Forschung Auf der Suche nach Signalen aus dem frühen Universum

6. Juni 2024

Heidelberger Wissenschaftler modelliert die Ausbreitung von Wasserstoff-Spektrallinien

Auf der Suche nach Signalen aus dem frühen Universum befasst sich der Heidelberger Wissenschaftler Prof. Dr. Georg Wolschin mit der Frage, ob und wie sich in der – heute sehr präzise messbaren – kosmischen Hintergrundstrahlung Restbestände von Spektrallinien aus der Phase der Rekombination mit der Entstehung der ersten Elemente nachweisen lassen. Der Nachweis dieser rund 380.000 Jahre nach dem Urknall ausgesandten Rekombinationslinien von Wasserstoff- und Heliumatomen ist bislang nicht möglich, könnte jedoch in Zukunft mit besseren Messinstrumenten gelingen. Seine These stützt Prof. Wolschin, der am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg forscht, auf eine Modellierung der Lyman-Alpha-Linie, der stärksten bei der Rekombination freigesetzten Spektrallinie von Wasserstoff. 

Nach dem Urknall enthält das frühe Universum zunächst Elementarteilchen und Strahlung. Etwa 380.000 Jahre später folgt mit der Entstehung der Elemente eine neue Entwicklungsphase: Als sich der Kosmos bis auf eine Temperatur von etwa 3.000 Kelvin abgekühlt hat, können sich Protonen, Deuteronen und Heliumkerne mit Elektronen zu Wasserstoff und Helium verbinden. Die dabei freigesetzten Spektrallinien überlagern die unmittelbar nach dem Urknall entstandene kosmische Hintergrundstrahlung, die ein kontinuierliches Spektrum hat. Im Laufe der Expansion des Kosmos kühlt sich die Hintergrundstrahlung weiter ab und verschiebt sich zu größeren Wellenlängen, das heißt niedrigeren Frequenzen. Heute ist sie im Mikrowellenbereich als Cosmic Microwave Background (CMB) mit einer Temperatur von 2,725 Kelvin sehr genau nachweisbar. Erstmals gelang ihre Messung 1964 bei einer festen Frequenz, später konnte vor allem bei Weltraummissionen der Mittelwert des CMB-Spektrums sehr genau vermessen werden. Er gleicht dem eines Schwarzen Körpers. Entdeckt wurden außerdem räumliche Schwankungen der Temperaturverteilung, aus denen sich, so Prof. Wolschin, weitreichende Schlüsse über die Strukturbildung im frühen Universum ziehen lassen.

Die Wissenschaft sucht darüber hinaus nach Frequenzfluktuationen, die auf die bei der Rekombination ausgesandten Spektrallinien zurückzuführen sind. Georg Wolschin befasst sich in seiner Forschung mit der Lyman-Alpha-Linie, aus der sich auch die weiträumige Verteilung von Wasserstoff im Universum ableiten lässt. Um herauszufinden, ob diese Spektrallinie im heutigen CMB-Spektrum nachweisbar ist, modelliert der Forscher ihre zeitliche Verbreiterung und „Dämpfung“ sowie ihre Verschiebung zu niedrigeren Frequenzen im Laufe der Expansion des Kosmos. Nach seinen Berechnungen in einem nicht-linearen Modell dürfte das Signal der Wasserstoff-Lyman-Alpha-Linie um etwa sieben Größenordnungen unter dem heutigen CMB-Messwert liegen – zu schwach, um es mit bisheriger Technik zu messen. 

„Um Frequenzmodulationen des Cosmic Microwave Background als Reste der bei der Rekombination freigesetzten Spektrallinien von Wasserstoff und Helium aufzuspüren, braucht es allerdings erhebliche experimentelle Anstrengungen, also neue Weltraummissionen mit noch empfindlicheren Instrumenten“, betont der Heidelberger Wissenschaftler. „Es wäre jedoch ein großer Erfolg kosmologischer Forschung, derartige Signale aus der Rekombinationsepoche in der kosmischen Hintergrundstrahlung zu finden“, so Prof. Wolschin. Die Ergebnisse seiner Studie wurden in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Originalpublikation

G. Wolschin: Partial Lyα thermalization in an analytic nonlinear diffusion model, Scientific Reports 14, 4935 (2024)