Universitätsbibliothek Festveranstaltung zur Aufnahme des Codex Manesse in das UNESCO-Weltdokumentenerbe

Pressemitteilung Nr. 99/2023
7. September 2023

Die prachtvoll gestaltete Sammlung mittelhochdeutscher Lied- und Spruchdichtung ist das wertvollste Buch der Universitätsbibliothek Heidelberg

Der Codex Manesse im Bestand der Universitätsbibliothek Heidelberg gehört seit Mai dieses Jahres zum UNESCO-Weltdokumentenerbe „Memory of the World“. Die prachtvoll gestaltete Sammlung mittelhochdeutscher Lied- und Spruchdichtung steht am 19. September 2023 im Mittelpunkt einer Festveranstaltung zur Aufnahme in dieses Verzeichnis. Prof. Dr. Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, wird ein Grußwort sprechen. Knut Zuchan, Leiter der Arbeitseinheit für Multilaterale Kulturpolitik/UNESCO im Auswärtigen Amt, wird die Urkunde übergeben. Es folgen drei wissenschaftliche Fachvorträge zur herausragenden kulturellen Bedeutung des Codex Manesse. Zu der öffentlichen Veranstaltung lädt der Rektor der Ruperto Carola, Prof. Dr. Bernhard Eitel, in die Aula der Alten Universität ein. Beginn ist um 17 Uhr.

Codex Manesse: Rudolf von Rotenburg

Wie der Codex Manesse im „Gedächtnis der Menschheit“ verankert ist, wird der Historiker Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard in seinem Vortrag ausführen; der Staatssekretär a.D. ist Vorsitzender des Deutschen Nominierungskomitees für das UNESCO-Programm. „Zur Geschichte eines weltberühmten Buches“ spricht im Anschluss daran Dr. Veit Probst, Direktor der Universitätsbibliothek Heidelberg. Der Heidelberger Germanist und Dekan der Neuphilologischen Fakultät der Ruperto Carola, Prof. Dr. Ludger Lieb, hält zum Abschluss der Veranstaltung einen Vortrag mit dem Titel „Was dokumentiert der Codex Manesse? Zur Performanz des Minnesangs“.

Der Codex Manesse entstand in seinem Grundstock um 1300 in Zürich – vermutlich auf Betreiben von Rüdiger Manesse und seinem Sohn Johannes, die die mittelhochdeutsche Lieddichtung in ihrer gesamten Gattungs- und Formenvielfalt zusammentragen wollten. Mehrere Nachträge kamen bis etwa 1340 hinzu. Die Handschrift umfasst 426 beidseitig beschriebene Pergamentblätter. Darauf wurden die Texte von 140 Dichtern in rund 6.000 Strophen gesammelt. Mehr als die Hälfte der Werke ist ausschließlich in dieser Handschrift überliefert. Von herausragender künstlerischer Qualität ist zudem die repräsentative Ausgestaltung des Codex Manesse. Den Texten sind 137 farbige, ganzseitige Miniaturen vorangestellt: Sie zeigen die Dichter in idealisierter Form bei höfischen Aktivitäten.

Codex Manesse

Seit dem frühen 17. Jahrhundert ist die Handschrift im Besitz der Heidelberger Kurfürsten nachweisbar. Vor der Eroberung der Stadt Heidelberg durch Truppen der katholischen Liga im Jahr 1622 wurde sie vermutlich von der kurfürstlichen Familie auf der Flucht mitgeführt und nach dem Tod von Kurfürst Friedrich V. im Jahr 1632 von dessen Witwe Elisabeth Stuart in finanzieller Notlage verkauft. Von 1657 an befand sich die Liederhandschrift im Besitz der Königlichen Bibliothek in Paris, der heutigen Bibliothèque nationale de France. 1888 kehrte sie in einem komplizierten französisch-englisch-deutschen Tauschgeschäft nach Heidelberg zurück. Seitdem befindet sie sich in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Schon seit vielen Jahren wird der Codex im klimatisierten Tresor der Universitätsbibliothek aufbewahrt und aus konservatorischen Gründen nur noch äußerst selten öffentlich gezeigt. Neben dem online zugänglichen Digitalisat kann ein aufwendig gestaltetes Faksimile in der Universitätsbibliothek besichtigt werden.

Das Programm „Memory of the World“ wurde im Jahr 1992 mit dem Ziel ins Leben gerufen, dokumentarische Zeugnisse von universellem Wert zu sichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Über die Aufnahme des Codex Manesse hat der UNESCO-Exekutivrat, das politische Steuerungsgremium der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, am 18. Mai in Paris entschieden. Zum Weltdokumentenerbe in Deutschland gehören unter anderem die Göttinger Gutenberg-Bibel, die Himmelsscheibe von Nebra oder Goethes literarischer Nachlass.