Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Lohnende Investition in die Ressource Grundwasser

Angenommen, nur von einem Prozent der über hunderttausend registrierten Altlasten in Deutschland ginge eine Gefährdung für das Grundwasser aus, wären das immer noch über tausend Fälle, die unsere Trinkwasserressource bedrohen. Wolfgang Kinzelbach und seine Arbeitsgruppe am Institut für Umweltphysik verfolgen mit sensiblen Meßmethoden den Transport von Schadstoffen im Grundwasser und entwickeln Rechenverfahren, die in der Praxis helfen, Sanierungsmaßnahmen effektiv und kostengünstig zu gestalten. Ihre Forschung zeigt, daß Prävention die lohnendste Maßnahme ist.

Unser traditionell sauberes Grundwasser hat vielerorts Schaden gelitten. Dies ist um so bedenklicher, als rund 70 Prozent unseres Trinkwassers aus dem Grundwasser stammen. Die Ursachen der Verschmutzung sind vielfältig. Sie reichen von dem in der Vergangenheit oft sorglosen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen wie Erdölprodukten und chlorierten Kohlenwasserstoffen über Austräge aus industriellen und kommunalen Altablagerungen sowie aus Bergehalden bis zu flächigen Schadstoffeinträgen durch die Landwirtschaft und den Niederschlag.

Bis heute hat die Mehrzahl aller gemeldeten grundwasserrelevanten Unfälle mit Erdölprodukten wie Benzin oder Heizöl zu tun, bedingt durch die hohen umgeschlagenen Mengen. Daß es trotzdem nicht zu einem Trinkwassernotstand kommt, liegt daran, daß Erdölprodukte im Untergrund meist durch Mikroorganismen effizient abgebaut werden und sich deshalb nicht weit ausbreiten können. Schlechter sieht es bei den leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen, CKW, aus, die als Lösemittel weite Anwendung gefunden haben. Wegen ihrer geringen Abbaubarkeit und ihrer hohen Mobilität werden sie, nachdem sie versickert sind, im Grundwasser gelöst über größere Strecken im Untergrund transportiert - zum Beispiel von Heidelberg bis zum Wasserwerk Rheinau. Das von diesen Stoffen ausgehende Gefährdungspotential läßt sich an der geringen tolerierbaren Konzentration im Trinkwasser ablesen: Mit einem Liter CKW ließen sich rund 100 Millionen Liter Wasser so verschmutzen, daß sie gerade nicht mehr als Trinkwasser verkauft werden dürften.

In Deutschland sind weit über hunderttausend Altlasten erfaßt und katalogisiert. Angenommen, nur von einem Prozent geht eine konkrete Grundwassergefährdung aus, sind das einige tausend Schadensfälle, die neben den häufig auftretenden Schadstoffen wie Benzol, Toluol und Xylol auch Chlorphenole aus der Holzschutzmittelproduktion, Nitroaromaten aus der Sprengstoffproduktion und Uran aus dem Bergbau enthalten.

Warum sind einige Stoffe wichtig, andere unwichtig für die Grundwassergüteproblematik? Das hat im wesentlichen mit vier Charakteristika zu tun: der Toxizität, der jährlich umgeschlagenen Menge, der Mobilität und der Persistenz in Boden und Grundwasserleitern. Je größer die jeweilige Maßzahl, um so gefährdender ist der Schadstoff. Unter Mobilität sind hier Eigenschaften wie Löslichkeit und Adsorbierbarkeit summiert. So ist zum Beispiel das sehr toxische Dioxin wegen seiner geringen Löslichkeit und seiner starken Adsorptionsfähigkeit relativ immobil und damit kein effizienter Grundwasserverschmutzer. Nitrat dagegen weist nur eine sehr geringe Toxizität auf, stellt aber eines der mobilsten Ionen im Grundwasser dar. Es ist sehr gut löslich, wird nicht adsorbiert und in sauerstoffreichen Grundwasserkörpern nicht abgebaut. Außerdem wird es in der Landwirtschaft in sehr großen Mengen umgesetzt. In der Folge erhalten rund 15 Prozent der Wasserwerke in Deutschland Grundwasser mit überhöhten Nitratgehalten oberhalb des Richtwerts von 25 Milligramm Nitrat pro Liter.

