Kulturelles Erbe Die Zeit läuft ab: Vortrag zur Rückgabe von NS-Raubgut

Pressemitteilung Nr. 119/2023
15. November 2023

Marcel Lepper spricht über aufwändige Klärungsprozesse und Zuständigkeitsdebatten

Kulturelles Erbe ist ohne gesellschaftliche Verantwortung zum Beispiel für die Klärung von Eigentumsansprüchen nicht denkbar, lautet die Kernaussage eines Vortrags, den Prof. Dr. Marcel Lepper an der Universität Heidelberg halten wird. Der Leipziger Literaturwissenschaftler beschäftigt sich darin mit der Rückgabe von Kunstwerken und Kulturgütern, die während der Zeit des Nationalsozialismus ihren Besitzern unrechtmäßig entzogen worden waren. Die Veranstaltung mit dem Titel „Die Zeit läuft ab! NS-Raubgut, Provenienzforschung und Restitution“ findet am 23. November 2023 in der Aula der Alten Universität statt. Sie ist Teil der öffentlichen Reihe „Herausforderung Kulturerbe?!“, zu der das Heidelberg Center for Cultural Heritage und die universitäre Flagship-Initiative „Transforming Cultural Heritage“ einladen. Beginn ist um 18.15 Uhr.

Bereits direkt nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die West-Alliierten Regelungen zur Rückgabe von unrechtmäßig entzogenem Kulturgut während der NS-Zeit vorgelegt. Wie Prof. Lepper betont, geschah in diesem Bereich bis zur deutschen Wiedervereinigung allerdings zu wenig. Erst nach der „Washingtoner Erklärung“ von 1998 starteten große Projekte zur Provenienzforschung, die sich mit der Herkunft der geraubten Kunstwerke und Kulturgüter beschäftigten. „Der hohe Forschungsaufwand führte zu vielen Einzelerfolgen, aber aufgrund der komplexen föderalen Struktur der Kultur- und Wissenschaftspolitik in der Bundesrepublik nicht zu einem klar erkennbaren Zeitplan. Bald 80 Jahre nach dem Ende des NS-Terrors stecken bis heute viele Fälle in Klärungsprozessen und Zuständigkeitsdebatten fest. Die unmittelbaren Nachkommen der Eigentümer sind unterdessen längst verstorben, ihre Rechtsnachfolger oft schwer auffindbar“, erläutert der Wissenschaftler. Im Rück- und Ausblick wird sich Prof. Lepper unter anderem mit der Frage beschäftigen, ob der Aufwand an Arbeitszeit und Aufmerksamkeit unterschätzt wurde oder was jüngere Projekte zur internationalen Provenienzforschung aus der schleppenden Entwicklung der NS-Raubgut-Forschung lernen können.

Der promovierte und habilitierte Literaturwissenschaftler Marcel Lepper war von 2005 an am Deutschen Literaturarchiv Marbach tätig, darunter zehn Jahre als Leiter des Forschungsreferates. 2018 wurde er zum Leiter des Literaturarchivs der Berliner Akademie der Künste berufen und zwei Jahre später vom Stiftungsrat der Klassik Stiftung Weimar zum Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs bestellt. Von April 2022 bis Februar 2023 war er Geschäftsführer der Carl Friedrich von Siemens Stiftung. Im Jahr 2021 zum Honorarprofessor für Neuere deutsche Literatur ernannt, beschäftigt sich Prof. Lepper an der Universität Leipzig unter anderem mit der Literatur-, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte, der Archivtheorie und der Provenienzforschung.