Universitätsarchiv Universität Heidelberg erhält Mitschriften zu Vorlesungen von Karl Jaspers
26. Juni 2024
Die beiden Hefte stammen von der jüdischen Philosophiestudentin Eva Hildesheimer, die Deutschland infolge des Nationalsozialismus verließ
Mitschriften von zwei Vorlesungen des Philosophen Karl Jaspers aus den Jahren 1932 und 1933 hat das Universitätsarchiv der Ruperto Carola als private Schenkung erhalten. Sie stammen von der jüdischen Studentin Eva Hildesheimer, die ihr Studium 1933 abbrechen musste und Deutschland im Zuge der Machtübernahme der Nationalsozialisten verließ. Die beiden Hefte, die jeweils rund 50 Seiten umfassen, übergab ihr Sohn Giora Teltsch in einer kleinen Feierstunde an die Rektorin der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Frauke Melchior. Bei den Vorlesungen von Karl Jaspers, die Eva Hildesheimer dokumentiert hat, handelt es sich um eine Lehrveranstaltung zur „Geschichte der neueren Philosophie“ aus dem Sommersemester 1932 sowie eine Vorlesung über den Philosophen Immanuel Kant aus dem Wintersemester 1932/1933.
„Die Hefte von Eva Hildesheimer erinnern an eine ehemalige Studentin unserer Universität und zugleich an den Heidelberger Philosophen Karl Jaspers. Sie erinnern uns aber auch daran, wie erschreckend schnell die als liberal geltende Universität Heidelberg sich in dieser Zeit in eine nationalsozialistisch geprägte Hochschule gewandelt hat“, betonte Prof. Melchior und dankte der Familie für die Überlassung der Dokumente. Giora Teltsch hob hervor, dass die Hefte seiner Mutter offenbar sehr viel bedeutet hätten. Zuletzt verwahrt wurden sie von der Germanistin und Alumna der Universität Heidelberg, Dr. Christa Geitner, einer Stieftochter des Bruders von Eva Hildesheimer, die ebenfalls bei der Übergabe zugegen war. Im Rahmen der Feierstunde stellte Dr. Ingo Runde, der Leiter des Universitätsarchivs, die Arbeit seiner Einrichtung vor, sein Stellvertreter Gabriel Meyer referierte über die Bedeutung studentischer Quellen. Die beiden Hefte Eva Hildesheimers können nun wissenschaftlich ausgewertet werden, so Dr. Runde.
Eva Hildesheimer (1914 bis 2010), die in Mannheim ihr Abitur abgelegt hatte, schrieb sich zum Sommersemester 1932 an der Universität Heidelberg zunächst für ein naturwissenschaftliches Studium ein, wechselte dann aber in die Philosophie. Nach dem Wintersemester 1932/33 – Adolf Hitler war mittlerweile zum Reichskanzler ernannt worden – beendete sie ihr Studium an der Ruperto Carola frühzeitig. Gemeinsam mit ihren Eltern sowie ihrem jüngeren Bruder Wolfgang, der sich später als Schriftsteller und Mozart-Biograph einen Namen machte, emigrierte sie über London nach Palästina. In den 1960er Jahren war Eva Hildesheimer, die mittlerweile den Vornamen Hava und den Nachnamen Teltsch ihres Mannes angenommen hatte, unter anderem im israelischen Außenministerium tätig. Nach ihrer Pensionierung intensivierte sie ihre ehrenamtlichen Aktivitäten im sozialen und kulturellen Bereich.
Karl Jaspers (1883 bis 1969) gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er lebte von 1906 bis 1948 in Heidelberg und war von 1922 an bis zu seiner Entlassung durch das nationalsozialistische Regime im Jahr 1937 Ordinarius für Philosophie an der Universität Heidelberg. Seine Frau Gertrud entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie und konnte nur dank der Ehe mit Jaspers trotz erheblicher Repressalien für beide überleben. Nach Kriegsende gehörte Karl Jaspers dem sogenannten Dreizehnerausschuss an, der den Neuaufbau der Ruperto Carola organisierte. Er nahm seine wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität Heidelberg wieder auf, die ihm 1946 die Ehrensenatorenwürde verlieh. Auch aus Enttäuschung über die politische Entwicklung in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der keine ernsthafte Diskussion über die NS-Zeit stattfand, wechselte Jaspers 1948 an die Universität Basel und wurde 1967 Schweizer Staatsbürger.