Bremsspuren im Verwaltungsklosett

In Univerwaltung und Studentenwerk ist alles streng geregelt: Es gibt Vorschriften für das Aufhängen von Plakaten, das Verteilen von Flyern und die Raumnutzung – Studentisches Engagement wird dabei von bürokratischen Hürden ausgebremst

Weniger Bürokratie, mehr Lebensfreude. Graffiti in Heidelberg.

»Stop – keine Werbung« heißt es in Heidelbergs Mensen, das teilen Schilder des Studentenwerks überall mit. Möchte eine studentische Gruppe Plakate aufhängen um auf ihre Veranstaltungen aufmerksam zu machen, ein Theaterstück anzukündigen, zu einem Vortag einzuladen, so gilt auch für sie erstmal »Stop – Keine Werbung«.

Natürlich könnten studentische Gruppen auf ihre Veranstaltungen hinweisen, sagt Bianca Fasiello, Sprecherin des Studentenwerks. Bei ihr im Büro müssten die Plakate abgegeben werden, sie würden dann aufgehängt, nicht im Marstall und nur eins in der Triplex, mehrere hingegen im Neuenheimer Feld. Auch auf den Mensabildschirmen zeigte das Studentenwerk als pdf eingereichte Veranstaltungshinweise. So zum Beispiel für das Campus Camp.

Doch nicht alle abgegebenen Plakate schaffen es in die Mensen. Die Gruppe schwarzweiss lud am 10 Juni zu einer Lesung. »Uns wurde versichert, dass unsere Plakate im Marstall und in der Triplex aufgehängt würden, beides ist nicht geschehen«, sagt Christiane Bürger von schwarzweiss. »Außerdem gibt es nur eine Wand in der gesamten Altstadt, an der das Studentenwerk Plakate von Studierendengruppen aufhängt und die ist sehr voll und unübersichtlich.«

Perfekt platziert hingegen die Hinweise auf Veranstaltungen des Studentenwerks. Das »bunte Studentische Leben«, womit sich das Studentenwerk rühmt, wird scheinbar am besten von den eigenen MitarbeiterInnen organisiert, studentische Veranstaltungen landen an der Abstellwand. Ähnlich sieht es das Studentenwerk mit der Campus-Presse, so dürfen weder UNiMUT, noch Ruprecht im Marstall ausliegen. Die VerteilerIn im Marstallhof wird darauf hingewiesen, dass sie sich auf Privatgelände befände. Studierendenzeitungen dürfen in dieser Mensa nicht verteilt werden. Dafür gibt es die Zeit-Campus zum Kaffee und die Campus HD darf sogar im Marstall liegen.

»Stop – Keine Werbung« gilt nicht für Aldi, McKinsey, Microsoft und co.

Auch in den prominent platzierten Plakatrahmen ist nie ein studentisches Plakat zu finden. Hier tummeln sich Aldi, McKinsey, Microsoft und co. Für sie gilt nicht »Stop – Keine Werbung«. »Studentische Gruppen haben ganz klar Vorrang« vor kommerzieller Werbung, sagt Bianca Fasiello. Nur hier nicht, »da es sich bei den Rahmen nicht um das Eigentum des Studentenwerks handelt.« Sie wurden von der Firma United Ambient Media AG angebracht. Die dürfen Werbung aufhängen, aber nur weil sie sich »an den Herstellkosten für Campus HD beteiligen«. Die Campus HD ist das Organ des Studentenauswerks, das allerdings so voll mit Werbung ist, dass schwer ersichtlich ist, wo noch Herstellkosten entstehen sollten.

Neuerdings heißt es: »Aus ästhetischen Gründen haben wir die Plakatrahmen reduziert.« Statt dessen kommen die Unternehmen direkt in die Mensa. Die Information der AOK sei ein »Service für Studierende«, ebenso die hippen Menschen von Apple die das neue Mac-Book vorführen: »Service«. Regelmäßig finden sich Unternehmensvertretungen mit ihren »Infoständen« in der Triplex.

