Nicht mehr nur Flüchtling sein
Syrische Studierende werden am Internationalen Studienzentrum auf ein Studium in Deutschland vorbereitet
»Ich bin ja jetzt Student und kein Flüchtling mehr.« Abdulhamid Alsalhani, der aus Damaskus stammt, hadert ein wenig mit seinem Status. Wie auch Sarah Shammaa aus Aleppo arbeitet er nach der Ankunft in Deutschland gerade an seiner Zukunft. Gemeinsam mit acht weiteren Stipendiaten des Landes Baden-Württemberg werden die beiden derzeit am Internationalen Studienzentrum (ISZ) der Universität Heidelberg sprachlich und fachlich auf ein Studium in Deutschland vorbereitet.
Insgesamt 50 dieser Stipendien für syrische Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr vom Land in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) vergeben. Die zehn Stipendiatinnen und Stipendiaten unter ihnen, die am ISZ ausgebildet werden und gleichzeitig als Studierende an der Ruperto Carola immatrikuliert sind, profitieren dabei von der breiten Ausrichtung des Heidelberger Kollegs: »Viele vergleichbare Einrichtungen in Deutschland sind reine Studienkollegs. Das ISZ aber verfügt außerdem über das Kolleg für deutsche Sprache und Kultur und bietet nicht nur die klassischen Schwerpunktkurse des Studienkollegs an, sondern auch propädeutische Vorsemester und eben auch Deutschkurse«, betont Monika Gardt, die Kommissarische Direktorin des Internationalen Studienzentrums. Und dafür werden am ISZ und anderswo bald noch mehr Plätze zur Verfügung stehen, denn das Bundesministerium für Bildung und Forschung möchte mit einer entsprechenden Fördermaßnahme Flüchtlingen den Zugang zum Studium erleichtern – Bildung als Schlüssel für die Integration, lautet die Devise.
Die Bereitschaft der syrischen Studentinnen und Studenten, sich auf etwas Neues einzulassen, schätzt Monika Gardt generell sehr hoch ein. Manchmal muss sie die Stipendiaten allerdings zur Geduld ermahnen: »Viele von ihnen haben – verständlicherweise – das Gefühl, aufgrund der politischen Umstände und der Flucht viel Zeit verloren zu haben.« Doch insbesondere das Erlernen der deutschen Sprache, so die Leiterin des Internationalen Studienzentrums, braucht seine Zeit, zumal wenn es nicht nur darum geht, sich im Alltag zu verständigen, sondern ein Studium zu absolvieren. In diesem Zusammenhang ist es von großem Vorteil, so ISZ-Dozent Dirk Geissler, dass der Unterricht hier gemeinsam mit anderen Studieninteressierten aus aller Welt erfolgt und nicht getrennt: »Es hilft, wenn man sieht, dass der Kommilitone aus Argentinien bei einer bestimmten Grammatiklektion die gleichen Schwierigkeiten hat wie man selbst.«
Abdulhamid Alsalhani und Sarah Shammaa haben bereits in ihrer Heimat ein Bachelorstudium absolviert – er in Jura, sie in Anglistik. Im Zuge ihrer Flucht nach Deutschland hat es sie jeweils in kleine Orte nach Süddeutschland verschlagen. Die Erfahrungen, die sie dabei gemacht haben, sind durchweg positiv. Beide berichten davon, dass sie vielfältige Unterstützung erhalten haben und dafür sehr dankbar sind. Abdulhamid Alsalhani möchte, sobald er seine Vorbereitung auf das Fachstudium abgeschlossen hat, ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Mannheim aufnehmen. Sarah Shammaas Ziel ist es, Übersetzungswissenschaften in Heidelberg zu studieren und dann vielleicht als Dolmetscherin zu arbeiten. In Aleppo hat sie neben dem Bachelorstudium auch bereits japanische Sprachkurse besucht, da sie sich auch für diese Kultur sehr interessiert.
Der Ehrgeiz der beiden und ihre bislang erfolgreiche Teilnahme an Sprach- und Fachkursen am Internationalen Studienzentrum sind Zeichen dafür, dass sie nach ihrer Flucht aus Syrien bereits einen großen Schritt hin zu dem erhofften Neuanfang in Deutschland gemacht haben. Der Status Flüchtling, den Abdulhamid Alsalhani nicht mehr so gerne auf sich beziehen möchte, da er seiner Meinung nach etwas Trennendes zum Ausdruck bringt, steht daher für beide nicht mehr im Vordergrund. Sie sind jetzt Teil der an der Ruperto Carola so großen Anzahl an Studierenden aus aller Welt.
Info: Die Universität Heidelberg ist nicht erst in der aktuellen Situation mit der Frage befasst, wie sie Studieninteressenten mit Fluchthintergrund unterstützen kann, ein Studium aufzunehmen. Unter dem generell hohen Anteil internationaler Studentinnen und Studenten sind auch in der Vergangenheit immer schon studienwillige Asylsuchende und Flüchtlinge gewesen. Daher sind entsprechende Strukturen und Verfahren bereits geschaffen worden, von gesonderten Zulassungsbedingungen bis hin zu Sprachkursen. Eine zentrale Rolle spielt dabei insbesondere das Internationale Studienzentrum (www.isz.uni-heidelberg.de), das Studieninteressierte aus aller Welt sprachlich und fachlich auf ein Studium in Deutschland vorbereitet. Die dortige Ausbildung der syrischen Flüchtlinge im Rahmen des Stipendienprogramms wird vom Wissenschaftsministerium des Landes gefördert. Auf ihrer Webseite www.uni-heidelberg.de/universitaet/fluechtlingshilfe informiert die Ruperto Carola ausführlich über universitäre Angebote und Initiativen für Flüchtlinge. Dort werden auch Projekte vorgestellt, in denen sich Universitätsangehörige für Geflüchtete einsetzen.
Oliver Fink
Dieser Artikel ist im UNISPIEGEL 1/2016 erschienen.