Forschung Das Rätsel des bronzezeitlichen Zinns
Pressmitteilung Nr. 98/2019
13. September 2019
Wissenschaftler ermitteln mit naturwissenschaftlichen Methoden geographische Herkunft archäologischer Zinnfunde im Mittelmeerraum
Die Herkunft des Zinns in der Bronzezeit ist seit langem eines der größten Rätsel der archäologischen Forschung. Jetzt haben es Forscher der Universität Heidelberg und des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie in Mannheim teilweise gelöst: Mit naturwissenschaftlichen Methoden haben sie das bei archäologischen Untersuchungen in Israel, der Türkei sowie Griechenland gefundene Zinn aus dem 2. Jahrtausend vor Christus untersucht. Dabei konnten sie nachweisen, dass dieses Zinn in Form von Barren nicht, wie bislang angenommen, aus Zentralasien stammt, sondern aus europäischen Zinnlagerstätten. Die Erkenntnisse sind ein Beleg dafür, dass bereits in der Bronzezeit komplexe und weitreichende Handelssysteme zwischen Europa und dem östlichen Mittelmeerraum existiert haben müssen. Begehrte Rohstoffe wie Zinn, aber auch Bernstein, Glas oder Kupfer waren, so die Wissenschaftler, der Motor dieses frühen internationalen Handelsgeflechts.
Bereits im späten vierten und dritten Jahrtausend vor Christus wurde im Nahen Osten, Anatolien und der Ägäis Bronze – eine Legierung aus Kupfer und Zinn – gefertigt. Das Wissen um die Herstellung hatte sich schnell über weite Teile der alten Welt verbreitet. „Bronze diente zur Herstellung von Waffen, Schmuck und Gebrauchsgegenständen aller Art und gab deshalb zu Recht einer ganzen Epoche ihren Namen. Die Herkunft des Zinns stellt dabei seit langem ein Rätsel der archäologischen Forschung dar“, erläutert Prof. Dr. Ernst Pernicka, bis zu seiner Emeritierung Wissenschaftler am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg und zugleich am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie tätig. „Zinnvorkommen und Zinnlagerstätten sind in Europa und Asien selten. Der östliche Mittelmeerraum, aus dem ein Teil der von uns untersuchten Objekte stammt, verfügte über so gut wie keine eigenen Lagerstätten. Der Rohstoff musste daher in dieser Region importiert werden“, so der Forscher.
Barren als Handelsform von Metallen sind für die Wissenschaft von besonderem Wert, da damit Herkunftsfragen gezielt angegangen werden können. Das Heidelberg-Mannheimer Forschungsteam um Prof. Pernicka und Dr. Daniel Berger hat die Zinnbarren aus der Türkei, Israel und Griechenland mittels Blei- und Zinnisotopie sowie der Spurenelementanalyse untersucht. Damit konnten sie zeigen, dass dieses Zinn tatsächlich aus europäischen Zinnlagerstätten stammt. Im Fall der israelischen Fundobjekte etwa gibt es große Übereinstimmungen mit Zinn aus Cornwall und Devon (Großbritannien). „Mit diesen Ergebnissen ist die Herkunft des Zinns nun zum ersten Mal konkreter zu fassen, woraus sich neue Erkenntnisse und Fragestellungen für die archäologische Forschung ableiten lassen“, betont Dr. Berger, der am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie forscht.
Die Untersuchungen wurden im Rahmen des mit einem ERC Advanced Grant geförderten Forschungsprojekt „BronzeAgeTin – Tin Isotopes and the Sources of Bronze Age Tin in the Old World“ durchgeführt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „PLoS ONE“.
Originalpublikation
D. Berger, J. S. Soles, A. R. Giumlia-Mair, G. Brügmann, E. Galili, N. Lockhoff, E. Pernicka: Isotope systematics and chemical composition of tin ingots from Mochlos (Crete) and other Late Bronze Age sites in the eastern Mediterranean Sea: An ultimate key to tin provenance? PLoS ONE 14 (6), 2019