Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Editorial (ueber "Forschungsprojekte 1993" und Gopher)

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wissenschaft lebt von der Kommunikation. Was sich Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Dieter Spöri als vorrangiges Ziel ins Programm geschrieben hat, die Einrichtung von Datenautobahnen, ist in den Wissenschaften bereits Realität - auch wenn noch nicht alle Strecken mit Höchstgeschwindigkeit "befahrbar" sind. Über Internet kommunizieren Wissenschaftler weltweit miteinander, tauschen in Sekundenschnelle Informationen aus. Ganze Zeitschriften existieren nur noch auf dem Bildschirm, zum Beispiel in der Mathematik. Und die elektronischen Medien könnten die Forschungsmöglichkeiten drastisch verbessern, meint einer der Herausgeber des renommierten "Journal of the American Mathematical Society", Andrew Odlyzko. Glaubt man seinen Visionen, wie die Frankfurter Allgemeine am 22. Juni 1994 schreibt, werden Wissenschaftler künftig ihre Arbeit zunächst an eine Datenbank schicken, wo sie jeder einsehen und Kritik äußern kann.

Dem Trend zum digitalisierten Datenaustausch trägt die Universität Heidelberg Rechnung, indem sie als erste Hochschule Baden- Württembergs ihren Forschungsbericht "Forschungsprojekte 1993" auf dem Internet zur Verfügung stellt. Unter Gopher.URZ.Uni-Heidelberg.de können Wissenschaftler aus aller Welt erfragen, wer an der Ruprecht- Karls-Universität zu welchem Thema arbeitet. In Deutsch und Englisch erhalten sie on-line eine Beschreibung des Forschungsprojekts sowie Namen und Telefonnummer des Projektleiters. Außerdem informiert die Datenbank über die beteiligten Wissenschaftler und bestehende Kooperationen mit anderen Universitäten und die Laufzeit des Projekts; demnächst auch über Kostenträger und technische Ausstattung. Das elektronische Netz bietet umfassendere Informationen zu den einzelnen Projekten als der gedruckte 700seitige Bericht. Neben den Einzelprojekten stellen sich alle Institute, Seminare und Kliniken mit einem "Institutsprofil" vor.

Der Forschungsbericht dokumentiert schwerpunktmäßig die aktuellen laufenden Arbeiten. Damit wird einerseits die Tätigkeit der Heidelberger Wissenschaftler für die Öffentlichkeit transparent. Auf der anderen Seite erhalten auswärtige Interessenten aus Forschung, Politik und Industrie leichter Zugang zum wissenschaftlichen Potential der Universität. Die Vorteile des Datennetzes sind augenfällig: Es beschleunigt den Informationsfluß und könnte damit auch helfen, nützliche Erkenntnisse aus der Forschung schneller in die Praxis fließen zu lassen. Zudem soll es Kooperationen und interdisziplinäre Kontakte anregen. Synergieeffekte könnten genutzt werden.

Basis des Forschungsberichts ist eine Datenbank, die seit Sommer vergangenen Jahres erstellt und in Zukunft laufend aktualisiert wird. Michael Hebgen machte die mehr als 7000 Projektfragebögen im DGopherspace" zugänglich. Im Rechenzentrum der Universität adaptierte er Gopher, ein Benutzer-Server-Protokoll, das nach dem Wappentier der Universität Minnesota, dem Ziesel, benannt ist. Dort wurde das Protokoll für die Suche verteilter Dokumente im Jahr 1991 entwickelt. Der Mathematiker war bemüht, den Suchdienst im Datennetz benutzerfreundlich zu gestalten. Verschiedene Menüpunkte sind hierarchisch logische Zeiger auf weitere Menüs. Am Ende jeder Zeigerkette steht der gesuchte Datenfile. Gopher vereinigt die Informationen von über 500 öffentlichen Servern zu einer einzigen riesigen, verteilten Datenbank. Für den Benutzer ist es daher unerheblich, an welcher Stelle in der Welt der "Ziesel" sich die gesuchten Angaben befinden. Er kann zum Beispiel von Heidelberg aus ebensogut Kooperationspartner vor Ort finden wie in Australien, den USA oder sagen wir in Sankt Petersburg. Umgekehrt wird sein Kollege im Ausland auf die Aktivität der Heidelberger Wissenschaftler stoßen. Fachspezifische Sammlungen erleichtern es, im Heidelberger Gopher die gewünschten Informationen aufzufinden. Sowohl die Suche nach Dozentennamen als auch nach Titeln ist möglich. Volltexte sind ebenfalls gespeichert, und sogar nach Stichworten in einem Text kann man suchen. Nacht für Nacht werden die Schlagwortverzeichnisse aktualisiert. Der Nutzen von Gopher steht und fällt mit einer sinnfälligen Strukturierung und Qualitätskontrolle der eingespeisten Informationen.

Die weltumspannenden Datenreisen sind für die Wissenschaftler kostenfrei und sehr beliebt. Allein in den ersten drei Wochen wurde die Forschungsdatenbank 2052 mal befragt. Insgesamt registrierte das Rechenzentrum allein im Monat Mai fast 150000 Zugriffe auf Gopher von 5000 Rechnern, davon mehr als 3800 aus dem Ausland. Historiker nahmen die elektronischen Suchmöglichkeiten am häufigsten in Anspruch. An zweiter Stelle in der Beliebtheitsskala folgt der Studienführer der Uni Heidelberg. Übrigens können Sie auch die Ruperto Carola als Volltext auf ihren Bildschirm ordern, und wenn Sie uns schreiben wollen: Unsere e-mail-Adresse ist: A29@mvs.urz.uni-heidelberg.de.

Seitenbearbeiter: Email
zum Seitenanfang