Warum Haut Blasen schlägt
Die menschliche Haut ist aus verschiedenen Schichten aufgebaut, wobei der obere Teil, die Epidermis, von Keratinozyten gebildet wird. Spezielle Verbindungsstrukturen zwischen den Zellen sind wesentlich für die mechanische Stabilität der Epidermis. Bei bestimmten Hauterkrankungen kann die Funktion dieser Verbindungsstrukturen gestört sein, dies manifestiert sich in der Bildung von Hautblasen.
Bei den sogenannten Autoimmunerkrankungen richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen; unter anderem können Autoantikörper gegen die erwähnten Verbindungsstrukturen der Oberhaut gerichtet sein. Die daraus resultierenden Erkrankungen werden als ,blasenbildende Autoimmunerkrankungen" bezeichnet, dazu gehören ,Pemphigus vulgaris" und ,bullöses Pemphigoid". Antikörper allein können jedoch keine Blasen auslösen. Es bestehen Hinweise darauf, daß der enzymatische Abbau der Verbindungsstrukturen für die Blasenbildung notwendig ist. Damit beschäftigt sich die im folgenden vorgestellte Forschungsarbeit, die mit einem Sandoz-Forschungsstipendium ausgezeichnet worden ist.
Die Krankheitsbilder aus der Gruppe der bullösen Dermatosen - der blasenbildenden Hauterkrankungen - beruhen im wesentlichen darauf, daß intraepidermale oder dermo-epidermale Verbindungsstrukturen in ihrer Funktion gestört werden. Diese Verbindungsstrukturen sind für die mechanische Kohärenz der Epidermis verantwortlich. Die Hemidesmosomen, spezialisierte Strukturen der basalen Keratinozyten, vermitteln über die Basalmembran die Anbindung der Epidermis an die Dermis. Die sogenannten Desmosomen sind für die intraepidermale Verbindung verantwortlich. Eine häufige autoimmunologisch ausgelöste bullöse Dermatose, das bullöse Pemphigoid, ist durch die Bildung subepidermaler Blasen charakterisiert. Die Erkrankung ist kategorisch mit Autoantikörpern assoziiert, die gegen die Hemidesmosomen gerichtet sind. In läsionaler Haut finden sich lineare Ablagerungen von Basalmembran. Die Interaktion zwischen Autoantikörper und Zielantigen, dem Hemidesmosom, wird von der lokalen Aktivierung des Komplementsystems gefolgt; letzteres wird durch die Bildung des terminalen Komplementkomplexes C5b-9 angezeigt.
Eine Reihe von Befunden weist darauf hin, daß die Autoantikörper und aktivierten Komplementkomponenten alleine für die lokale Gewebsdestruktion nicht verantwortlich gemacht werden können. Es bestehen Hinweise darauf, daß proteolytische Enzyme, insbesondere Plasmin für die dermo-epidermale Dyshäsion mitverantwortlich sind, sei es, daß sie Proteinbestandteile der Hemidesmosomen abbauen oder aber daß sie Liganden im Extrazellularraum abbauen.
Plasmin, die zentrale proteolytische Komponente des Plasminogen- Aktivatorsystems, wird aus dem im Plasma und der interstitiellen Flüssigkeit ubiquitär vorliegenden Vorläuferenzym Plasminogen, durch sogenannte Plasminogen-Aktivatoren gebildet. Es werden zwei Typen von Plasminogen-Aktivatoren unterschieden: Urokinase- Typ Plasminogen-Aktivator (uPA) und Gewebe-Typ Plasminogen- Aktivator (tPA). Beide Plasminogen-Aktivatoren bewirken über limitierte Proteolyse eine Umwandlung von Plasminogen in Plasmin.