Eine Besonderheit des Grundwassers ist seine geringe Fließgeschwindigkeit. Während Rheinwasser typischerweise mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Sekunde zu Tal fließt, legt das Grundwasser zwischen Odenwald und Rhein etwa einen Meter pro Tag zurück. In der ungesättigten Bodenzone zwischen Erdoberfläche und Grundwasserspiegel bewegt es sich gar nur etwa einen Meter pro Jahr. Das bedeutet einerseits Schutz vor schneller Verschmutzung, andererseits dauert es entsprechend lange, bis ein einmal verschmutzter Grundwasserleiter wieder sauber ist. Deshalb sind aktive Maßnahmen zur Reinigung von Grundwasservorkommen sehr aufwendig.

Was läßt sich gegen die Verschmutzung der Grundwasserressourcen tun? Die wichtigste Maßnahme ist sicher, Einträge von Schadstoffen zu verhindern. Tanks aus teuersten Materialien hätten nur einen Bruchteil der Summe gekostet, die bis heute zur Sanierung von CKW-Schäden aufgewendet wurde. Wenn nun die Verschmutzung bereits eingetreten ist, sind grundsätzlich drei Strategien denkbar: Man wartet die Selbstreinigung ab und verwendet den Grundwasserleiter während dieser Zeit nicht für die Trinkwasserversorgung. Man beseitigt die Schadensherde, die durch großen Schadstoffvorrat und langsame Auslaugung lange Zeit eine Verschmutzungsquelle darstellen können und verkürzt so die Zeit, über die der verschmutzte Aquifer nicht genutzt werden kann. Als Maßnahmen kommen Aushub, Isolierung oder in- situ-Reinigung, zum Beispiel mit biologischen Maßnahmen, in Frage. Oder man reinigt das Grundwasser erst im Wasserwerk.

Die Arbeiten der Grundwassergruppe am Institut für Umweltphysik stehen in Zusammenhang mit den wissenschaftlichen Grundlagen für die Einschätzung der Selbstreinigung, für technische Reinigungsmaßnahmen und für präventiven Schutz. Im folgenden sollen drei konkrete Beispiele gegeben werden. Die ersten Verschmutzungen des Grundwassers durch chlorierte Kohlenwasserstoffe in Deutschland wurden Anfang der 80er Jahre im Raum Heidelberg-Mannheim entdeckt. CKW waren durch Leckagen als mit Wasser nicht mischbare Phase ins Grundwasser gesickert, dort gelöst und mit der Grundwasserströmung abtransportiert worden. Durch den ständigen Nachschub gelöster CKW bildete sich die für solche Schadensfälle typische "Fahne" aus. Die in der Folge ergriffenen Maßnahmen am Schadensherd schnitten den Nachschub ab. Dadurch löste sich die "Fahne" allmählich vom Schadensherd und verschwand in der Brunnengalerie des Wasserwerks Rheinau, wo sie durch Aktivkohlefiltration aus dem Wasser entfernt wurde. Diese "Fahne" ist eine der ersten in der Bundesrepublik, die durch natürliche Spülung wieder aus dem Grundwasserleiter entfernt wurde. Geht man davon aus, daß die Verschmutzung mit der Betriebsaufnahme des Verursachers um 1976 entstand, folgt für diesen Grundwasserleiter eine erforderliche Zeit von rund 20 Jahren, um auf natürliche Art und Weise den nicht nennenswert adsorbierenden Schadstoff auszutragen.

Man braucht aber nicht die Selbstreinigung abzuwarten, um abzuschätzen, wann sich die Grundwasserqualität verbessern wird. Die Selbstreinigungszeit von Aquiferen läßt sich auch durch Messung von Umweltisotopen bestimmen. Tritium zum Beispiel zeigt an, wie alt das Grundwasser ist und seit wann sich eine Wasserprobe darin aufhält.