»Die Befragung in der Mensa diente der Erfassung der Bank-Vorlieben von Studierenden«

Anfang Juni befragte ein fünfköpfiges Team der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM) die Studierenden auf dem Weg zur Mittagspause. Der sechsseitige Fragebogen diente der Erfassung der Bank-Vorlieben von Studierenden und sollte der H+G Bank helfen ihre »Junge Filiale« zu konzipieren. Mit dem Studentenwerk sei die Befragung abgesprochen, man arbeite sehr gut zusammen, hieß es. Auf Anfrage gab das Studentenwerk keine Auskunft darüber, warum und wie häufig es der GIM erlaubt, Befragungen in der Mensa durchzuführen.

 

Raumnutzung für studentische Projekte

Auch die Uni nimmt es nicht so wichtig mit der Förderung studentischer Gruppen. Prinzipiell ist es jeder StudentIn möglich, universitäre Räume kostenlos zu nutzen, wenn er oder sie eine Veranstaltung organisieren möchte. Blöd ist nur, wenn die Veranstaltung in Konkurrenz zur Jubiläumswoche steht. Sind doch alle DozentInnen der Uni angehalten, ihre Veranstaltungen in dieser Woche ausfallen zu lassen, damit die Feierlichkeiten der Uni auch besucht werden. Daher dürfen auch keine Räume an Studierendengruppen vergeben werden. Sarah Bruckmann organisiert einen Vortrag über die Patentvergabe universitärer Medizin-Forschung. In der ganzen Altstadt bekam sie keinen Raum. »In unserer Jubiläumsfestwoche darf ich keine zusätzlichen Veranstaltungen unterbringen«, teilte ihr Frau Stier von der Universitätsverwaltung mit.

»Wir zahlen als einziges Uni-Kino deutschlandweit für die Raumnutzung«

Auch das Uni-Kino nutzt universitäre Räume, einen Abend die Woche einen Hörsaal der Neuen Uni. Die Verwaltung berechnet dafür 78 Euro die Woche, 26 Euro pro Stunde für den Hausmeister. »Auch wenn die Neue Uni sowieso geöffnet ist, wenn nebenan der Uni-Chor probt, zahlen wir – als einziges Uni-Kino deutschlandweit – für die Raumnutzung«, sagt Jelena Adams vom Uni-Kino.

Die Theatergruppe Vogelfrei braucht keine Räume, sie spielt draußen. Doch verkauft sie in den Vorstellungspausen Getränke. Damit diese kühl sind, steht seit jeher ein Bierwagen auf dem institutseigenen Parkplatz. Der Platz wird sowieso nicht genutzt und das Germanistische Seminar lässt den vogelfreien Wagen gerne dort stehen. Seit diesem Semester berechnet die Univerwaltung 50 Euro für die Parkplatznutzung. Vogelfrei bezahlt, in Bar bei Frau Schäfer und mit Geld aus dem Studiengebührentopf der Germanistik.

Um Plakate in der neuen Uni aufzuhängen, ist eine Genehmigung erforderlich. Aufgehängt wird auch nur eins. Die Infowand für Studierende fiel der »Renovierung und Modernisierung der Neuen Uni« zum Opfer. Für ihre eigenen Sachen wirbt die Uni dafür umso prominenter. Da kann man auch schon mal die gesamte Fassade der Neuen Uni nutzen.

In der Woche vor dem Heidelberger BürgerInnenentscheid über die Stadthallenerweiterung im Sommer 2010 ließ die Uni Plakate der BefürworterInnen im Eingangsbereich der Neuen Uni aufstellen. Auf Anfrage von UNiMUT erklärte Marietta Fuhrmann-Koch, Marketing-Beauftragte der Uni, das Rektorat habe sich »inhaltlich positioniert und überdies einer  Informationsveranstaltung in den Räumen der Neuen Universität zugestimmt. « Dies falle »nicht unter Werbung für Parteien«, so Fuhrmann-Koch.

Nina Marie Bust-Bartels

 

 

erschienen in un!mut no. 212: Alles sauber. Die Jubeleumsausgabe vom 19. Juni 2011

Letzte Änderung: 20.03.2012
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