Wirtschaftslogik an der Universität

Die deregulierte Hochschule

‚Die deregulierte Hochschule‘ ist zwar nur ein singuläres Projekt, das für fünf Hochschulen (Uni Heidelberg, Uni Göttingen, TU München, TU Darmstadt und TU Dresden) gilt, gleichzeitig ist es aber auch ein Symptom für die Entwicklung der Hochschullandschaft überhaupt, nicht umsonst heißen die fünf Hochschulen „Modellhochschulen“. Möglich gemacht wurde die Umsetzung dieses Projekts durch die gravierenden Änderungen der Landeshochschulgesetze (LHG) 2002, die den Staat zunehmend aus der Verantwortung nahmen. Die Idee zu ‚Die deregulierte Hochschule‘ ist bereits aus der Arbeit von ‚Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft‘ und ‚Heinz Nixdorf Stiftung‘ 1994 im Zuge eines Symposiums mit dem Titel „Hochschulreform durch Leistungswettbewerb und Privatisierung?“ entstanden, konnte aber bis zu den Änderungen der LHG nicht umgesetzt werden. Hauptpunkte waren damals wie heute, den Leistungswettbewerb der Hochschulen als Ordnungsprinzip festzusetzen und Hochschulen wie Wirtschaftsbetriebe agieren zu lassen. 2,5 Millionen Euro ist es dem ‚Stifterverband‘ und der ‚Heinz Nixdorf Stiftung‘ wert, die fünf Hochschulen „bei ihrer Entwicklung zu autonomen Institutionen zu unterstützen“.

Grafik: Anteil der Mittel aus der Wirtschaft an den gesamten Forschungsaufwendungen der Hochschulen in DeutschlandVon Autonomie – griechisch autónomos, sich selbst Gesetze gebend – im vollen Wortsinne kann man hierbei jedoch kaum sprechen: Zwar soll die Universität unabhängig von staatlichen Interessen agieren können, doch nicht von wirtschaftlichen. Vielmehr soll die Hochschule einer wirtschaftlichen Logik der Effizienz, Gewinnmaximierung und  Wertschöpfung von Wissen unterworfen werden, also einer Fremdgesetzgebung: das ist – und jetzt im vollen Wortsinne – Heteronomie.

In den Leitlinien des Projekts ‚Die deregulierte Hochschule‘ ist von einem „Paradigmenwechsel hin zu einer stärkeren Transfer- und Produktorientierung bzw. kommerziellen Verwertung von Forschungsergebnissen“ die Rede; dies bedeutet, dass Wissenschaft und Forschung nicht mehr frei sein, sondern immer auf einen Zweck und Nutzen hin ausgerichtet werden sollen. Das Wesen von Wissenschaft besteht aber gerade darin, dass vorher noch nicht klar ist, zu welchen Ergebnissen Forschen führt, geschweige denn, was dessen Zweck sein wird. Durch die „Erschließung externer Finanzquellen“ aus der Privatwirtschaft, wächst auch der Einfluss derselben auf die Forschung, der dann nur noch eine zweckgebundene Förderung zuteil wird.

Die Leitlinien für ‚Die deregulierte Hochschule‘ empfehlen weiter, die Hochschulen über die Höhe ihrer Studiengebühren frei entscheiden zu lassen: „Differenzierte Studienbeiträge sind ein elementares Instrument im Wettbewerb um Studienqualität“. Bildung soll demnach zu einem käuflichen Gut werden, das man in verschiedenen Qualitätsklassen erwerben kann. An welcher Uni und welches Fach man in Zukunft studiert, wird wohl eher der Geldbeutel oder die Kreditwürdigkeit/-freudigkeit entscheiden, als Interesse und Fähigkeiten.

Die Vorstellung, dass Menschen von Natur aus arbeitsscheu sind und durch äußere Lock- und Zwangsmittel in ihrer Leistungsfähigkeit gestärkt werden müssen, schlägt sich nicht nur in den ‚neuen‘ BA/MA Studiengängen (Zwang durch Kontrolle als Prinzip) für die Studierenden nieder, sondern auch für die Lehrenden anhand der ‚neuen‘ Arbeitsverträge. ‚Die deregulierte Hochschule‘ setzt in ihrem „Kodex guter Führung“ (wie sie die Leitlinien selbst nennen) auf eine „Flexibilisierung des Dienst- und Besoldungsrechts und eine Differenzierung durch Leistungszulagen“. Lehrende bekommen bereits in der Praxis meist nur noch einen Sockelvertrag, der durch Leistungszulagen aufgestockt werden kann (Belohnung als Prinzip). Solche Leistungszulagen, die meist als Vorschuss (also Schulden) ausbezahlt werden, sind etwa die Verpflichtung soundsoviel Bücher in soundsovielen Jahren zu schreiben oder das Eintreiben von Drittmitteln in beträchtlicher Höhe.
 

Die Struktur der Hochschulpolitik

Skizze zur Struktur Hochschulpolitik, copyright: Janina ReiboldDer Wissenschaftsrat berät die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung.“ Der Wissenschaftsrat bestimmt und entwickelt maßgeblich die Hochschulpolitik in der Bundesrepublik und ist verantwortlich für alle wesentlichen hochschulpolitischen Veränderungen der letzten Jahre, wie  die (versuchte) Durchsetzung von Studiengebühren in allen Bundesländern, den Wettbewerb der Hochschulen im Zuge der Exzellenzinitiative oder neuerdings den Zwang zu Open Access für WissenschaftlerInnen. Gleichzeitig unterliegt der Wissenschaftsrat durch den Rechtskniff des beratenden Gremiums jedoch nicht dem Informationsfreiheitsgesetz (vgl. hierzu UNiMUT 04/09), muss also keine Rechenschaft über seine Tätigkeiten abgeben. Hinzu kommt, dass der Wissenschaftsrat zu 50% aus jenen Mitgliedern besteht, die er eigentlich beraten soll: den Kultusministern der Länder und ihren Staatssekretären – die sich nun selbst beraten; vielleicht aber auch eine (scheinbare) politische Legitimation von einem ‚höher‘ gestellten Gremium für ihre politische Praxis schaffen wollen.

Diese Ministerien ernennen nun wiederum die Mitglieder der Hochschul-/Uniräte, die zu einem Großteil aus außeruniversitären Vertretern aus Wirtschaft und Politik zusammengesetzt werden. Dieser Hochschulrat soll „anstelle des Staates“ (so heißt es in den Leitlinien der ‚deregulierten Hochschule‘) die Aufsicht über das Rektorat übernehmen, welches er nach dem neuen LHG selbst personal ernannt hat (früher wurde das Rektorat noch vom Senat der Hochschule gewählt).

Das Rektorat – gedacht als Firmenchef – hat wiederum seit der Überarbeitung des LHG quasi diktatorische Vollmachten über die Beschlüsse des Senats. Eine demokratische Struktur der Hochschulen gibt es seit der Überarbeitung der Landeshochschulgesetze nicht mehr: Die Entscheidungskompetenzen akademischer Selbstverwaltungsgremien, wie dem Senat, wurden durch eine hierarchisch strukturierte Steuerung des Rektorats und des Hochschulrats (der aus außeruniversitären Vertretern von Wirtschaft und Politik besteht) ersetzt.

von Janina Reibold

 

erschienen in un!mut no. 199: Themenheft Bildungsstreik vom 2. Juli 2009

Letzte Änderung: 26.08.2012
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