Forschung Neues Forschungsprojekt: Transformation des Antiziganismus in der Moderne
3. April 2025
Vorhaben an der Forschungsstelle Antiziganismus der Universität Heidelberg ist Teil einer DFG-geförderten Forschungsgruppe
Soziografische Vorstellungen über Sinti und Roma mündeten von Mitte des 19. Jahrhunderts an in einen „rassenbiologischen“ Begriff, der den nationalsozialistischen Völkermord mit bedingte. Dieser Transformationsprozess ist Thema eines Forschungsprojekts, das an der Forschungsstelle Antiziganismus der Universität Heidelberg seine Arbeit aufgenommen hat. Neben grundlegenden Aspekten der Praxis staatlicher und polizeilicher Verfolgung sollen dabei auch die Verschränkungen von Antiziganismus, Antisemitismus und Kolonialrassismus untersucht werden. Das Vorhaben ist Teil der Forschungsgruppe „Antiziganismus und Ambivalenz in Europa (1850 bis 1950)“, an der unter Federführung der Europa-Universität Flensburg Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Universitäten mitwirken.
Den besonderen Ansatz des Heidelberger Projekts sieht Prof. Dr. Tanja Penter darin, „dass erstmals das transnationale Diskurs- und Korrespondenznetzwerk, das Wissen über Sinti und Roma produzierte, in seiner von vielfältigen Verflechtungen geprägten Entstehung dargestellt werden soll“, so die wissenschaftliche Leiterin der Forschungsstelle Antiziganismus. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, welche Rolle die Wissenschaft dabei spielte und welche Bedeutung die rassistische Wissensproduktion für den NS-Völkermord an den Sinti und Roma in Europa hatte. Bearbeitet wird das Teilprojekt mit dem Titel „Transformationen des polizeilichen antiziganistischen Diskurses: vom ,rassischen‘ Paradigma zur genozidalen Praxis“ von Verena Meier im Rahmen eines Postdoktoranden-Vorhabens. Neben den Schwerpunkten Kriminologie und Medizin sowie geschlechtergeschichtlichen Aspekten soll dabei insbesondere auch die vernachlässigte Perspektive der Minderheit selbst einbezogen werden. „Das Vorhaben wird die Selbstbehauptung und Handlungsfähigkeit von Angehörigen der Sinti und Roma aufzeigen, etwa bei Selbstartikulationen der Betroffenen gegen diskriminierende Fremddarstellungen und Praktiken – ein Aspekt, dem die historische Antiziganismusforschung bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat“, betont Dr. Frank Reuter, der wissenschaftlicher Geschäftsführer der am Historischen Seminar der Universität Heidelberg angesiedelten Forschungsstelle Antiziganismus ist.
Die DFG-Forschungsgruppe widmet sich über einen Zeitraum von vier Jahren der umfassenden Analyse der Hintergründe, Verflechtungen und Dynamiken von Antiziganismus in Europa. Neben Flensburg und Heidelberg sind daran auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Gießen, Marburg und Regensburg beteiligt.