RAN Newsletter 02/2024 Toolbox zur Reduzierung klimaschädlicher Dienstreisen
Internationale Vernetzung und Forschung auf der einen Seite – Klimaschutz durch die Reduktion von Dienstreisen, insbesondere Flugreisen, auf der anderen Seite: Mit der Frage, wie sich ein solches von Zielkonflikten geprägtes Problem lösen lässt, haben sich Heidelberger Wissenschaftler:innen befasst. Ergebnis ist eine praxisorientierte und online frei verfügbare Toolbox, die sich insbesondere an wissenschaftliche Institutionen richtet.
Im „FlyingLess“-Projektteam entwickelten Wissenschaftler:innen des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) und der Universität Heidelberg unter Federführung des ifeu das Instrumentarium, das dazu beitragen soll, die Vermeidung von Flugreisen konsequent zu planen, institutionell zu implementieren und strategisch zu verankern. Die zugrundeliegende Studie basiert auf einer Befragung an acht Einrichtungen.
Wie die Autor:innen der Studie betonen, bilden weltweite Forschungskooperationen, internationale Konferenzen und Feldforschung auf anderen Kontinenten, aber auch länderübergreifende studentische Austauschprogramme einen wichtigen Bestandteil der aktuellen Wissenschaftskultur. Sie sind häufige Gründe für dienstliche Flugreisen, die einen erheblichen Anteil der Treibhausgasemission wissenschaftlicher Einrichtungen ausmachen, wie die ifeu-Erhebung unter den acht Institutionen ergeben hat. Dass die mit der internationalen Vernetzung verbundenen Flugreisen einen nennenswerten CO2-Fußabdruck hinterlassen, ist ein „Dilemma“, meint Dr. Nicole Aeschbach vom Geographischen Institut der Universität Heidelberg, die als Verbundpartnerin an dem Projekt „FlyingLess“ beteiligt ist.
Die Reduktion von Treibhausgasemissionen aus dienstlichen Flugreisen zählt zu den wirksamen Klimaschutzhebeln im Wissenschaftsbetrieb, da sie unmittelbar umgesetzt werden kann, so Dr. Aeschbach. „Zugleich kommt Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine große Verantwortung und Vorbildfunktion zu, gerade wenn es darum geht zu zeigen, dass und wie sich wissenschaftliche Erkenntnis zum menschengemachten Klimawandel in konkretes Handeln im Klimaschutz übersetzen lässt“, so die Wissenschaftlerin, die das TdLab Geographie, ein Labor für transdisziplinäre Forschung, gegründet hat und an der Heidelberg School of Education tätig ist. Wie die ifeu-Befragung zeigt, wären rund 70 Prozent der Wissenschaftler:innen bereit, ihre Flugreisen zu reduzieren, indem sie häufiger virtuelle Formen des Austauschs oder andere Verkehrsmittel nutzen.
Mit dem virtuellen Austausch können sogenannte Co-Benefits erzielt werden, indem etwa auch Personen mit eingeschränktem finanziellem Budget an weit entfernten Meetings und Konferenzen teilnehmen können. Auch die Einsparung von Zeit ist ein positiver Nebeneffekt, wie Dr. Maximilian Jungmann vom Heidelberg Center for the Environment (HCE), dem umweltwissenschaftlichen Forschungszentrum der Universität Heidelberg, betont. „Demgegenüber entfallen jedoch viele Vorteile, die mit dem persönlichen Austausch und den Vernetzungsmöglichkeiten auf internationaler Ebene gerade für Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforscher verbunden sind“, betont Dr. Jungmann, der ebenfalls einer der Autoren der Studie ist.
Solche Zielkonflikte wurden im Rahmen des ifeu-Projekts mithilfe von Interviews und Umfragen ermittelt. In einem zweiten Schwerpunkt hat das „FlyingLess“-Team praxisorientierte Werkzeuge entwickelt. Eine modular aufgebaute und anwendungsorientierte Toolbox umfasst Informationen zum Projektmanagement und zur institutionellen Strategieentwicklung sowie Checklisten, Methoden und Tipps, die Institutionen dabei unterstützen sollen, Projekte zur Reduktion von Flugreisen konsequent zu planen, zu implementieren und dauerhaft zu verankern. Dabei sollen insbesondere auch die verschiedenen Akteur:innen innerhalb der Institution wirkungsvoll miteinander ins Gespräch gebracht werden, um gemeinsam Handlungsrichtlinien zu entwickeln. Die im Projekt „FlyingLess“ gewonnenen Ergebnisse und bereitgestellten Tools sollen dabei auch auf andere Branchen übertragbar sein.
In einem Artikel im Nature-Portfolio-Journal „npj Climate Action“ wird die Toolbox vorgestellt und diskutiert. Erstautorin der Publikation ist Dr. Susann Görlinger, „FlyingLess“-Projektleiterin am ifeu. Beteiligt vom ifeu war außerdem Nachwuchswissenschaftlerin Caroline Merrem. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Projekt „FlyingLess“ im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative.