entgegen verbreiteter Ansicht weist
auch das deutsche Einkommensteuerrecht keine ins Gewicht fallenden Nachteile
für Spender im Vergleich zum westlichen Ausland auf. Das gilt zumal für die
Zeit seit 1991, als die für den Abzug wissenschaftlicher Spenden geltende
Obergrenze von zehn Prozent der steuerpflichtigen Einkünfte dadurch bei
Großspenden ab 50 000 Mark stark relativiert wurde, daß die Spendensumme auf
bis zu acht Jahre verteilt werden kann.
Die Gründe müssen wohl im ideellen Bereich, bei der inneren Einstellung der
potentiellen Spender, gesucht werden. Hierzulande verweist man nach wie vor auf
den Staat, wenn es darum geht, anerkannte Bedürfnisse im Interesse des
Gemeinwohls, der Wissenschaft und Kultur zu decken - anderes gilt noch am
ehesten bei Solidaritätsaktionen anläßlich großer Unglücksfälle oder
Naturkatastrophen. Speziell für Spenden zugunsten wissenschaftlicher Zwecke
kommt als gravierender Faktor hinzu, daß es den deutschen Universitäten allem Anschein
nach bisher nicht gelungen ist, durch persönliche Kontakte eine stärkere
Verbindung zu potentiellen Spendern zu etablieren. Der Versuch, ehemalige
Absolventen für die Mitgliedschaft in Fördervereinen zu werben, stößt bei ihnen
nach wie vor auf deutliche Zurückhaltung, auch wenn sich die Erinnerung an die
eigene Studienzeit überwiegend positiv darstellt. Und selbst im hauptamtlichen
Lehrkörper sind Bereitschaft und Neigung, sich mit "seiner"
Universität zu identifizieren, nicht selten schwach ausgeprägt. Universitäten
als reine Dienstleistungsbetriebe?
Ich möchte, liebe Leserin und lieber Leser, Sie zum Nachdenken über das
Spendenwesen in Deutschland anregen. Sollte das gelingen und sollte sich damit
sogar ein Umdenken zugunsten der Ruprecht-Karls-Universität verbinden, wäre
Ihnen besonders dankbar
Ihr Peter Ulmer, Rektor