Dr. Elena Pezzato Heck Geschichtliche Rechtswissenschaft: Ein Bindeglied zwischen Bologna und Heidelberg
In der Rubrik „Nachrichten aus dem Netzwerk“ berichten Research Alumni über Projekte, die sie in Kooperation mit Heidelberger Kolleg:innen realisiert haben. Ebenso können deutsche Forscher:innen im Ausland mit Heidelberger Hintergrund dem Kreis der Forscher-Alumni der Universität Heidelberg ihre wissenschaftlichen Beiträge vorstellen. In dieser Ausgabe stellt die italienische Rechtswissenschaftlerin Dr. Elena Pezzato Heck ihre Forschung vor.
Dr. Elena Pezzato Heck forscht an der Universität Bologna als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Römisches Recht und Recht der Antike von Prof. Dr. Giovanni Luchetti. Ebenfalls an der Universität Bologna studierte sie Rechtswissenschaften und promovierte anschließend im Römischen Recht; im September 2022 wurde sie als Professore associato habilitiert (die sogenannte abilitazione scientifica nazionale di II fascia). Elena Pezzato Hecks Forschungsschwerpunkt bildet das spätantike römische und justinianische Recht, zugleich verfolgt sie jedoch auch einen historiographischen Ansatz: Eine Studie, die der Übersetzung und Untersuchung der Dissertation von Otto Gradenwitz – dem Gründer des Instituts für geschichtliche Rechtswissenschaft in Heidelberg – gewidmet ist, befindet sich zurzeit im Druck. An diesem Institut unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Baldus verbrachte Elena Pezzato Heck, nach einem ersten Aufenthalt im Rahmen des Erasmus-Programms noch zu Zeiten des Studiums, mittlerweile zahlreiche Forschungsaufenthalte. Während ihrer Promotion kehrte sie im Rahmen des Erasmus-Programms nach Heidelberg zurück und konnte diesen Forschungsaufenthalt dank einer weiteren Förderung durch die Universität Bologna verlängern. Im Jahr 2021 erhielt Dr. Elena Pezzato Heck ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für ein Forschungsprojekt am Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft. Dank des HAIreconnect-Projekts kehrte sie im Sommer 2023 abermals in die Stadt am Neckar zurück.
„In meiner Dissertation habe ich die vermögensrechtlichen Zuwendungen beim Tod des Ehemannes zugunsten der überlebenden Ehefrau untersucht. Hierbei habe ich mich auf diejenigen Rechtsinstitute der Spätantike und des justinianischen Rechts konzentriert, die zum Zeitpunkt des Todes des Mannes einen Vermögensübergang zugunsten der Witwe bewirkten. Dies sind die gesetzliche und testamentarische Erbfolge der überlebenden Ehefrau, die Rückgabe der Mitgift und ihres Zugewinns bei der ehelichen Schenkung sowie die sogenannte „Quart der armen Witwe“. Es handelt sich um ein Thema mit interdisziplinärem Charakter, das in mancher Hinsicht den frauengeschichtlichen Studien nahe kommt, sich aber nicht auf diese beschränkt.
Für meine Doktorarbeit habe ich im Jahr 2022 den internationalen Preis „Giuliano Crifò“ erhalten, der von der Accademia Romanistica Costantiniana an der Universität Perugia mit dem Ziel verliehen wird, das Studium des Rechts und der Geschichte in der Spätantike zu fördern. Mit dem Preis wurde die beste Dissertation in den Jahren 2019 bis 2021 zum Römischen Recht und zur Römischen Geschichte der Spätantike ausgezeichnet.
Gegenwärtig widme ich mich nach wie vor dem Studium des spätantiken Rechts und insbesondere der Untersuchung einer weitgehend unerforschten Quelle aus dem 5. Jahrhundert: dem Syrisch-Römischen Rechtsbuch, welches neue Erkenntnisse zu liefern verspricht. Zu diesem Zwecke studiere ich die syrische Sprache, die als mittelostaramäische Sprache zum nordwestlichen Zweig der semitischen Sprachen gehört.
Neben diesen Studien, welche die Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls in Bologna aufgreifen, beschäftige ich mich zudem mit historiographischer Forschung. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Christian Baldus habe ich kürzlich die Dissertation von Otto Gradenwitz (1860 bis 1935), Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg und Gründer des Instituts für geschichtliche Rechtswissenschaft, untersucht. In dieser neuesten Untersuchung, die derzeit beim Verlag Pacini Editore gedruckt wird und in der Reihe „Bebelplatz“ unter Leitung von Prof. Tommaso dalla Massara (Università Roma Tre) erscheinen wird, habe ich die Dissertation von Gradenwitz in die italienische Sprache übersetzt und analysiert, auch und gerade unter Bezugnahme des Manuskripts. Die Untersuchung berücksichtigt zudem die verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Promotionsordnung an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (jetzige Humboldt-Universität) im 19. Jahrhundert. Zu diesem Thema habe ich im Rahmen meines HAIreconnect-Projekts im Juli 2023 bei der Heidelberger Rechtshistorischen Gesellschaft vorgetragen.
Im seinerzeit umkämpften Meinungsstreit, den der namhafte Bernhard Windscheid dominierte, stellte die kritische Arbeit von Gradenwitz die Einordnung des Instituts der „Voraussetzung“ als „Selbstbeschränkung des Willens“ sowie deren Natur als „unentwickelte Bedingung“ in Frage. Obwohl nicht frei von Irrtümern und jugendlicher Naivität, handelt es sich um eine erkenntnisreiche Untersuchung, die einen Ausblick auf die künftigen Forschungsrichtungen eines der einflussreichsten deutschen Juristen des 20. Jahrhunderts gibt. Die kritische Übersetzung ins Italienische ermöglicht es, ein sonst dem Vergessen anheimfallendes Werk wieder zum Leben zu erwecken und insbesondere dem italienischsprachigen Leser eine Studie zu einem Rechtsinstitut zugänglich zu machen, das noch immer von großem juristischem Interesse ist. Wie so oft, ist es auch hier dem Römischen Recht zu verdanken, die Grundlagen unserer gemeinsamen europäischen Rechtskultur wiederentdecken zu können.“