Forschung Universeller Mechanismus der Methanbildung entdeckt

Pressemitteilung Nr. 22/2022
9. März 2022

Wissenschaftler aus Heidelberg und Marburg weisen nach, dass das Treibhausgas auf chemischem Weg in den Zellen von allen Lebewesen gebildet wird

Der Bildung des Treibhausgases Methan liegt ein universeller Mechanismus zugrunde. Das haben Wissenschaftler an der Universität Heidelberg und am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg entdeckt. Das interdisziplinäre Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Frank Keppler vom Institut für Geowissenschaften und Dr. Ilka Bischofs vom BioQuant-Zentrum der Ruperto Carola fand heraus, dass Methan auf rein chemischem Weg in den Zellen von Organismen entsteht. Die Untersuchungen liefern unter anderem eine Erklärung dafür, dass Methan nicht nur durch die Aktivität spezieller Mikroorganismen freigesetzt, sondern – wie bereits vor einiger Zeit beobachtet – auch von Pflanzen und Pilzen abgegeben wird. Die aktuellen Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt im Verständnis der aeroben Methanbildung in der Umwelt.

Wissenschaftler aus Heidelberg und Marburg weisen nach, dass das Treibhausgas Methan auf chemischem Weg in den Zellen von Lebewesen gebildet wird.

Methan trägt als Treibhausgas zum weltweiten Klimawandel bei. Die natürlichen und menschengemachten Ursachen für seine Entstehung sind daher von besonderem Interesse für die Wissenschaft. „Lange wurde angenommen, dass Methan nur durch sogenannte Urbakterien oder Archaeen gebildet wird, wenn diese unter Ausschluss von Sauerstoff organische Substanzen zersetzen. Als wissenschaftliche Beobachtungen gezeigt haben, dass auch Pflanzen, Pilze, Algen und Cyanobakterien in Gegenwart von Sauerstoff Methan bilden, wurde dies zunächst enzymatischen Aktivitäten zugeschrieben“, erläutert Leonard Ernst, Erstautor der Studie. Ein dafür verantwortliches Enzym ließ sich jedoch bisher in keinem dieser Organismen identifizieren. Nun gelang den Wissenschaftlern der Nachweis, dass Methan auch ohne einen solchen Katalysator mithilfe eines rein chemischen Mechanismus gebildet werden kann.

Befeuert wird dieser Mechanismus von sogenannten reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), die durch die Stoffwechselaktivität von Zellen entstehen. Im Zusammenspiel mit dem essentiellen Element Eisen sind solche Sauerstoffverbindungen in sämtlichen Organismen an einer chemischen Reaktion beteiligt, die über verschiedene Schritte zur Bildung hochreaktiver Stoffwechselzwischenprodukte führt. Diese treiben die Abspaltung eines Methylradikals von Schwefel- und Stickstoffverbindungen voran. Durch die anschließende Reaktion mit Wasserstoffatomen entsteht Methan. Wie die Forscher anhand des Bakteriums Bacillus subtilis nachweisen konnten, steht das Ausmaß der Methanbildung in direktem Zusammenhang mit der Stoffwechselaktivität: „Je aktiver die Zelle, desto mehr Methan wird gebildet“, erläutert Dr. Bischofs, Leiterin einer gemeinsamen Forschungsgruppe am BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg sowie am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie.

Die ROS-bedingte Bildung von Methan konnte im Rahmen der Studie in über 30 Modellorganismen nachgewiesen werden – von Bakterien und Archaeen über Hefen und Pflanzenzellen bis hin zu menschlichen Zelllinien. Nach den Worten von Leonard Ernst ist es daher sehr wahrscheinlich, dass diese rein chemisch ausgelöste Methanbildung in allen Organismen stattfindet. Prof. Keppler: „Unsere Erkenntnisse könnten sich als Meilenstein für das Verständnis der aeroben Methanbildung in der Umwelt erweisen, lassen sich mit diesem universellen Mechanismus doch auch unsere früheren Beobachtungen zur Freisetzung von Methan aus Pflanzen erklären.“

Zusätzlich zu erhöhter Stoffwechselaktivität führte in den untersuchten Organismen auch oxidativer Stress, ausgelöst durch höhere Umgebungstemperaturen oder die Zugabe von ROS-bildenden Substanzen, zu gesteigerter Methanbildung. Steuerten die Wissenschaftler mithilfe von Antioxidantien dagegen, ging die Methanbildung zurück – ein Zusammenspiel von Faktoren, das die Entstehung von Methan in Organismen regulieren könnte. „Diese Wechselwirkung mit physikalischen und chemischen Stressfaktoren würde auch erklären, warum ein einzelner Organismus sehr unterschiedliche Mengen von Methan freisetzen kann“, so Frank Keppler. „Danach könnten Methanschwankungen in der Atemluft des Menschen Hinweise auf das oxidative Stresslevel liefern oder auf Immunreaktionen hindeuten.“ Außerdem, so eine weitere Vermutung, beeinflussen die sich durch den Klimawandel ändernden Umwelt- und Temperaturbedingungen das Stressniveau vieler Lebewesen und führen dazu, dass diese verstärkt Methan freisetzen.

Neben den Wissenschaftlern der Universität Heidelberg und des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg waren Forscherinnen und Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien sowie der Universität Gießen an der Studie beteiligt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft haben die Forschungsarbeiten gefördert. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Originalveröffentlichung

L. Ernst, B. Steinfeld, U. Barayeu, T. Klintzsch, M. Kurth, D. Grimm, T. P. Dick, J. G. Rebelein, I. B. Bischofs, F. Keppler: Methane formation driven by reactive oxygen species across all living organisms. Nature (9 March 2022)