Maria-Theresa Licka KI gegen Pestizide im Weinbau

Heidelberger Studentin entwickelt preisgekrönte App

Ein Foto der Studentin und App-Entwicklerin Maria-Theresa Licka aufgenommen im Weinberg

Schlechte Nachrichten für Weinliebhaber: Wussten Sie, dass jede Flasche Wein durchschnittlich einen Teelöffel Pestizide enthält? Noch dazu handelt es sich dabei oft um einen Cocktail verschiedener Schädlingsbekämpfungsmittel, dessen Risiken für Gesundheit und Umwelt kaum erforscht sind. Eine neue App namens MAIWY, die Krankheiten an Rebstöcken mithilfe Künstlicher Intelligenz frühzeitig erkennen kann, soll helfen, den Pestizideinsatz zu reduzieren. Entwickelt wurde sie von der Heidelberger Informatik- und BWL-Studentin Maria-Theresa Licka.

Die Anwendung von MAIWY ist kinderleicht: »Um eine Rebblattkrankheit zu identifizieren und zu klassifizieren, genügt es, in der App ein Foto des erkrankten Blattes zu machen«, erklärt Maria-Theresa Licka. »MAIWY liefert dann aktuelle Informationen über die Krankheit und zeigt den Weinbauern ihre lokale Ausbreitung an.« Auch warnt die App die registrierten Winzerinnen und Winzer, wenn ein verstärkter Schädlingsbefall in der Region aufkommt. Dann können sie frühzeitig entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen, um eine Ausbreitung zu verringern. »Damit lässt sich der großflächige Einsatz von Pestiziden deutlich reduzieren«, so die Studentin. Und das ist dringend angeraten: Denn jährlich kommen 3.000 Tonnen chemische Wirkstoffe für den Traubenanbau in Deutschland zum Einsatz. Das sind flächenmäßig deutlich mehr Schädlingsbekämpfungsmittel als in allen anderen Bereichen der Landwirtschaft.

Dann ließe sich das prophylaktische Spritzen auf ein Minimum reduzieren.

Maria-Theresa Licka

Noch ist die App aber längst nicht ausgereift, betont Maria- Theresa Licka. Derzeit kann MAIWY sechs Krankheiten mit einer Genauigkeit von 96 Prozent erkennen – allerdings erst, wenn der Befall am Blatt bereits sichtbar ist. »Hier steckt noch enormes Entwicklungspotential«, so die 21-Jährige. Ihr Ziel ist es, das »neuronale Netz« der App mit viel mehr Daten auch zu weiteren Krankheiten und Mangelerscheinungen zu füttern und so zu optimieren, dass der Schädlingsbefall erkannt wird, lange bevor es mit menschlichem Auge möglich wäre. »Dann ließe sich das prophylaktische Spritzen auf ein Minimum reduzieren.«

Die Entwicklung von MAIWY hat eine lange Vorgeschichte. Schon früh entdeckt Maria-Theresa Licka ihre Leidenschaft für Naturwissenschaft und Technik. Bereits in ihrer Grundschulzeit nutzt die gebürtige Heidelbergerin Angebote wie die Kinder-Uni der Ruperto Carola, besucht Workshops der Tschira-Jugendakademie und des Technoseums in Mannheim und nimmt an Robotik-Kursen der Volkshochschule teil. In der 10. Klasse dann – lang ersehnt – kommt das Schulfach Informatik hinzu. Ihr Lehrer erkennt das Potential seiner Schülerin und schlägt der damals 15-Jährigen vor, am Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz teilzunehmen. »Ich erinnere mich noch, wie überrascht ich zuerst war, dass er mir das zutraut.«

Erst der Spaß am Programmieren, dann der Erfolg, das Interesse von außen und nun Gespräche mit Investoren.