Diese Methode haben wir auch auf den Aquifer im Rhein-Neckar- Raum angewandt. Er erhält im Bereich der "Fahne" sein Wasser im wesentlichen durch die Infiltration von Neckarwasser, das infolge von Tritiumabgaben der oberstrom von Heidelberg am Neckar gelegenen Kernkraftwerke eine erhöhte Tritiumkonzentration hat. Obwohl die Konzentrationen sehr gering und hygienisch irrelevant sind, erlauben sie doch eine deutliche Unterscheidung von Neckarinfiltrat und Regenwasser. Auch Regenwasser enthält Tritium, das aus den Atombombenversuchen der sechziger Jahre stammt. Wegen der beschränkten Halbwertszeit des Tritiums von rund zwölf Jahren sind die Konzentrationen jedoch gering gegenüber denen im Neckar. Wenn das Neckarwasser versickert, ist dessen Kontakt mit der Atmosphäre unterbunden. Deshalb kann das Zerfallsprodukt von Tritium, das Edelgasisotop Helium 3, nicht in die Atmosphäre entweichen, sondern verbleibt im Wasser und reichert sich mit der Zeit entsprechend dem Zerfall des Tritiums an. Das Verhältnis von Tritium zu Helium 3 ist von der Anfangskonzentration des Tritiums im Fluß unabhängig und nur eine Funktion der Fließzeit des betreffenden Wasserpakets seit Eintritt in den Grundwasserkörper. Das Institut für Umweltphysik verfügt über die meßtechnischen Möglichkeiten, um die Konzentrationen von Tritium und Helium 3 im Wasser dosimetrisch und massenspektrometrisch zu bestimmen. Flußwasser und "Landwasser" lassen sich natürlich auch anhand anderer Spurenstoffe unterscheiden, die "eingebaute Uhr" trägt jedoch nur Tritium mit sich.

In Gebieten, in denen die Grundwasserneubildung nur aus dem Niederschlag stammt, kann Tritium im Regenwasser zur Altersdatierung herangezogen werden. Auch andere, persistente Spurenstoffe in der Atmosphäre, wie fluorierte Chlorkohlenwasserstoffe, pausen sich in ihrem zeitlichen Anstieg über den versickernden Regen verzögert ins Grundwasser durch, und wir verwenden sie in anderen Forschungsprojekten des Instituts für Umweltphysik ebenfalls, um die mittlere Verweildauer des Wassers im Grundwasserleiter abzuschätzen. Diese Information ist nicht nur bei Schadensfällen an Industriestandorten wertvoll. Sie hilft auch zu ermitteln, wann die Einführung von Düngebeschränkungen oder Herbizidverboten in der Landwirtschaft an Trinkwasserfassungen wirksam werden wird.

Ein weiteres Forschungsgebiet unserer Arbeitsgruppe ist die biologische Bodenreinigung. Nicht alle Schadstoffe sind im Boden so mobil wie die gelösten CKW. Adsorption am Gestein eines Grundwasserleiters behindert den Transport von Stoffen wie Chlorphenolen, Benzol, Toluol und Xylol. Dadurch verlängern sich natürlich auch die Reinigungszeiten. Den Untergrund unter einem verschmutzten Firmengelände lediglich mit Wasser zu spülen, wird bei diesen Stoffen sehr ineffizient. Aushub und Reinigung des Bodens oder geotechnische Einkapselung sind Alternativen, wenn das zu reinigende Volumen relativ klein ist oder eine natürliche undurchlässige Tonschicht in geringer Tiefe vorliegt. Bei größeren Volumina und größerer Tiefe des Schadensherds werden in-situ-Sanierungsmaßnahmen eingesetzt.

Ein Verfahren, das die natürliche Selbstreinigung des Bodens unterstützt, ist die biologische in-situ-Reinigung. Die im Prinzip abbaubaren Ölverschmutzungen unter einer Raffinerie verschwinden nicht von selbst, weil Mikroorganismen außer dem zu zerlegenden Substrat ein Oxidationsmittel benötigen, einen terminalen Elektronenakzeptor. Im Grundwasser steht dafür natürlicherweise der in Oberflächennähe vorhandene gelöste Sauerstoff zur Verfügung, aber auch Nitrat, Sulfat und Eisen III kommen in Frage. Um ein Kilogramm Öl bakteriell zu "verbrennen", sind rund vier Kilogramm Sauerstoff erforderlich. Damit ist klar, daß bei den geringen Fließgeschwindigkeiten des Grundwassers und den durch die Sauerstofflöslichkeit begrenzten natürlichen Sauerstoffkonzentrationen ein Abbau von Vorräten im Umfang vieler Tonnen extrem lange dauert. In-situ-Verfahren beschleunigen den Vorgang durch künstliche Zugabe von Elektronenakzeptoren wie Sauerstoff oder Nitrat. Um solche Maßnahmen sinnvoll auszulegen, müssen die ablaufenden Prozesse verstanden werden, die durch Konkurrenz zwischen hydromechanischen und chemisch-biologischen Vorgängen gekennzeichnet sind. Dazu entwickeln wir mathematische Simulationsmodelle, die Transport und Reaktionen mehrerer wechselwirkender Stoffe im porösen Medium beschreiben. Eine Reinigungsmaßnahme kann zum Beispiel aus einem Infiltrationsbrunnen und einem Entnahmebrunnen bestehen. Bei homogenen Bodenverhältnissen bewegt sich der über den Infiltrationsbrunnen eingeleitete Sauerstoff in Form einer scharfen Front in den Bodenkörper. Wenn der stark adsorbierende Schadstoff abgereinigt ist, kann die Sauerstoff-Front weiterwandern. Die Bakterien wachsen am stärksten an der Front, wo sie gleichzeitig Substrat, also den Schadstoff, und den Elektronenakzeptor zur Verfügung haben. Die Bakterienfront "frißt" sich allmählich durch den verunreinigten Block hindurch, bis nach der Abreinigung Sauerstoff am Entnahmebrunnen durchbricht. Eine derart einfache Interpretation der Untergrundsituation wird den Beobachtungen jedoch nicht gerecht, denn Sedimentkörper sind heterogen. Infolge der Heterogenität bilden sich "Finger" aus, die rascher als im homogenen Modell zu einem Durchbruch von Sauerstoff im Entnahmebrunnen führen, während andere Bereiche noch lange nicht gereinigt sind. Dies verlängert in der Praxis die Sanierungszeiten stark und macht die Maßnahmen ineffizient. Da die Heterogenität des Bodens nicht explizit bekannt ist, müssen stochastische Methoden angewandt werden, um ein wahrscheinliches Verhalten des Bodens abzuschätzen. Der Ingenieur hat dann die Aufgabe, eine Maßnahme zu entwerfen, die robust ist, das heißt auch funktioniert, wenn die Vorgänge im tatsächlichen Grundwasserleiter vom gemittelten Verhalten abweichen.

