Forschung Digitale Geländemodelle geben Auskunft über Aufeis-Felder im Trans-Himalaya
Pressemitteilung Nr. 146/2024
9. Dezember 2024
Heidelberger Wissenschaftler nutzen terrestrische Aufnahmen und Satellitenbilder, um neue Erkenntnisse zur Beschaffenheit der saisonalen Eisvorkommen zu gewinnen
Die Mächtigkeit und das Volumen bislang wenig erforschter Aufeis-Felder, die im Trans-Himalaya von Ladakh in Indien vorkommen, hat ein geographisches Forschungsteam des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg untersucht. Das Team unter Leitung von Prof. Dr. Marcus Nüsser nutzte hochauflösende Fernerkundungsdaten und terrestrische Bilder zur Erstellung digitaler Geländemodelle, um das Volumen von natürlich vorkommendem Aufeis mit künstlich angelegten Eisreservoiren zu vergleichen. Die Differenz winterlicher und sommerlicher Geländemodelle gibt Auskunft über die Beschaffenheit der saisonalen Eisvorkommen und die zugrundeliegenden hydrogeologischen Bedingungen.
Bei Aufeis handelt es sich um ein hydrologisches Phänomen, das insbesondere in kalt-ariden und durch Permafrost geprägten Regionen auftritt. Es entsteht in den Wintermonaten durch sukzessives Gefrieren von Quellwasser oder bildet sich entlang kleiner Wasserläufe. Die Eisschichten können Mächtigkeiten von mehreren Metern erreichen und besonders im Frühjahr einen wesentlichen Beitrag zur lokalen Wasserversorgung leisten. Im Trans-Himalaya von Ladakh wird die Akkumulation von Aufeis vereinzelt in Eisreservoiren verstärkt. In Vorgängerstudien konnte bereits die weiträumige Verbreitung von Aufeis in Ladakh und Teilen des Tibetischen Plateaus nachgewiesen werden.
Mit dem Ziel, neue Erkenntnisse zur Beschaffenheit dieser saisonalen Eisvorkommen zu gewinnen, hat das Team um Prof. Nüsser die Mächtigkeit und das Volumen von zwei natürlichen Aufeis-Feldern und zwei künstlich angelegten Eisreservoiren in Ladakh untersucht. Bei Forschungsaufenthalten im Herbst 2022 und Frühjahr 2023 nahmen die Wissenschaftler mehrere Tausend Fotos der beiden Eisreservoire auf und kombinierten sie mit Aufnahmen des Satelliten Pléiades, die zum Zeitpunkt der Aufenthalte vor Ort von allen vier Standorten gemacht wurden. Daraus wurden digitale Geländemodelle generiert, aus denen das Forschungsteam ein Gesamtvolumen des Aufeises von bis zu 302.000 Kubikmetern errechnete. Dabei erwiesen sich die natürlichen Felder in der Fläche als größer und mit vereinzelt mehr als drei Metern Dicke auch mächtiger als die Eisakkumulationen in den künstlichen Reservoiren.
Die aktuellen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass in den Wintermonaten große Mengen an Grundwasser an die Oberfläche gelangen. Da dies jedes Jahr an denselben Stellen geschieht, könnte die Entstehung der Aufeis-Felder auch Aufschluss über die hydrogeologische Beschaffenheit des oberflächennahen Grundwasserleiters geben, wie Dr. Dagmar Brombierstäudl erläutert. „Unsere Forschung zeigt, dass Aufeis nicht nur vereinzelt, sondern weit verbreitet zu finden ist und große Mengen an Wasser bindet. Dennoch ist dieses Phänomen bislang nicht in hydrologische Modellierungen einbezogen worden“, betont Prof. Nüsser.
Als besonders wertvoll für die Analyse der Aufeis-Felder erwiesen sich die hochauflösenden Satellitenbilder. „Die Bilder ermöglichen es uns auch, entlegene oder sogar unzugängliche Orte zu untersuchen. So können wir umfassende Rückschlüsse auf die Entstehung und Zusammensetzung von Aufeis-Feldern ziehen, um so ein besseres Verständnis des Aufeis-Phänomens zu entwickeln und die Auswirkungen des Klimawandels zu ermitteln“, so der Heidelberger Wissenschaftler, der die Abteilung Geographie am Südasien-Institut der Universität Heidelberg leitet.
Die Forschungsarbeiten waren in ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt zur Bedeutung von Aufeis und Eisreservoiren für die Anpassung an den Klimawandel im Trans-Himalaya von Ladakh eingebunden. Die Ergebnisse der aktuellen Studie wurden in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment“ veröffentlicht.
Originalpublikation
D. Brombierstäudl, S. Schmidt, M. Soheb, M. Nüsser: Aufeis thickness and volume estimations from stereo satellite imagery and terrestrial photographs: Evidence from Central Ladakh, India. Science of the Total Environment (published online 11 September 2024).