Plasmin hat eine relativ breite, sogenannte ,trypsinähnliche" Spaltspezifität und ist in der Lage, eine Reihe von extrazellulären Matrixproteinen umzusetzen. Die Proteinasen des Plasminogen-Aktivatorsystems unterliegen der Regulation durch spezifische Proteinaseinhibitoren. Die Plasminogen-Aktivatoren stehen unter der Kontrolle sogenannter Plasminogen-Aktivator- Inhibitoren (PAI). Bei den PAIs werden die beiden Typen PAI-1 und PAI-2 unterschieden. Aktives Plasmin wird in erster Linie durch seinen spezifischen Inhibitor a2-Antiplasmin reguliert; bei lokaler Erschöpfung der a2-Antiplasmin-Reserven wird Plasmin durch den relativ breit wirkenden Proteaseinhibitor a2- Makroglobulin inhibiert. Unsere Untersuchungen erfolgten unter dem Verdacht, daß das Plasminogen-Aktivatorsystem beim bullösen Pemphigoid beteiligt ist. Es stellte sich daher die Frage, wie das Plasminogen-Aktivatorsystem in läsionaler Epidermis beim bullösen Pemphigoid organisiert ist und ob es überhaupt Hinweise dafür gibt, daß in läsionaler Haut Aktivierung des Systems bis zum aktiven Plasmin erfolgt.
Immunhistologisch war in läsionaler Epidermis Plasmin(ogen) angereichert. Die Keratinozyten-assoziierten Plasmin(ogen)- Ablagerungen fanden sich bereits bei in Entstehung befindlichen Blasen, voll ausgeprägt waren die Ablagerungen bei den manifesten Hautblasen; normale Haut hingegen war unauffällig. Bei diesem rein morphologischen Befund ist jedoch unklar, ob eine Aktivierung des lokal angereicherten Plasminogens stattfindet. Da in läsionaler Epidermis beim bullösen Pemphigoid, nicht jedoch in gesunder Haut, Plasminogen- Aktivatoren nachgewiesen wurden, ist eine Plasminogenaktivierung wahrscheinlich. Zur Überprüfung dieser Annahme wurde Hautblasenflüssigkeit bei Patienten mit bullösen Pemphigoid aspiriert; als Kontrolle diente der Inhalt sogenannter Saugblasen, die auf gesunder Haut induziert wurden. Die Blasenflüssigkeiten wurden funktionell mit Hilfe eines Plasmin- spezifischen chromogenen Peptidsubstrats untersucht. In der Blasenflüssigkeit vom bullösen Pemphigoid, nicht jedoch in der Saugblasenflüssigkeit wurde deutliche Plasminaktivität nachgewiesen. Chromatographische Versuchsansätze in Verbindung mit funktionellen Testen bzw. spezifischen immunologischen Untersuchungen ergaben, daß diese Aktivität nicht auf freies Plasmin, sondern auf Plasmin/a2-Makroglobulin Komplexe zurückzuführen war. Plasmin im Komplex mit a2-Makroglobulin wird sterisch an der Umsetzung hochmolekularer Substrate gehindert, das zum Nachweis verwendete niedermolekulare Plasminsubstrat kann jedoch nach wie vor gespalten werden. Komplexe mit dem spezifischen Inhibitor a2-Antiplasmin wurden in der Blasenflüssigkeit vom bullösen Pemphigoid, nicht jedoch in Saugblasenflüssigkeit nachgewiesen. Die Plasmin/a2-Antiplasmin Komplexe wurden mit in einem ELISA bestimmt, bei dem der festphasengebundene ,Fänger"-Antikörper Spezifität für a2- Antiplasmin besitzt, während der Detektorantikörper Spezifität für Plasmin(ogen) aufweist. Im Plasma oder der interstitiellen Flüssigkeit frei vorliegendes Plasmin wird sofort durch die im Überschuß vorliegenden spezifischen Inhibitoren komplexiert. Der Nachweis entsprechender Reaktionsprodukte (Plasmin/a2- Antiplasmin und Plasmin/a2-Makroglobulin Komplexe) in der natürlichen Blasenflüssigkeit weist also darauf hin, daß im Laufe der Blasenbildung aktives Plasmin gebildet wurde. Nachdem wir zeigen konnten, daß das lokal angereicherte Plasminogen zu Plasmin aktiviert wird, stellt sich die Frage, ob Mechanismen existieren, die die Plasminaktivität an die Stelle der relevanten Läsion fokussieren können. In diesem Zusammenhang soll geprüft werden, (i) ob eine Interaktion zwischen Autoantikörpern beziehungsweise aktivierten Komplementkomponenten und dem Plasminogen-Aktivatorsystem stattfindet, (ii) ob der terminale Komplementkomplex C5b-9 eine Reaktionsoberfläche für die Plasminogenaktivierung bieten kann.
Autor:
Dr. rer. nat. Jeanette Reinartz
Institut für Immunologie und
Serologie