Online-Portal Heidelberger Karzer: Digitaler Katalog mit über 2.000 Bildern

Pressemitteilung Nr. 7/2022
20. Januar 2022

Die Malereien des Studentengefängnisses sowie zahlreiche Hintergrundinformationen sind online frei zugänglich

Szenen aus dem Studentenleben, Karikaturen, geheimnisvolle Zeichen – mehr als 2.000 Malereien und Graffiti zieren die Wände und Decken des historischen Karzers der Universität Heidelberg. Sie stammen von Studenten, die aufgrund eines Vergehens dort inhaftiert waren. Über ein neues Online-Portal lassen sich nun neben den Bildern selbst auch zahlreiche Hintergrundinformationen zu den einzelnen Objekten abrufen – darunter auch Angaben, von wem sie gestaltet wurden oder aus welcher Zeit sie stammen. Hervorgegangen ist das frei zugängliche Recherche-Instrument aus einem Projekt des Instituts für Europäische Kunstgeschichte der Ruperto Carola in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege sowie der Universitätsbibliothek Heidelberg. Erarbeitet wurde dabei eine vollständige Foto-Dokumentation des Universitätskarzers, der zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt Heidelberg gehört.

Studentenkarzer

Den Ausgangspunkt dieser Dokumentation bildete ein zentimetergenauer Plan des Karzers mit allen fünf Arrestzellen sowie dem Treppenhaus, das sich über drei Stockwerke erstreckt. Jede Malerei, jede Inschrift, jede Zeichnung wurde fotografisch erfasst und klassifiziert. „Durch Auswertung verschiedener Quellen des Universitätsarchivs war es in sehr vielen Fällen möglich, die Karzerinsassen als Urheber der Graffiti namentlich zu identifizieren. Mithilfe des sogenannten Karzerbuchs ließ sich zudem ermitteln, welche Person wann und wie oft eine Strafe im Studentengefängnis verbüßt hat“, erläutert der Leiter des Dokumentationsprojekts, Prof. Dr. Matthias Untermann vom Institut für Europäische Kunstgeschichte. Entstanden ist auf diese Weise ein umfangreicher digitaler Katalog mit über 2.000 Bildern, der mithilfe entsprechender Such- und Filterfunktionen nach verschiedenen Kriterien durchforstet werden kann. So besteht die Möglichkeit, einzelne Räume direkt anzusteuern, der Katalog kann aber auch nach Namen, Objekten und weiteren Informationen durchsucht werden. Ergänzende Links führen darüber hinaus zu den Quellen des Heidelberger Universitätsarchivs sowie der Universitätsbibliothek. Handschriftliche Texte wie die Inschriften, die sich auf Wänden und Decken der Arrestzellen sowie des Treppenhauses befinden, werden in einer Transkription zugänglich gemacht.

Der Studentenkarzer befindet sich in der Augustinergasse auf der Rückseite der Alten Universität. Das Gebäude wurde 1786 von der Universität erworben. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgte nach und nach der Umbau zum Karzer. Mehr als 100 Jahre lang wurden Studenten dort unter Anwendung der akademischen Gerichtsbarkeit für Delikte wie nächtliche Ruhestörung oder andere Verstöße gegen die öffentliche und universitäre Ordnung festgesetzt. In den letzten Jahrzehnten vor Schließung des studentischen Gefängnisses im Jahr 1914 galt es in Studentenkreisen als schick, sich in den Karzer sperren zu lassen und sich dort mit Malereien und Kritzeleien zu verewigen. Dazu gehörte zum Beispiel das Anfertigen von Schattenrissen, die Darstellung von Streichen oder das Anbringen von Erkennungszeichen studentischer Verbindungen, sogenannter Zirkel. „Ich glaube nicht, dass ich jemals in üppiger mit Fresken geschmückten Räumen war“, schrieb der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, als er den Heidelberger Karzer im Jahr 1878 besuchte – zu einer Zeit als dieser noch als Studentengefängnis genutzt wurde.

Wie Prof. Untermann betont, spielt die neue Bilddatenbank auch eine unterstützende Rolle bei der mittlerweile gestarteten Karzersanierung, die im Rahmen des Denkmalschutz-Sonderprogramms der Bundesregierung gefördert wird. Aufgrund natürlicher Verfallserscheinungen, klimatischer Verhältnisse und letztlich auch der Nutzung durch die Besucher sind mittlerweile umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen notwendig geworden, um vor allem die Wand- und Deckenbemalungen zu erhalten. Dazu gehören unter anderem die Malschicht- und Putzsicherung, die Ergänzung von Fehlstellen sowie Retuschen.