Tabea Botthof Auf Olympia-Kurs
Tabea Botthof meistert Medizinstudium und internationale Eishockey-Karriere

»Ich habe einfach Glück gehabt mit dem, was mir in die Wiege gelegt worden ist.« Tabea Botthof ist erfolgreiche Eishockey-Nationalspielerin und mehrfache WM-Teilnehmerin, sie hat bereits ein an der US-amerikanischen Eliteuniversität Yale abgeschlossenes Psychologiestudium in der Tasche und studiert aktuell an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Humanmedizin. In die Wiege gelegtes Talent und Verstand waren auf dem Weg zu der beeindruckenden Bilanz der 24-Jährigen sicher hilfreich. Hinzu kommen ein fester Wille, eine ordentliche Portion Mut sowie ein hohes Maß an Disziplin.
Dunkelblauer Hoodie, schwarze Trainingshose, Turnschuhe und die langen dunkelblonden Haare im Nacken zu einem praktischen Knoten zusammengebunden: Nicht nur ihr Outfit ist lässig, auch Tabea Botthof wirkt an diesem grauen Dienstagmorgen Anfang Februar gelöst. Gerade einmal zwei Tage liegt der persönliche Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere zurück. Am Wochenende zuvor konnte sie sich mit der Nationalmannschaft bei einem Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele im alles entscheidenden Duell knapp mit 2:1 gegen Ungarn durchsetzen. Damit ist Deutschland als eines von zehn Teams im kommenden Jahr bei den Winterspielen in Italien dabei. »Darauf haben wir jahrelang hingearbeitet. Das ist ein riesiger Erfolg!«, freut sich die Eishockeyspielerin.
Im Winter nutzte sie jede Gelegenheit, sobald der nahe gelegene Weiher zugefroren war, den Puck übers Eis zu schieben
Aber zu den Anfängen: Schon als Sechsjährige steht Tabea mit ihren zwei älteren Geschwistern auf den Zuschauerrängen des benachbarten Eishockeystadiums in ihrer bayerischen Heimatstadt Erding und schaut begeistert bei Regionalligaspielen zu. »Auch wenn ich wohl nach dem ersten Drittel meist auf der Tribüne eingeschlafen bin«, erinnert sie sich lachend. Im Winter nutzt sie jede Gelegenheit, sobald der nahe gelegene Weiher zugefroren ist, um mit ihrem Bruder und seinen Freunden den Puck übers Eis zu schieben. Acht Jahre ist sie alt, als sie zum ersten Mal in die Laufschule der Erding Gladiators geht. Schnell wechselt sie von hier in das Nachwuchs-Eishockeyteam U11 und schon bald steht auf der elterlichen Terrasse ein Hockeytor, auf das Tabea unermüdlich Schüsse abfeuert, um ihre Technik zu verbessern.
Eishockey ist bekanntlich eine Männerdomäne. Und noch dazu eine ziemlich harte, in der es körperlich ordentlich zur Sache geht. Frauen sind in diesem Sport eher die Ausnahme, so dass viele Vereine gar keine Frauenmannschaft aufstellen. Auch Tabea Botthof spielt die ersten sechs Jahre in Erding in gemischten Teams, in denen sie oft das einzige Mädchen ist. »Das hat für mich aber nie eine Rolle gespielt.« Erst mit 14 trainiert sie das erste Mal in einem reinen Frauenteam: der erfolgreichen Bundesligamannschaft des Eishockey-Clubs ESC Planegg. Ein Jahr fährt sie einmal wöchentlich in das eine Stunde von Erding entfernte Eisstadion zum Training, bevor sie bei ihrem ersten Spiel in der Deutschen Fraueneishockey-Liga mit auf dem Eis steht. Ihr Talent bleibt nicht unbemerkt und noch im selben Jahr hat sie erste Einsätze in der U15-Nationalmannschaft.
Anfang 2017 klingelt bei Botthofs zuhause das Telefon. Tabeas Mutter nimmt das Gespräch an und reicht den Hörer wenig später an ihre Tochter weiter. Am anderen Ende der Leitung: der Trainer der Damen-Nationalmannschaft. Ob Tabea im Frühjahr mit in die USA zur Weltmeisterschaft fahren wolle? Das kommt völlig überraschend, aber die 16-Jährige muss nicht lange überlegen. Dank der Kooperationsbereitschaft ihrer Schule kann sie als jüngste Spielerin der Nationalmannschaft in Detroit mit dabei sein und einen beachtenswerten 4. Platz des deutschen Teams feiern.
Zum Glück ist mir die Schule immer leichtgefallen. Gelernt habe ich dann einfach auf den Busfahrten.
Tabea Botthof
Seit ihrem Eintritt in die Frauenliga und insbesondere, seitdem sie auf internationalem Niveau spielt, gilt es für Tabea, ein hohes Trainingspensum, regelmäßige Spiele an den Wochenenden und längere Turnierphasen mit dem Unterricht zu vereinbaren. »Zum Glück ist mir die Schule immer leichtgefallen. Gelernt habe ich dann einfach auf den Busfahrten.« Auch ihr Studium leidet nicht unter dem Eishockey. Letzteres ermöglichte es ihr vielmehr sogar, an der renommierten US-amerikanischen Universität Yale zu studieren und in der amerikanischen College-Liga zu spielen. 17 Jahre ist sie alt, als sie das elterliche Zuhause verlässt und nach Connecticut zieht. In sieben Semestern – einem Semester unter Regelstudienzeit – absolviert sie hier einen Bachelor of Science in Psychologie und Neurowissenschaften, während sie zugleich für die Mannschaft ihrer Universität regelmäßig auf dem Eis steht. Von den USA geht es für die junge Uni-Absolventin direkt nach Schweden, wo sie drei Monate für den Stockholmer Eishockey-Club SDE spielt. Obwohl ihr der Verein einen Profivertrag anbietet, entscheidet sich Tabea, zurück nach Deutschland zu kommen. Denn sie ist fest entschlossen, Medizin zu studieren.
Auch wenn Tabea diese Entscheidung nicht bereut, muss sie trotzdem manches Mal schlucken, wenn sich ihr Team – die Bundesliga-Frauenmannschaft der Mad Dogs Mannheim – wieder einmal mit der Zweithalle, den schlechteren Trainingszeiten oder der kleineren Kabine in Konkurrenz mit den Männerteams zufriedengeben muss. In den USA und Schweden hat sie eine Professionalität und finanzielle Möglichkeiten erlebt, von denen »Frau« in Deutschland nur träumen kann. Umso stärker möchte sie sich nun für die Förderung des Frauen-Eishockeys einsetzen; und umso motivierter ist sie, auf dem Eis zu zeigen, was Frauen draufhaben.
Die Olympischen Spiele 2026 hat Tabea dabei fest im Blick, auch wenn vorher noch eine Weltmeisterschaft und zwei Bundesliga-Saisons zu spielen sind. Es wird womöglich ihre einzige Chance sein, an einem olympischen Wettkampf teilzunehmen, sollte sie die Uni gewohnt zielstrebig durchziehen und bei ihrem Entschluss bleiben: »Mit Abschluss des Studiums werde ich auch meine Eishockey-Karriere beenden.« Zur guten Organisation und klaren Struktur der 24-Jährigen gehört eben auch, dass sie sich Ziele setzt und weiß, was sie will. Langfristig ist das die Medizin.
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