Stochastische Methoden sind wegen der in ihrer genauen Struktur in der Regel unbekannten Heterogenität von Boden und Grundwasserleiter auch für den Grundwasserschutz ein nützliches Werkzeug. Als Beispiel soll die Belastung von Grundwasser mit Nitrat dienen, die derzeit wohl das größte Grundwassergüteproblem darstellt. Will man die Grundwasserqualität an einem Wasserwerksbrunnen durch Ausgleichszahlungen oder Geländekauf gezielt schützen, so muß man das Einzugsgebiet eines Brunnens kennen, um die finanziellen Mittel effizient einzusetzen. Das Einzugsgebiet ist die Fläche, von der aus ein versickernder Wassertropfen und darin gelöster Schadstoff den Brunnen erreichen kann. Wenn man einen Grundwasserleiter nicht überall gleich intensiv schützen kann, muß der Schutz zumindest im Einzugsgebiet eines Trinkwasserbrunnens oder einer Quelle gewährleistet sein. Grundsätzlich läßt sich das Einzugsgebiet aus der Verteilung der Grundwasserspiegelhöhen konstruieren. Ein Tropfen folgt dem Gefälle des Grundwasserspiegels wie ein Skifahrer, der dem steilsten Abstieg des Geländes folgend ins Tal abfährt. Kommt ein Wassertropfen im Brunnen an, so war sein Startpunkt im Einzugsgebiet des Brunnens enthalten. Da die Grundwasserspiegellagen nur an den Meßstellen bekannt sind, muß die gesamte Fläche interpoliert werden. Dies ist systematisch und unter Berücksichtigung des Fließgesetzes und der Kontinuität der Strömung mit numerischen Grundwasserströmungsmodellen möglich. Wir stellen das Einzugsgebiet dar, indem wir viele Wassertropfen starten, oder einfacher, die am Brunnenrand ankommenden Wassertropfen zurückverfolgen. Die Bestimmung ist aber nur dann zuverlässig, wenn die Untergrundverhältnisse nach Durchlässigkeit und Schichtenaufbau und die Grundwasserneubildungsrate sehr gut bekannt sind. Das ist in der Regel nicht der Fall. Andererseits kann bei Unsicherheit in den Parametern ein Einzugsgebiet stochastisch definiert werden. Wenn Durchlässigkeiten und Grundwasserneubildungsraten zwischen jeweils einem durch die Erfahrung vorgegebenen minimalen und maximalen Wert möglich sind, können durch Würfeln der beiden Werte in jeder Zone viele Grundwasserleiter erzeugt werden, die innerhalb der vorhandenen Unkenntnis gleichwertig sind. Wenn man für eine größere Anzahl von Realisationen die Einzugsgebiete berechnet und dann aus durchsichtiger Folie ausschneidet und aufeinanderlegt, ergibt sich eine Einzugsgebietsverteilung. Dort, wo zum Beispiel 95 Prozent der berechneten Einzugsgebiete überlappen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß der Ort zum tatsächlichen Einzugsgebiet gehört. Durch Vergleich mit Beobachtungen scheiden viele der ohne Information über die tatsächlichen Grundwasserhöhen zunächst theoretisch möglichen Realisationen aus. Dadurch verringert sich die Breite der resultierenden Verteilung von Einzugsgebieten, die Aussage über das Einzugsgebiet wird mit zunehmender Information sicherer. Natürlich verfügten wir im vorliegenden Fall von Anfang an über alle Informationen, aber der Erkenntnisprozeß läßt sich durch Ausblenden von Information nachvollziehen. Zum Schutz eines Wasserwerksbrunnens muß in der Praxis entschieden werden, auf welche Wahrscheinlichkeitszone der Verteilung sich die Maßnahmen beschränken sollen. In diese Entscheidung gehen dann auch ökonomische Gesichtspunkte ein.

