Forschung Neu entdeckter Kohlenstoffweg könnte schnelleres Pflanzenwachstum unter steigenden CO2-Konzentrationen erklären

16. Dezember 2024

Internationale Forschungsarbeiten mit Heidelberger Beteiligung bringen neue Erkenntnisse, wie Pflanzen Kohlenstoff verarbeiten

Ein bislang unbekannter Kohlenstoffweg im Zusammenhang mit der Photosynthese könnte erklären, warum Pflanzen unter steigenden Kohlendioxidkonzentrationen schneller wachsen. Das legen Untersuchungen nahe, die ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Geowissenschaftlern der Universität Heidelberg durchgeführt hat. Die Forscherinnen und Forscher entdeckten den neuartigen Mechanismus der Kohlenstoffverarbeitung erstmals bei Kalifornischen Pappeln. Er sorgt dafür, dass Kohlenstoffatome schnell zu ihrem Bestimmungsort in der Pflanze transportiert werden, wo sie vornehmlich dem Aufbau von Zellen dienen. Der neu entdeckte Kohlenstoffweg könnte dabei als Bindeglied zwischen verstärkter Photosynthese und schnellerem Pflanzenwachstum unter größeren Kohlendioxidkonzentrationen fungieren.

Wenn Pflanzen Kohlendioxid (CO2) aufnehmen, wandeln sie die Kohlenstoffatome mithilfe von Licht in verschiedene Moleküle um. Die Kohlenstoffatome dienen zum Beispiel der Herstellung von Proteinen und Gerüstsubstanzen, die das Zellwachstum und die Struktur der Pflanze stärken. Diese biochemischen Vorgänge werden auch als „Wege“ bezeichnet. Der nun erstmals bei Kalifornischen Pappeln nachgewiesene Kohlenstoffweg steht in Verbindung mit der sogenannten C1-Photosynthese-Reaktion, die Pflanzen für die Bildung von Sauerstoff und organischen Verbindungen nutzen. Dabei werden Moleküle mit einem Kohlenstoffatom (C1) übertragen. Identifiziert wurde der Kohlenstoffweg von Wissenschaftlern des Earth Environmental Sciences Area am Lawrence Berkeley National Laboratory (USA) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Frank Keppler, der am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg die Forschungsgruppe Biogeochemie leitet. 

Im Rahmen der Forschungsarbeiten hat das Team untersucht, wie die Blätter von Kalifornischen Pappeln Kohlenstoff nutzen und die Atome im Zuge der Photosynthese in der Pflanze verteilen. Dazu markierten die Wissenschaftler CO2 mit schweren (13C) Kohlenstoffisotopen. Wie diese dann in der Pflanze zirkulieren, wurde unter Leitung von Prof. Keppler in Heidelberg analysiert. Die Messungen zeigen, dass der neu entdeckte Kohlenstoffweg eine entscheidende Funktion für den schnellen Transport der Atome während der Photosynthese einnimmt. Dabei sorgt die chemische Reaktion der sogenannten Methylierung dafür, dass die Kohlenstoffatome zu ihren verschiedenen Bestimmungsorten gelangen. Verwendet werden sie dort für den Aufbau von Zellen, Kohlehydraten, Proteinen und Gerüstsubstanzen wie Pektin, die für das Pflanzenwachstum benötigt werden. 

Basierend auf ähnlichen Beobachtungen bei anderen photosynthetischen Prozessen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich der von ihnen identifizierte Kohlenstoffweg unter den weiter steigenden CO₂-Konzentrationen, die auch den Klimawandel mitverursachen, verstärkt auswirken wird. Das könnte dazu führen, dass Pflanzen künftig schneller wachsen. Aus diesen Erkenntnissen zum Kohlenstoffkreislauf von Pflanzen erhoffen sich die Forscherinnen und Forscher potentiell auch Rückschlüsse darauf, wie gut Wälder in Zukunft mit dem Klimawandel und den steigenden Kohlendioxidkonzentrationen zurechtkommen. 

„Dabei könnte sich der bisher unbekannte Kohlenstoffweg auch als entscheidend für das weitere Verständnis der pflanzenbasierten Freisetzung von klimarelevanten Gasen erweisen“, so Frank Keppler. Wie der Geowissenschaftler erläutert, entsteht bei der C1-Photosynthese-Reaktion die Aminosäure Methionin, die dem Aufbau von Proteinen dient, gleichzeitig aber auch mit der Entstehung des Treibhausgases Methan und anderen klimarelevanten C1-Gasen wie Chlormethan und Methanol in Verbindung gebracht wird. Frühere Untersuchungen kamen zu dem Schluss, dass Pflanzen lediglich Methan transportieren, das von Bodenmikroben erzeugt wird. Die aktuellen Untersuchungen untermauern jedoch die These, dass Methan, Chlormethan und Methanol durch den Stoffwechsel von Methionin in Pflanzen entstehen könnten. Das würde nach den Worten von Prof. Keppler nahelegen, dass Methan auch direkt in photosynthetischen Geweben synthetisiert wird.

An den Forschungsarbeiten waren neben den Wissenschaftlern aus Berkeley und Heidelberg auch Forscherinnen und Forscher der University of California in Berkeley, der Australian National University und der University of São Paolo (Brasilien) beteiligt. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Communications Biology“ veröffentlicht.

Neu entdeckter Kohlenstoffweg könnte schnelleres Pflanzenwachstum unter steigenden CO2-Konzentrationen erklären

Originalpublikation

K. J. Jardine, L. Gallo, M. Roth, S. Upadhyaya, T. Northen, S. Kosina, G. Tcherkez, A. Eudes, T. Domigues, M. Greule, S. Som and F. Keppler: The ‘photosynthetic C1 pathway’ links carbon assimilation and growth in California poplar, Communications Biology (8 November 2024).