Aktuelles Bluttest zur Brustkrebsdiagnostik
Überblick zum Sachstand
Stand: 21. Februar 2020
Das vergangene Jahr stand nicht nur für das Universitätsklinikum Heidelberg und die Medizinische Fakultät Heidelberg im Zeichen der Vorgänge um den Bluttest zur Brustkrebsdiagnostik und seine vorzeitige Publizierung; auch die Universität Heidelberg ist von den Vorgängen betroffen, wenngleich die Universitätsleitung an den Entscheidungsprozessen im Vorfeld der Veröffentlichung in keiner Weise beteiligt war.
Seit 2017 wird an der Verwertung der Forschungsergebnisse zu einem Bluttest zur Brustkrebsdiagnostik (Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Christof Sohn, Universitätsfrauenklinik Heidelberg und Medizinische Fakultät der Universität) gearbeitet. Das Forschungsvorhaben wurde zeitweise vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des EXIST-Programms gefördert. Am 21. Februar 2019 startete eine Pressekampagne, die den Bluttest einer breiten Öffentlichkeit als marktreifes Produkt vorstellte. Die Forschungsergebnisse sind jedoch nach wie vor weit entfernt von einer Marktreife.
Um die komplexen Vorgänge rund um den Bluttest zur Brustkrebsdiagnostik und die vorzeitige Veröffentlichung umfassend aufzuklären und daraus Konsequenzen zu ziehen, haben der Aufsichtsrat und der Vorstand des Universitätsklinikums, die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und die Universitätsleitung verschiedene Kommissionen eingerichtet und Maßnahmen ergriffen.
Senatskommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis
Das Rektorat hat am 10. Mai 2019 die Senatskommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft mit der Prüfung aller akademischen Aspekte im Zusammenhang mit dem Bluttest zur Brustkrebsdiagnostik betraut. Die Kommission dient der akademischen Selbstkontrolle in allen Belangen, die wissenschaftliches Handeln in der Forschung und damit unmittelbar verknüpfte Aufgaben in Lehre und Nachwuchsförderung betreffen. Sie hat sich satzungsgemäß mit der Frage beschäftigt, ob es im Zusammenhang mit dem Bluttest zu Verstößen gegen die gute wissenschaftliche Praxis oder zu wissenschaftlichem Fehlverhalten gekommen ist.
Die universitäre Senatskommission hat am 16. Juli 2019 einen Zwischenbericht vorgelegt. Der Abschlussbericht der Kommission wurde dem Rektor im Oktober 2019 übergeben. Über eine Veröffentlichung von Ergebnissen aus dem internen Abschlussbericht wird das Rektorat entscheiden, nachdem das laufende Disziplinarverfahren gegen Prof. Sohn abgeschlossen ist.
Ämter niedergelegt
Der Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Andreas Draguhn, hat mit Wirkung vom 24. Juli 2019 sein Amt und alle damit zusammenhängenden Funktionen niedergelegt. Die Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Heidelberg, Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, und die Kaufmännische Direktorin Irmtraut Gürkan haben am 30. Juli 2019 dem Aufsichtsrat gegenüber erklärt, ihre Ämter vorzeitig niederzulegen. Irmtraut Gürkan ist zum 31. Juli 2019 zurückgetreten. Prof. Grüters-Kieslich hat ihr Amt zum 31. Oktober 2019 zur Verfügung gestellt.
Universitätseigene Verwertungsgesellschaft
Die Universität Heidelberg hat die Verwertungsverträge mit der technology transfer heidelberg GmbH (tth GmbH), die sie für die Medizinische Fakultät Heidelberg abgeschlossen hat, zum 30. November 2019 gekündigt. Ein weiterer Vertrag für die Medizinische Fakultät Mannheim und für die Fakultät für Biowissenschaften der Universität ist zum Ende des Jahres ausgelaufen und wurde nicht verlängert.
