Deckel eines Federkästchens – Ritzungen als Spickzettel?
Ägyptische Sammlung
Das mit dunklem Firnis, Lack oder Wachs überzogene Brettchen trägt an einem Ende eine Griffleiste und wurde als Schiebedeckel eines Federkästchens benutzt. Etwa ein Drittel ist der Länge nach abgebrochen. Auf dem Deckel sieht man sowohl innen wie auch außen in den Firnis eingeritzte Schriftreste und geometrische Zeichnungen. Diese sind allerdings fast nur bei starkem von der Seite kommenden Lichteinfall zu erkennen, und es wird vermutet, dass sie einem Schüler als Spickzettel gedient haben könnten.
Die Ritzungen überlagern sich an vielen Stellen, sodass man keine inhaltlichen Zusammenhänge erkennen kann. Auch das fehlende Drittel erschwert die genaue Interpretation. Grund für den Verdacht der Nutzung als Spickzettel ist, dass die Ritzungen so schwer und nur bei bestimmtem Lichteinfall zu erkennen sind. Man musste also wissen, dass da etwas stand. Für Lehrer waren die Texte nahezu unsichtbar. Außerdem wurde damals eigentlich mit angespitzten und vorne abgeschnittenen Rohrfedern in schwarzer Tinte auf geweißelte hölzerne Tafeln geschrieben. Die vorliegenden Ritzungen sind allerdings mit einem anderen, spitzen Gegenstand wie etwa einer Nadel oder einem Nagel gemacht worden. Der Anbringungsort dieser Texte sowie ihre schlechte Sichtbarkeit sprechen für eine heimliche Nutzung.
Eine weitere Interpretationsmöglichkeit wäre, dass darauf schlicht sogenannte Doodles, also Dinge, die man in Gedanken vor sich hin kritzelt, zu sehen sind. Zuletzt wäre es auch möglich, dass hier jemand seinen Namen und weitere kurze Texte wie den Namen einer Angebeteten sowie Embleme oder Bildchen eingeritzt hat, so wie auch heute noch Schüler ihre Federmäppchen »verzieren«.
Holz, Breite 17 cm, Tiefe 4 cm, Dicke 0,3-0,7 cm, ca. 4.–9. Jh. v. u. Z., Inventarnummer 1282, Ägyptische Sammlung, Heidelberg Center for Cultural Heritage
© Robert Ajtai; Ägyptische Sammlung /HCCH, Universität Heidelberg