Forschung Mit Laserscanning die Oberflächendynamik von Sterndünen nachvollziehen

15. Dezember 2022

Heidelberger Geografinnen und Geografen verwenden neue Methoden, um große Dünenformen in Zeit und Raum zu erfassen und ihre Entstehung zu klären

Sterndünen gehören zu den größten Dünenformen der Erde und können aufgrund ihrer im Laufe der Zeit wechselnden Gestalt wichtige Indikatoren sein, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Geographischen Instituts der Universität Heidelberg haben eine solche Düne in der Sandwüste „Erg Chebbi“ in Marokko mithilfe des Laserscanning untersucht. Dabei verbanden sie erstmals hochpräzise dreidimensionale Messungen ihrer Oberflächenveränderungen mit dauerhaft erfassten Winddaten. In der Zusammenarbeit der Forschungsgruppen Geomorphologie um Prof. Dr. Olaf Bubenzer und Geoinformatik um Prof. Dr. Bernhard Höfle konnte die Oberflächendynamik der Sterndüne dargestellt werden.

Sterndünen in der Sandwüste „Erg Chebbi“

Die großen Formationen der Sterndünen sind weltweit in fast allen Sandmeeren – sogenannten Ergs – zu finden. Als Ergebnis früherer und heutiger Winddynamiken sowie ihrer Sandbewegungen ist die Morphologie dieser Dünen hochkomplex. In ihrer Anlage sind sie oft mehrere tausend, ja sogar bis zu zehntausend Jahre alt. Damit spiegeln sie auch die jeweiligen klimatischen Bedingungen und damit verbundene Faktoren, wie zum Beispiel die Bedeckung mit Vegetation, im Laufe der Zeit wider. Die Veränderung der Vegetationsbedeckung und des Transports von Sedimenten können ein tieferes Verständnis über das Wachstum und den Rückgang von Sandwüsten ermöglichen und damit auch Einblicke in die Auswirkungen des Klimawandels in Trockengebieten geben. Wie Sterndünen entstehen und sich verändern, ist jedoch bislang kaum erklärt. Neue detaillierte und wiederholte Messungen der Wind- und Oberflächendynamik erlauben es nun, die Entwicklung dieser komplexen Dünenformen besser nachzuvollziehen.

Die Sandoberfläche in der Wüste „Erg Chebbi“ in Marokko wurde mithilfe des „terrestrischen Laserscanning“ gemessen. Damit wird ein dreidimensionales Modell einer Landschaft anhand von hunderten Millionen von Messpunkten erzeugt. Aus den Daten der wiederholten Messungen konnten die Heidelberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Veränderungen der Dünenform zwischen Oktober 2018 und Februar 2020 ableiten. Zusätzlich wurden als horizontale Bewegung die Änderungen im Verlauf der komplexen Dünenkämme ermittelt. Sie repräsentieren den Sandtransport und können mit den stündlichen Messungen von Windrichtung und Windgeschwindigkeit in Beziehung gesetzt werden. Dabei wird der Sand auf den Dünen erst ab einer Windgeschwindigkeit von etwa sechs Metern pro Sekunde transportiert, was nach Angaben der Forscherinnen und Forscher in etwa der Geschwindigkeit des schnellsten 5.000-Meter-Läufers entspricht.

„Bei der Analyse der Sterndüne in Marokko haben wir zu unserer Überraschung einen Staueffekt festgestellt. An Stellen, an denen üblicherweise ein Sandabtrag zu erwarten wäre, findet bei der von uns untersuchten Düne eine Anhäufung von Sand statt“, sagt Manuel Herzog, Doktorand in der Forschungsgruppe von Prof. Bubenzer. Diese Sandanhäufung führt zu Wachstum an den Dünenarmen, das zum Selbsterhalt von Großdünen wie der untersuchten im „Erg Chebbi“ beiträgt. Dies lässt vermuten, dass die steile Neigung der Hänge an den Dünenarmen – neben ihrer Höhe – eine größere Bedeutung für den Sandtransport haben als bisher angenommen. „Bei der Beobachtung der Dynamik von Sterndünen ist es ein wichtiger Faktor, diese Dünen häufiger mit 3D-Laserscanning zu erfassen. Erst damit lässt sich besser abschätzen, wie der Sandtransport auf verschiedenen Zeitskalen abläuft, zum Beispiel unter Berücksichtigung saisonaler Effekte“, so Olaf Bubenzer.

Die Heidelberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Geomorphologie und der Geoinformatik wollen ihren Analyseansatz – die Verbindung von dreidimensionalen Messungen der Oberflächenveränderungen mit dauerhaft erfassten Winddaten – auf andere geographische Gebiete übertragen, um diese komplexen Mega-Dünenformen und die zugrunde liegende windbedingte Dynamik besser zu verstehen. Davon erhoffen sie sich neue Erkenntnisse zu Fragen des Klimawandels, die über bestimmte Formationen von Sanddünen hinaus insbesondere Annahmen zur Ausbreitung von Trockengebieten betreffen.

Prof. Bubenzer ist Leiter von zwei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekten, in denen mithilfe interdisziplinärer Ansätze unter anderem die Geomorphologie von Wüsten erforscht wird. Prof. Höfle leitet die Forschungsgruppe „3D Geospatial Data Processing“ (3DGeo). Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten, die aus der Kooperation entstanden, wurden in der Zeitschrift „Earth Surface Processes and Landforms“ veröffentlicht.

Originalpublikation

M. Herzog, K. Anders, B. Höfle, O. Bubenzer: Capturing complex star dune dynamics – repeated highly accurate surveys combining multitemporal 3D topographic measurements and local wind data. Earth Surface Processes and Landforms, 47 (11), 2726-2739. (18 May 2022)

Weiterführende Literatur

O. Bubenzer: Entwicklung von Dünenlandschaften. Ruperto Carola Forschungsmagazin, 12/2018, 106-113. (3. Juli 2018).