Förderung ERC Advanced Grants für fünf Wissenschaftler der Universität Heidelberg

Pressemitteilung Nr. 32/2024
11. April 2024

Förderungen des Europäischen Forschungsrates für Projekte an der Ruperto Carola, am Deutschen Krebsforschungszentrum und am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

Drei Forscherinnen und zwei Forscher der Universität Heidelberg erhalten eine hochdotierte Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC), einen ERC Advanced Grant. Dazu gehören der Chemiker Prof. Dr. Andreas Dreuw und die Neuropharmakologin Prof. Dr. Rohini Kuner, die ihre Arbeiten in der theoretischen und computergestützten Chemie sowie in der Schmerzforschung am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen und an der Medizinischen Fakultät Heidelberg durchführen. Dafür stellt der ERC Fördermittel in Höhe von insgesamt rund fünf Millionen Euro zur Verfügung. Ebenfalls Mitglieder der Ruperto Carola sind die Neuropsychologin und Klinische Psychologin Prof. Dr. Herta Flor, die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Hannah Monyer und der Neurologe Prof. Dr. Michael Platten, die jeweils einen ERC Advanced Grant für ihre Projekte am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim sowie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg eingeworben haben. Sie werden mit insgesamt knapp sieben Millionen Euro gefördert. 

Prof. Dr. Andreas Dreuw

Das von dem Chemiker Andreas Dreuw geleitete ERC-Projekt „High-Performance Computational Photochemistry and Spectroscopy“ (HIPERCOPS) beschäftigt sich mit der Berechnung elektronisch angeregter Zustände molekularer Systeme, um fotochemische Prozesse auf dem Computer simulieren zu können. Während die computergestützte Fotochemie für kleinere Molekülverbände genaue Ergebnisse und verlässliche Vorhersagen liefert, fehlt es nach den Worten von Prof. Dreuw an effizienten und ausreichend genauen Verfahren, die sich auf größere molekulare Systeme anwenden lassen. Mit der HIPERCOPS-Forschung soll diese Lücke geschlossen werden. Dazu arbeiten Prof. Dreuw und sein Team an hocheffizienten neuen Berechnungsverfahren, die auf der Verfahrensfamilie der Algebraischen Diagrammatischen Konstruktion (ADC) beruhen. Die Wissenschaftler wollen neuartige, grundsätzlich parallele Konzepte und Lösungsstrategien für ADC-Verfahren entwickeln, die sich für die Berechnung elektronischer Anregungszustände auf modernen Hochleistungsrechnerarchitekturen einsetzen lassen. Diese mit rund 2,5 Millionen Euro geförderte Forschung zielt darauf, die Grundlagen zu schaffen für optoelektronische Geräte, molekulare solarthermische Energieumwandlung oder solarbetriebene Nanomaschinen, um Solarenergie effizient zu nutzen. Andreas Dreuw ist seit 2011 Professor für Theoretische und Computergestützte Chemie an der Universität Heidelberg und leitet eine gleichnamige Forschungsgruppe am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen. Im vergangenen Jahr wurde er zum Prorektor für Forschung und Digitalisierung der Ruperto Carola gewählt.

Portrait Andreas Dreuw

Prof. Dr. Rohini Kuner

Mit ihren Forschungsarbeiten im Rahmen des ERC-Projekts „Uncovering the Cortical Cellular Basis of Specificity and Chronicity of Pain“ (PAIN ENSEMBLES) geht die Neuropharmakologin Rohini Kuner der Frage nach, welche neuronalen Ensembles – ko-aktive und in Netzwerken verknüpfte Neuronen – zur Spezifität und zur Chronizität von Schmerz beitragen. Die Wissenschaftlerin und ihr Team wollen dabei neokortikale Schmerzensembles identifizieren, die Schmerz von anderen sensorischen Empfindungen, kognitiven Funktionen oder Emotionen abgrenzen. Ziel ist es, molekulare Signaturen, Verknüpfungen und koordinierte Aktivität zu bestimmen, um die funktionale Bedeutung dieser Netzwerke für Schmerz zu verstehen. Die Forscherinnen und Forscher werden dabei auch die Plastizität – den „Umbau“ und die „Neuverschaltung“ neuronaler Ensembles – beim Übergang von akuten zu chronischen Schmerzen untersuchen und der Frage nachgehen, ob sich diese Veränderungen umkehren lassen, etwa durch non-invasive Stimulation des Neokortex und verhaltensbasierte Ansätze zur Schmerzlinderung. Der ERC stellt dafür Fördermittel in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Rohini Kuner lehrt und forscht seit 2006 als Professorin für Pharmakologie und Toxikologie an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg. Seit 2009 leitet sie als Geschäftsführende Direktorin das dort angesiedelte Pharmakologische Institut. Seit der Einrichtung 2015 ist Prof. Kuner Sprecherin eines Sonderforschungsbereichs zum Thema chronischer Schmerz (SFB 1158). In diesem Jahr wurde sie mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland, ausgezeichnet.