Das Rektorat hat die Entscheidung zur Verwertung von Forschungsergebnissen aus der Medizin bis auf Weiteres an sich gezogen. Im November 2019 wurde eine universitätseigene Verwertungsgesellschaft, die ScienceValue Heidelberg GmbH (SVH GmbH), als Tochtergesellschaft der Universität gegründet. Sie hat die Aufgabe, geistiges Eigentum der Universität und ihrer Mitglieder nutzbar zu machen und Forschungsergebnisse auch kommerziell zu verwerten. In einem ersten Schritt wird die SVH GmbH die Technologietransfer- und Patentbetreuungsprozesse der Medizinischen Fakultät Heidelberg übernehmen. Dies geschieht in enger Kooperation mit der Fakultät und dem Universitätsklinikum Heidelberg. Folgen werden die weiteren lebenswissenschaftlichen Disziplinen; mittelfristig wird das Serviceangebot der SVH GmbH auch den Heidelberger Wissenschaftlern aus anderen Fachbereichen offenstehen. Ziel der Universität ist zunächst die Sicherung reibungsfreier Technologie-Verwertungsprozesse im Sinne der Wissenschaftler und Kooperationspartner.
Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis / Richtlinien Transfer
Das Rektorat der Universität Heidelberg hat im Juli 2019 eine fünfköpfige Kommission eingerichtet, die auf der Grundlage der Mitte vergangenen Jahres veröffentlichten Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine entsprechende Satzung der Universität Heidelberg erarbeiten soll. Diese neue Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft, die eine gleichnamige Vorgängersatzung aus dem Jahr 1998 ersetzen wird, verweist zum Thema Wissenstransfer auf den Kodex für den Austausch von Wissen und Technologie, der zurzeit ebenfalls in der Abstimmung ist. Dieser Kodex ist in einer Expertengruppe am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg erarbeitet worden. In der Expertengruppe haben Vertreter der Rechtswissenschaften, der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Lebens- und Naturwissenschaften zusammengearbeitet.
Die im gemeinsamen Diskurs entstandenen Richtlinien sollen einerseits dem Anspruch genügen, grundsätzlicher Natur zu sein, andererseits aber auch durch ihren Konkretisierungsgrad die verantwortungsvolle Umsetzung von Leistungen in allen Bereichen des Wissenstransfers wirksam leiten. Der Kodex für universitäre Transfer-Aktivitäten wird im Sommersemester 2020 dem Senat zur Prüfung und Beschlussfassung vorgelegt werden.
Weitere Informationen
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eine eigenständige Anstalt öffentlichen Rechts. Die Medizinische Fakultät Heidelberg ist Teil der Universität, wird aber haushälterisch wie ein Landesbetrieb geführt. Sie bewirtschaftet ihre Haushaltsmittel im Rahmen der dezentralen Finanzverantwortung eigenständig. Die Personal- und Wirtschaftsverwaltung der Medizinischen Fakultät obliegt dem Universitätsklinikum. Das Universitätsklinikum hat im Rahmen der Wirtschaftsverwaltung für die Fakultät das Erfindungsmanagement einschließlich der Verwertung von geistigem Eigentum durchgeführt und zu diesem Zweck im Jahr 2011 die technology transfer heidelberg GmbH (tth GmbH) gegründet.
Die tth ist eine 90% Tochter des Universitätsklinikums Heidelberg. Die Zusammenarbeit der tth mit der Medizinischen Fakultät Heidelberg wurde 2012 durch einen Vertrag mit der Universität Heidelberg geregelt und im Februar 2016 ergänzt um eine Vereinbarung, die auch die Be- und Verwertung von geistigem Eigentum von Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät Mannheim und der Fakultät für Biowissenschaften ermöglicht. Diese vertraglichen Beziehungen sind ausgelaufen oder wurden vonseiten der Universität beendet.
Die Universität Heidelberg steht in keinerlei vertraglichen Beziehungen zur HeiScreen GmbH oder zur Firma HeiScreen NKY, die beide 2017 von der tth GmbH unter Beteiligung der Wissenschaftler Prof. Dr. Christof Sohn und apl. Prof. Dr. Sarah Schott zur Weiterentwicklung und Vermarktung des Bluttests gegründet wurden. Die Universität Heidelberg hält keine Anteile an diesen beiden Gesellschaften.