Trotz der akuten Gefährdung vieler Grundwasservorkommen ist unser Trinkwasser das sicherste und bestuntersuchte Lebensmittel. Es ist auch kein wirklicher Trinkwassernotstand abzusehen. Man vergegenwärtige sich nur, daß lediglich ein verschwindend geringer Teil des mittleren Tagesverbrauchs von 150 Litern pro Einwohner wirklich getrunken wird. Erfrischungsgetränke kaufen wir zumeist in Flaschen. Solange wir uns den Luxus leisten, unsere Autos mit Trinkwasser zu waschen und unsere Toiletten mit Trinkwasser zu spülen, kann von einem Notstand nicht die Rede sein. Zudem haben Wasserwerke heutzutage die technischen Möglichkeiten, fast jedes Rohwasser in Trinkwasser umzuwandeln.

Es gibt trotzdem gute Gründe, warum wir weiterhin in die Sauberkeit der Grundwasserressource investieren sollten. Der Hauptgrund für die starke Nutzung des Grundwassers ist seine traditionelle Sauberkeit, die eine Aufbereitung unnötig macht. Insofern ist eine wiederhergestellte Grundwasserressource wiederum eine kostengünstige Trinkwasserquelle, die die Investitionen zurückzahlt. Auch ist das im Boden mit einem natürlichen Spektrum von Mineralien angereicherte Wasser einem "technischen Produkt" aus der Trinkwasseraufbereitung vorzuziehen. Grundwasser ist besser geschützt als Oberflächenwasser und kann nicht so schnell verschmutzt werden, wie am Tschernobyl-Unfall zu sehen war. Und selbst wenn eine Aufbereitung nötig wird, ist nur mit einem oder wenigen gut bekannten Stoffen belastetes Grundwasser immer noch besser als beispielsweise Rheinwasser, das mit hunderten von unbekannten Substanzen belastet ist. Auch unabhängig von der Trinkwasserproblematik gibt es Grund, die Entwicklung der Ressource mit Sorge zu betrachten. Die Qualität des Grundwassers spiegelt nämlich den Zustand unserer Böden wider, die als eines der volumenmäßig kleinsten Kompartimente unserer Umwelt praktisch die gesamte Nahrungsmittelproduktion beherbergen.

Eine volkswirtschaftlich sinnvolle Investition in die Grundwasserqualität muß die physikalischen Grenzen der Reinigung berücksichtigen. Diffus verbreitete Verschmutzungen lassen sich nicht mehr effizient entfernen. Hier kann im Grunde nur die Selbstreinigung des Aquifers abgewartet werden. Dagegen ist es sinnvoll, konzentrierte Schadstoffquellen zu beseitigen oder sicher zu isolieren. Hier lohnt auch die Weiterentwicklung von kostengünstigen Techniken in-situ und ex-situ. Auf jeden Fall müssen neue Einträge durch konsequenten Schutz im gesamten Einzugsgebiet von Wasserwerksbrunnen in Zukunft vermieden werden. Die Vergangenheit zeigt, daß für solche Maßnahmen die Kosteneffizienz am höchsten ist. Dabei sollte es nicht nur darum gehen, den Eintrag vorhandener Schadstoffe zu vermeiden, Schutz muß auch den Ersatz von persistenten wassergefährdenden Massenchemikalien durch umweltfreundlichere Produkte umfassen.

Autor:
Prof. Dr. Wolfgang Kinzelbach
Institut für Umweltphysik, Im Neuenheimer Feld 366, 69120 Heidelberg,
Telefon (06221) 56 33 52

Seitenbearbeiter: Email
zum Seitenanfang