Prof. Dr. Rohini Kuner - Leibniz-Preisträgerin 2024

Prof. Dr. Herta Flor

In ihrem ERC-Projekt „A Mechanism-based Approach to the Prevention of Chronic Pain and its Comorbid Mental Disorders“ (MECHPAIN) widmet sich die Neuropsychologin und Klinische Psychologin Herta Flor chronischen Schmerzen, die typischerweise auch mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzuständen einhergehen und trotz enormer Anstrengungen des Gesundheitssystems immer noch schwer zu behandeln sind. Anstelle der Fokussierung auf Symptome in vordefinierten diagnostischen Kategorien zielen die Forschungsarbeiten von Prof. Flor darauf ab, in einem transdiagnostischen Ansatz psychobiologische Faktoren zu analysieren und zu behandeln. Dazu sollen gemeinsame Mechanismen der Chronizität bei drei verschiedenen Schmerzerkrankungen – primäre muskuloskelettale Schmerzen, neuropathische Schmerzen und primäre Kopfschmerzen – unter anderem auch mithilfe des Maschinellen Lernens bestimmt werden, um darauf aufbauend Interventionsmodule für psychobiologische Kernprozesse zu entwickeln. Dies soll die Prävention von chronischen Schmerzen entscheidend voranbringen. Der ERC fördert die Forschungsarbeiten mit rund 2,4 Millionen Euro. Herta Flor ist seit Oktober 2023 Seniorprofessorin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, nachdem sie im Jahr 2000 als Professorin für Neuropsychologie und Klinische Psychologie an die Ruperto Carola berufen worden war. Als Wissenschaftliche Direktorin leitete sie bis 2023 das gleichnamige Institut am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Prof. Flor ist stellvertretende Sprecherin des SFB 1158 – eines seit 2015 bestehenden Sonderforschungsbereichs zum Thema chronischer Schmerz.

Porträt Herta Flor

Prof. Dr. Hannah Monyer

Mit dem ERC-Projekt „Cognitive Deficits Resulting from Selective Vulnerability of Septal Inhibitory Neurons: Mitochondrial Dysfunction as a Driver?“ (Vulnerable Inhibition) zielt die Neurowissenschaftlerin Hannah Monyer darauf, neue Erklärungsansätze bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen zu finden. Ihre Forschung konzentriert sich auf hemmende Nervenzellen einer kleinen Hirnregion, die als Septum bezeichnet wird: Diese Neuronen des Septums erstrecken sich bis in die Strukturen des Hippocampus, wo sie die Aktivität neuronaler Ensembles synchronisieren und kognitive Leistung ermöglichen. In ihrem vom ERC geförderten Projekt wird Prof. Monyer untersuchen, wie sich ein Funktionsverlust der Septum-Neuronen auf die Gedächtnisbildung im nachgeschalteten Hippocampus auswirkt und welche zellulären Mechanismen dahinterstecken. Damit wollen die Wissenschaftlerin und ihr Team herausfinden, welche Rolle diese speziellen Neuronen bei der Symptomatik in den Anfangsstadien neurodegenerativer Erkrankungen spielen und damit einen möglichen neuen Ansatzpunkt für therapeutische Interventionen darstellen könnten. Die Forschungsarbeiten werden mit rund zwei Millionen Euro gefördert. Hannah Monyer ist seit 1999 Ärztliche Direktorin der Abteilung für Klinische Neurobiologie am Universitätsklinikum Heidelberg – einer Brückenabteilung, die an der Medizinischen Fakultät Heidelberg, der Universität Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum angesiedelt ist.

Porträt Hannah Monyer

Prof. Dr. Michael Platten

Im Rahmen seines ERC-Projekts „Characterizing and Harnessing Tumor-reactive T Cells in the Brain“ (CENTRIC-BRAIN) werden der Neurologe Michael Platten und sein Team an der Entwicklung und Optimierung von personalisierten zellulären, durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Immuntherapien bei bösartigen Hirntumoren arbeiten. Die Wissenschaftler haben dazu einen innovativen Ansatz ersonnen: Sie isolieren zunächst T-Zellen aus Tumorgewebe von Patienten – ohne zu wissen, welche Spezifität deren T-Zell-Rezeptoren haben. Ein an den RNA-Sequenzierungsdaten dieser Zellen trainiertes KI-Modell kann vorhersagen, welche T-Zell-Rezeptoren den Krebs erkennen. Dieser „predicTCR“ genannte Klassifikator identifiziert tumorreaktive T-Zellen mit einer Genauigkeit von über 90 Prozent. Mit „predicTCR“ wollen die Wissenschaftler nun die genetischen Programme der aus Hirntumoren isolierten T-Zellen untersuchen und diese Programme dann nutzen, um die Anti-Tumor-Aktivität der Immunzellen zu verbessern. Ziel ist es, therapeutische T-Zellen zu prüfen und für eine klinische Anwendung vorzubereiten. Der ERC stellt für das Projekt Fördermittel in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Michael Platten ist Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Mannheim und Direktor des Mannheimer Zentrums für Translationale Neurowissenschaften an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, an der er seit 2016 eine Professur für Neurologie innehat. Am Deutschen Krebsforschungszentrum leitet er die Klinische Kooperationseinheit Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie. 

Der ERC Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates wendet sich an herausragende, bereits etablierte Forscherinnen und Forscher, die im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit bahnbrechende und im positiven Sinn risikobehaftete Forschungsvorhaben umsetzen möchten. Die maximale Förderdauer beträgt fünf Jahre.

Porträt Michael Platten