Maria-Theresa Licka

Bis heute ist Informatik ein Fach, in dem Mädchen und Frauen die Ausnahme sind. Unter den achtzig Studierenden ihres Jahrgangs sind gerade einmal drei Frauen. »Dabei sind wir genauso in der Lage, uns in Informatik, Data Science und KI einzuarbeiten und zu entfalten, aber die Gesellschaft erzieht Jungs und Mädchen nach wie vor unterschiedlich. Das führt oft zur Entmutigung«, so Maria-Theresa Licka. »Mädchen haben automatisch eine Außenseiterposition, wenn sie sich für diese Fächer interessieren. Ich wünschte, das wäre anders.« Sie selbst hatte das Glück, zuerst durch ihren Informatiklehrer, später durch Mentorinnen immer wieder ermutigt und bestärkt zu werden.

Aber zurück zum Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz: Für diesen entwickelt Maria-Theresa Licka gemeinsam mit einem Teampartner zunächst eine App zur automatisierten Sturzerkennung, im Folgejahr dann den Vorläufer von MAIWY: die App »Vine Leaf Disease and AI«. Diese wird nicht nur im Rahmen des Bundeswettbewerbs ausgezeichnet; für sie erhalten die beiden Jungforscher auch den Jurysonderpreis für Nachhaltigkeit und eine Einladung zur internationalen Artificial Intelligence Conference des Unternehmens Bosch. Zudem gewinnen sie mit der App im Bundesfinale von »Jugend forscht« den Sonderpreis für Umwelttechnik und publizieren die Forschungsergebnisse in »Junge Wissenschaft«. Beflügelt von diesen Erfolgen beschließen sie, mit MAIWY beim Wettbewerb »Jugend gründet« an den Start zu gehen. Dort setzt sich die App in mehreren Auswahlrunden gegen mehr als 700 Konkurrentinnen und Konkurrenten durch. »Das war völlig überraschend«, so die Studentin. »Die Idee hinter der Teilnahme war, Erfahrungen zu sammeln, wie sich aus der App eine Geschäftsidee entwickeln lässt. Das war das allererste Mal überhaupt, dass ich einen Businessplan geschrieben habe. Und dann gewinnen wir gleich!«

Im Rückblick, stellt die 21-Jährige fest, habe sich das alles step by step entwickelt: »Erst der Spaß am Programmieren, dann der Erfolg, das Interesse von außen und nun Gespräche mit Investoren und die Idee, mit MAIWY ein Unternehmen zu gründen.« Um hierfür die nötigen Kenntnisse zu erwerben, hat sich Maria-Theresa Licka seit dem Wintersemester 2023/24 zusätzlich zu ihrem Informatikstudium für Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben. Zudem wird sie in ihrem Vorhaben von der universitätseigenen Transferagentur hei_INNOVATION unterstützt, bei deren Ideenwettbewerb sie mit MAIWY in diesem Jahr den 2. Platz sowie den Publikumspreis gewann. Noch allerdings ist nicht die richtige Zeit für eine Ausgründung, weiß die Studentin.

Gerade erst hat die EU-Kommission das Breitbandherbizid Glyphosat nach kontroversen Diskussionen für weitere zehn Jahre zugelassen. »Für den Umweltschutz hat die Politik damit das völlig falsche Signal gesetzt. Das ist sehr schade.«

Allerdings steht für die Heidelbergerin derzeit ohnehin etwas ganz anderes im Vordergrund: Seit August studiert sie für ein Semester an der University of California, Berkeley – mitten im Zentrum des Silicon Valley, dem Mekka aller KI-Entwicklerinnen und -Entwickler. Schon im Vorfeld war die Vorfreude groß: »Zweimal war ich bereits drüben und beide Male absolut fasziniert von der Atmosphäre und dem Spirit. Da werde ich sicher mit jeder Menge neuer Inspirationen und Ideen zurückkommen.«
 

Unispiegel

Uni Privat

Mitglieder der Universität, die sich in ihrem privaten Umfeld in besonderer Weise engagieren oder einem ungewöhnlichen Hobby nachgehen, stehen im Mittelpunkt der Serie »Uni privat«. Fühlen Sie sich angesprochen oder kennen Sie jemanden? Die Redaktion des Unispiegels freut sich über jeden Hinweis.