Forschung Wie Ribosomen-Produktion und Zellteilungsrate gekoppelt werden

7. September 2023

Wissenschaftler der Universität Heidelberg untersuchen funktionelle Details eines Ribonukleoprotein-Komplexes für diese Verschaltung

Damit sich Krebszellen ständig und ungebremst teilen können, müssen sie die zellulären Mechanismen überlisten, die normalerweise die strenge Kontrolle der Zellteilung gewährleisten. Einer der elementaren zellulären Vorgänge ist dabei die Herstellung der Ribosomen, die von Krebszellen so manipuliert wird, dass die Ribosomenproduktionsrate hochgefahren und dadurch erst die notwendig hohe Zellteilungsrate ermöglicht wird. Ein Forschungsteam am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg hat dazu die große ribosomale Untereinheit 60S untersucht, die eine „Vermittlerrolle“ in der Kopplung dieser beiden Vorgänge spielt. Die Wissenschaftler konnten dabei die strukturellen und funktionellen Details eines Ribonukleoprotein-Komplexes aufklären, der diesen Prozess steuert.

Elektronendichtekarte des MDM2-5S-RNP-Komplexes

Ribosomen sind die Nano-Maschinen der Zelle, die als Proteinfabriken für den Organismus lebenswichtige Proteine mit unterschiedlichen Aufgaben herstellen. Die korrekte Ribosomenherstellung ist daher für die Zellteilung und Zellvermehrung von elementar Bedeutung. Wie der Biochemiker Prof. Dr. Ed Hurt erläutert, wurde vor rund 20 Jahren erstmals beobachtet, dass sich die Teilung von Krebszellen hemmen lässt, wenn die Produktion neuer Ribosomen blockiert wird. Es dauerte ein weiteres Jahrzehnt, bis geklärt werden konnte, was die molekularen Ursachen für diese Kopplung sein könnten.

Eine entscheidende Rolle dabei spielt ein Ribonukleoprotein-Partikel (RNP) mit der Bezeichnung 5S RNP. Bei der Untersuchung seiner Eigenschaften konnte das Heidelberger Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Hurt zeigen, wie die Komponenten des 5S RNP miteinander und mit anderen zellulären Faktoren interagieren, um den Zusammenbau von Ribosomen voranzutreiben. Dieses Ribonukleoprotein-Partikel kann aber bei gestörter Ribosomenproduktion vom ribosomalen Weg „abgezogen“ werden. In diesem Fall bindet das freie 5S RNP an ein bestimmtes Enzym, eine Ubiquitin Ligase, was dessen normale Funktion verhindert, nämlich das Tumorsuppressorprotein p53 – den „Wächter des Genoms“ – niedrig zu halten. Die Folge ist das Anwachsen von p53, mit der Konsequenz eines negativen Einflusses auf Zellteilung und Zellproliferation.

Das Forschungsteam von Prof. Hurt hat einen Test entwickelt, der im Reagenzglas nachahmt, wie das 5S RNP in die neu entstehenden Ribosomen eingebaut wird. „Unser Verfahren könnte eingesetzt werden, um zu untersuchen, wie sich die Ribosomensynthese und damit die Zellteilung bei Krankheiten wie Krebs hemmen lässt. Solche Ansätze sind wichtig, um neue Wege in der Krebsbehandlungsforschung und der Entwicklung von Krebsmedikamenten einzuschlagen“, betont Nestor Castillo Duque de Estrada, Doktorand in der Forschungsgruppe von Ed Hurt, der diese Vorgänge im Detail untersucht hat.

Die Forschungsergebnisse entstanden in Zusammenarbeit mit Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität München, des European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg und des Max-Planck-Instituts für Biophysik in Frankfurt am Main. Gefördert wurden sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Europäischen Union. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Structural & Molecular Biology“ erschienen.

Originalpublikation

N. M. Castillo Duque de Estrada, M. Thoms, D. Flemming, H. M. Hammaren, R. Buschauer, M. Ameismeier, J. Baßler, M. Beck, R. Beckmann, E. Hurt: Structure of nascent 5S RNPs at the crossroad between ribosome assembly and MDM2–p53 pathways. In: Nature Structural & Molecular Biology (2023).