Forschung Bericht zu Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger in Brasilien

15. September 2023

Studie mit Beteiligung der Soziologin und Rechtswissenschaftlerin Maria Eugenia Trombini offenbart Ausmaß

Eine Studie zu Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger in Brasilien offenbart mehr als 1.000 Fälle, die sich in den Jahren 2019 bis 2022 zugetragen haben. Erstellt wurde dieser Bericht von den brasilianischen Menschenrechtsorganisationen „Terra de Direitos“ und „Justiça Global“. An der wissenschaftlichen Auswertung der Daten war Dr. Maria Eugenia Trombini beteiligt. Die Ergebnisse weisen auf eine Intensivierung von Konflikten hin, die vor allem im Zusammenhang mit der Ausbeutung indigener Gebiete und Fragen des Umweltschutzes in der Amazonas-Region stehen, so die Wissenschaftlerin, die am Max-Weber-Institut für Soziologie der Universität Heidelberg zur organisationalen Kriminalität und zu systemischer Korruption in Brasilien forscht.

Im Fokus des Berichts „On the Frontline. Violence Against Human Rights Defenders“ stehen Gewalttaten, mit denen verhindert werden sollte, dass verbriefte Menschenrechte eingefordert oder verteidigt werden. Dazu wurden Nachrichtenbeiträge, Berichte und interne Nachforschungen zu Fällen herangezogen, die den beiden Menschenrechtsorganisationen bereits bekannt waren; sie befassen sich nach den Worten von Dr. Trombini seit mehr als 20 Jahren mit dieser Thematik. Gegenstand der Erhebung war Gewalt gegen Individuen und Kollektive wie indigene Bevölkerungsgruppen oder Quilombolas – Nachkommen afrikanischer Sklaven, die während der portugiesischen Kolonialherrschaft in Brasilien versklavt wurden. Unterschieden wurde dabei zwischen verschiedenen Formen der Gewalt wie Drohungen, Angriffen, Sexualdelikten, Kriminalisierung oder Morden.

Nach dieser Erhebung hat es 1.171 Fälle von Gewalt – 169 mit tödlichem Ausgang – gegeben. Häufigste Form der Übergriffe waren nach Angaben von Dr. Trombini Drohungen, um Menschenrechtsaktivisten einzuschüchtern. Die Soziologin und Rechtswissenschaftlerin war für die Verarbeitung der Daten und die Kategorisierung der Variablen zuständig. Sie analysierte, welche Form von Gewalt gegen welche Gruppen verübt wurde und welche Verbindungen zwischen den Opfern, den Arten des Menschenrechtsaktivismus, den Regionen sowie dem Zeitpunkt bestanden. Fast die Hälfte aller Taten wurde in der Region Amazônia Legal verübt. Ein Großteil der Gewalt richtete sich, wie der Bericht zeigt, gegen indigene Aktivisten. Insgesamt kam es zu 346 Taten, die vor allem im Zusammenhang zu sehen sind mit der Durchsetzung oder Wahrung von Rechten bei Fragen der Landnutzung, des Schutzes bestimmter Territorien und des Schutzes der Umwelt.

„In der Amtszeit des damaligen Präsidenten Brasiliens wurden zwischen 2019 und 2022 indigene Territorien vermehrt für Bergbau, Abholzung und Landwirtschaft vereinnahmt; zugleich wurden Ressentiments gegen Menschenrechtsaktivisten geschürt, um ihre Arbeit zu erschweren“, betont Dr. Trombini. Umso wichtiger sei es, die Auswirkungen von Übergriffen und Gewalt anhand von fundierten, wissenschaftlich aufbereiteten Daten sichtbar zu machen, so die Wissenschaftlerin. In ihrer Forschung hat sie sich unter anderem mit Machtasymmetrien in der Region beschäftigt und untersucht, wie Menschen, die gegen den illegalen Holzeinschlag und den Klimawandel kämpfen, anerkannt und soziale Gerechtigkeit gefördert werden können. Darüber hinaus hat sie sich mit Menschenrechtsklagen im Namen lokaler Gemeinschaften in Lateinamerika befasst.

Die brasilianischen Menschenrechtsorganisationen „Terra de Direitos“ und „Justiça Global“ – Verfasser des Berichts – haben als Nichtregierungsorganisationen beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen.